Anthony McCarten, Englischer Harem (The English Harem)

  • Englischer Harem hat mir sehr gut gefallen. Ich fand die Milieu- und Charakterbeschreibungen sehr gut, habe die Personen vor meinem inneren Auge gesehen. Eine ganz andere Geschichte, mit viel Humor erzählt.


    Warum sich Tracy in Sam verliebt ist nicht explizit gegeben, ich hatte den Eindruck, es war sein Charakter und die unbekannte Welt, die sie sehr interessierte - im realen Leben weiß man ja auch nicht immer, warum die Liebe hinfiel, wo sie fiel.


    Leider habe ich 2 Monate zum Lesen gebraucht. Ich wollte nach der Hälfte wissen, wie es ausgeht, und habe das Ende gelesen.

    Danach habe ich 6 Wochen Lesepause gemacht.
    Aber gerade die die Harmonie zerstörenden Ereignisse machen das Buch in meinen Augen so gut.


    Von mir gibt es 9 von 10 Punkten.

  • Zu diesem Buch wurde hier ja schon einiges geschrieben und ich kann mich nur den positiven Meinungen anschließen. "Englischer Harem" ist ein intelligenter, immer wieder humorvoller, aber nicht banaler Unterhaltungsroman, der gekonnt mit den Vorurteilen der westlichen Leserwelt spielt und immer wieder für Überraschungen gut ist.
    Der Autor macht es dem Leser zwar leicht, Sympathie für Sam zu empfinden, der an einer Stelle so treffend als fetter Kater zwischen anmutigen Siamkatzen beschrieben wird, aber gerade dies fand ich auch erfrischend: hier wird nicht groß das furchtbare Bild heraufbeschworen, das wir vom heutigen Iran haben, sondern einfach eine unterhaltsame Geschichte, angesiedelt in England, erzählt, deren Hauptperson ein Perser ist. Tiefgang ist dennoch genug vorhanden, wenn man zwischen den Zeilen liest. Tolles Buch!

  • Eines von vielen Büchern über fremde Kulturen innerhalb Europas. Leider konnte mich das Werk nicht überzeugen, die Charaktere dümpelten so vor sich hin, wurden zwar gut und lebendig gezeichnet, jedoch fehlte mir an jeglicher Stelle die Spannung. Es ging sogar so weit, dass ich selbst bei den letzten Seiten noch geschaut habe, wann das Buch endlich zu Ende ist, da es mich bis zur letzten Seite absolut nicht fesseln konnte. Dies wird wohl eher das erste und letzte Buch von Anthony McCarten gewesen sein, was ich gelesen habe. Leider meinerseits nicht zu empfehlen, aber hier gehen die Meinungen ja auch auseinander.


    Es ist vor allem ein Buch, bei dem ich nicht genau begründen kann, was mir alles nicht gefiel. Fakt ist, dass sich bei mir keinerlei Kopfkino aufgebaut hat, ich an maximal einer Szene Spannung finden konnte und allgemein die Handlungsabläufe weit hergeholt erschienen.


    Zitat

    - Wir konnten nicht wirklich nachvollziehen warum Tracy sich so in ihn verliebt hat
    - Sowohl bei Tracy als auch bei ihm ist der Funke zu uns nicht übergesprungen
    - manchmal hatten wir das Gefühl das Buch sei nur geschrieben worden um es anschliessend verfilmen zu können. Manche Szenen waren pure Effekthascherei


    Das sind alles Punkte, die ich ebenfalls kritisieren würde. Insbesondere das Prinzip der Effekthascherei, wo einem die Handlungsabläufe eben nicht stimmig vorkommen.

