Ein Mord, ein Kommissar. Also ein Krimi.
Ein Artefakt, Verfolgung. Also ein Thriller.
Asien. China. Man kann sich nicht für alles interessieren.
Drei Kriterien, von denen normalerweise schon eines reicht, damit ein Buch aus meinem Beuteschema herausfällt. Dann gleich drei!
„Dummerweise“ war mir die Rezi aufgefallen, und in die Leserunde habe ich „zufällig“ auch immer mal reingelesen. Und dann war es passiert: ich habe eulenverschuldeterweise wieder mal ein Buch gelesen, das ich sonst nie in die Hand genommen hätte. Was für ein Glück, sonst wäre mir die Buchüberraschung des Jahres entgangen.
Überraschung, weil - bezogen auf die Krimihandlung - das der erste Krimi ist, den ich zu Ende gelesen habe. Bezogen auf Asien/China ich gelernt habe, daß auch dort ungemein interessante und spannende Geschichten spielen können. Vor allem aber ist mir bewußt geworden, daß China nicht der große einheitliche Block ist, als der es mir bisher immer erschien, sondern - etwas schludrig ausgedrückt - ein Vielvölkerstaat, der viel mehr zu bieten hat als Peking, Shanghai, Hongkong und den Konflikt mit Taiwan. Landschaftlich wie historisch. Das war für mich persönlich die größte Überraschung, weil überhaupt nicht erwartet. Etwas, was bisher im Dunkeln, außerhalb meines Blickwinkels lag, wurde plötzlich erhellt, geriet ins Sichtfeld.
Über die Handlung brauche ich mich nicht zu wiederholen. Sehr gut gefallen haben mir die zwei Zeitebenen, die im Buch ablaufen. So erfahren wir etwas über das Jadepferd und seine Geschichte, vor allem über die Menschen, die es im Laufe der vielen Jahrhunderte besaßen und deren Schicksal. Dahinein verwoben ein Teil der Geschichte Chinas, was sehr schön die Fortwirkung der Vergangenheit auf die Gegenwart aufzeigt.
Dem Buch merkt man auf jeder Seite an, daß die Autorin Land und Leute aus eigener reicher Erfahrung kennt. Selten hatte ich das Gefühl, die Menschen einer mir so fremden Weltgegend dermaßen plastisch und lebendig vor mir zu sehen wie hier. Daß neben dem Krimi- und Abenteuerteil auch aktuelle Bezüge mit durchaus kritischer Note vorkommen, wurde schon erwähnt. Dabei ist auch in diesen Passagen die Liebe der Autorin zu Land und Leuten zu merken. Wenn man an einigen Stellen Kritik heraushören kann, so ist diese nie destruktiv, sondern immer konstruktiv-aufbauend.
Von den Protagonisten sind mir vor allem Yandao und Batügül besonders aufgefallen, weil sie - gegen äußere Widerstände - versuchen, auch die andere Seite zu verstehen und zu einem miteinander zu kommen. Solches würde ich mir in hohem Maße auch für die „reale Welt“ wünschen, über Länder-, Ideologie- und Religionsgrenzen hinweg.
Marion ist auf eine Weise als Reisende unterwegs, die für mich nie infrage gekommen ist. Seit diesem Buch frage ich mich allerdings warum. Wer weiß, vielleicht lasse ich eines Tages auch alles hinter mir und tue im Alter das, was die meisten in der Jugend tun: nach Asien verschwinden. Allerdings: sollte ich bei einer Leiche ein Jadepferd oder sonst ein Kunstwerk finden, lasse ich es lieber liegen. Denn so abenteuerlustig bin ich denn auch nicht mehr.
Alles in allem ein wirklich gutes und empfehlenswertes Buch, das ich froh bin, in der HC-Ausgabe zu besitzen. Für mich, da so völlig außerhalb meines „Beuteschemas“, die Buchüberraschung des Jahres. Das nächste Buch von Steffanie Burow werde ich mit Sicherheit auch lesen. Egal in welcher Gegend der Welt es spielt.
Ach so, bevor ich es vergesse:
ZitatOriginal von SteffiB
tja .... der Folgeband. Ich war hin- und hergerissen, ob ich meine Figuren (ich sag jetzt nicht die Namen, es könnte spoilern) noch einmal losschicken sollte, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass sie "auserzählt" sind.
Also "auserzählt" würde ich jetzt nicht sagen, ich könnte mir da schon durchaus noch ein Buch mit den Figuren vorstellen. Stoff und (Konflikt-)Potential gäbe es mehr als ausreichend.