  • Sam wird als äußerst liebenswerter, selbstloser Mann beschrieben, der jederzeit sofort alles stehen und liegen lassen würde, wenn man ihn um Hilfe bitten würde und der immer danach strebt, seine Mitmenschen glücklich zu machen. Tracy hat zu Beginn keine Ausbildung und ist eine Kassiererin, die viele Träume hat, der aber niemand zutraut, dass sie jemals etwas anderes als Kassiererin sein wird und der niemand so richtig zuhört. Von ihrem Freund wird sie wie der letzte Dreck behandelt, was ihr aber normal vorkommt, weil sie selbst nur ein geringes Selbstwertgefühl hat. Und dann trifft sie Sam, der sich dafür interessiert, was sie zu sagen hat und der mit ihr philosophische Fragen diskutiert, der sie als gleichwertigen Menschen betrachtet und nicht als ein verträumtes Dummchen und der sich freut, wenn sie neugierig ist und sich weiterbildet.


    Ich konnte schon nachvollziehen, warum sich Tracy so in ihn verliebt hat. Ich meine sogar, dass es eine Stelle gab, an der ich gedacht habe. "Genau in diesem Moment hat sich ihre Wertschätzung in Liebe verwandelt", aber ich habe ich tot gesucht und ich finde sie beim besten Willen nicht wieder.



    "The English Harem" wurde 2005 für das Britische Fernsehen verfilmt mit Art Malik als Sam und Martine McCutcheon als Tracy.

  • Dieses Buch war wirklich bezaubernd, ein bißchen Traum von 1001 Nacht in England.
    Leider konnte dieser Zauber mich nicht auf jeder Seite packen. Zwar finde ich die im Buch verpackte Gesellschaftskritik ziemlich gelungen, aber auch ein wenig einseitig. Bin ich tatsächlich so intolerant, daß ich die Gedanken und Beweggründe von Sam und zumindest seinen ersten beiden Frauen nicht nachvollziehen kann? Muß man denn wirklich "heiraten" um füreinander da zu sein? Auch wurden mir die Problematiken dieses Zusammenlebens zu wenig authentisch geschildert, die Probleme strömten auf diesen "Harem" immer von außen ein, bei 3 Frauen und einem Mann sowie den Kindern unter einem Dach erscheint es mir jedoch recht verblendet, von immer 100% harmonischem Zusammenleben auszugehen.
    Hier und da habe ich also ein bißchen mit den Augen gerollt und mich über die aus meiner Sicht naiven "heile Welt" Schilderungen geärgert.
    Außerdem hatte ich mehrmals das Gefühl, daß das Buch einem nicht wirklich gekonnten Lektorat zum Opfer gefallen ist. An zwei Stellen wurden Anspielungen gemacht, die den Leser auf Situationen stoßen wollte, die der Leser aber noch nicht kannte, weil sie erst später im Buch erwähnt wurden. Entweder war es ein mich verstörendes Stilmittel, oder eben diese Situationen sind Kürzungen zum Opfer gefallen.
    Der Schreibstil ist an manchen Stellen sehr holperig und die Dialoge haben mich hier und da eher zum schmerzhaften Aufseufzen bewegt, ganz ehrlich, so redet kein Mensch. Aber das macht nichts, denn grundsätzlich hat das Buch mich aber sehr gut unterhalten, zum Nachsinnen angeregt und an der ein oder anderen Stelle tief bewegt. (Fürs Protokoll, ich hab mal wieder beim Lesen geflennt...)
    Mit dem Ende bin ich leider auch nicht gänzlich glücklich und ohne zu viel zu verraten, ich hätte mir da eine etwas längere und intensivere Szene am Ende gewünscht.

  • Aufgrund der Rezis hier und meiner Begeisterung für "Superhero" habe ich mir den "Englischen Harem" bereits im Dezember 2008 gekauft.


    Irgendwann letztes Jahr hatte ich das Buch dann schon einmal in der Hand, aber die ersten 100 Seiten konnten mich nicht wirklich fesseln.


    Nun hat es noch eine 2. Chance bekommen und dieses Mal habe ich den Roman innerhalb weniger Tage verschlungen. Wie der Autor mit Klischees - nicht zuletzt auch mit den eigenen - spielt, fand ich sehr gelungen und letztlich ist alles ganz anders als man es erwartet.


    Ich vergebe sehr zufriedene 9 Punkteund kann mir durchaus vorstellen, das Buch in den nächsten Jahren nochmals zu lesen -Superhero bleibt für mich jedoch mein Lieblingsroman des Autors :wave


    Edit:Übrigens hat das Buch mein Interesse an persischen Gerichten geweckt... falls jemand einen Kochbuchtipp hat, würde ich mich freuen.

  • Anthony McCarten - Englischer Harem


    Was für ein wundervolles Buch!
    Tracy Pringle, zwangzig Jahre alt, verträumte und soeben geschasste Kassiererin bei Saintsbury, ist fest entschlossen, den Kampf gegen ihre Arbeitslosigkeit aufzunehmen. Dabei trifft sie auf Sam, einên Iraner, der England über alles liebt und sich mit mit einem vegetarischen Restaurant eine Zukunft aufgebaut hat.
    Nach harter Überzeugungsarbeit schafft die Ex-Kassiererin es, Sam davon zu überzeugen, sie als Bedienung einzustellen.
    Nach und nach lernt Tracy nicht nur Yvette und Firouzeh, die beiden Ehefrauen Sams kennen, sondern verliebt sich zudem in ihren Chef.
    Wäre die Situation nicht schon kurios und moralisch fragwürdig genug, so lässt Anthony McCarten diese Fragen auch Tracy Eltern und ihren Ex-Freund Ricky stellen.
    Dabei beweist McCarten ein großes Gespür für die Zeichnung seiner Figuren.
    Tracys Mutter ist eine kluge Vorschullehrerin, die mit ihrem Ehemann Eric, einem gescheiterten, kranken und Luftschlösser bauenden Mann zusammenlebt, während es sich bei Ricky um einen typischen englischen Rüpel handelt.
    Allen gemein ist, dass sie sich um Tracy Sorgen machen. Doch Tracy trifft ihre eigene Entscheidung.Sie heiratet Sam und wird seine dritte Ehefrau.


    Anthony McCarten hat eine Vielzahl von Themen in seinem knapp 600 Seiten umfassenden Roman angepackt:
    Migration, Elternliebe, Partnerliebe, Kinderliebe, die Arbeitssituation in England und die dortigen Lebensverhältnisse.
    Auf eine sehr britisch zurückhaltende Art schildert der in Neuseeland geborene Schriftsteller mit großer Liebenswürdigkeit die urkomische Situation einer polygamen Ehe. Und führt den möglicherweise von moralischen Bedenken geplagten Leser aufs Glatteis. Gut, dass es sich um einen Unterhaltungsroman handelt und Figuren sowie Leser McCarten aus dieser Klemme befreit werden. Bei genauerer Betrachtung dieses Romans ist es jedoch nicht die Konstellation vierer Menschen, die unter einem Dach zusammenleben und Anlass zur Erregung geben, sondern es sind die leisen Töne, die McCarten anschlägt, wie z.B. wenn Tracys Mutter sich um kambodschanische Flüchtlingskinder kümmert und deren Schicksal aussichtlos erscheint oder der Kampf um eine Verbesserung ihrer Wohnsituation in einem maroden Hochhaus, das Eric zugleich einen Nebenjob sichert.


    Am Ende fügen sich alle Fäden zu einem einheitlichen Ganzen, vielleicht nicht so wie es sich der Leser gewünscht hätte. Doch das ist gut so, denn ansonsten hätte dieser Roman etwas von seiner Größe verloren.


    "Englischer Harem" ist ein wundervoller, klug komponierter und vor allem ein sehr warmherziger Roman über Vorurteile, das Zusammenleben von Menschen und Toleranz, der immer wieder überrascht und dem auch fünf Jahre nach
    Erscheinen in deutscher Sprache viele Leser zu wünschen bleiben.