ZitatOriginal von SiCollier
Ich glaube, Bücherschreiben wäre nix für mich. In Museen Kleider daraufhin ansehen, wie man zu früheren Zeiten angezogen war. Ich sehe die Unterschiede nicht mal dann, wenn ich direkt darauf hingewiesen werde.
Mr. Nicole auch nicht
Kostümgeschichte hat mich schon immer unendlich fasziniert (und ich bin immer noch ein bisschen beleidigt mit meiner früheren Kunstlehrerin, dass sie als Erste bei unserer Stadtbibliothek Interesse für ein altes Kostümbuch angemeldet hatte, das sie dann auch für ein paar Mark bei dessen Ausmusterung käuflich erwerben konnte - und ich zu spät kam mit meiner Anfrage ). Bei mir ist es eigentlich umgekehrt: dass ich all die Dinge, die mich ohnehin interessieren und faszinieren, im Schreiben von historischen Romanen verbinden kann - auch wenn sie sich letztlich nur in solch kleinen Details niederschlagen.
ZitatOriginal von SiCollier
Ich frage mich halt nur bisweilen, wieviel wir wirklich über das Leben in früheren Zeiten wissen, und wieviel unserer Phantasie bzw. unseren Vorstellungen entspringt.
Puh, da kommen wir sehr schnell an ein empirisches wie philosophisches Problem. Wir wissen tatsächlich nicht, ob wir die Quellen "richtig" interpretieren oder ob wir sie verzerrt wahrnehmen. Genausowenig wissen wir, ob die vorliegenden Quellen "wahr" sind - denn auch diese sind von Menschen verfasst und womöglich verzerrt oder gar gänzlich falsch. Das gilt umso mehr, je weiter die beschriebenen Ereignisse und Verhältnisse zurückliegen - und wie relativ dazu die Quellen auch spärlicher sind bzw. unverhältnismäßig weniger erhalten. (Wenn ich z.B. die Tudorzeit mit dem 19. Jahrhundert vergleiche - da liegen wirklich Welten hinsichtlich der Quellenlage dazwischen)
Die (rein theoretische) Lösungsmöglichkeit für dieses Problem, nämlich mit einer irgendwann vielleicht erfundenen Zeitmaschine in die Vergangenheit zu reisen und sich all das mit eigenen Augen anzusehen, würde auch nur bedingt funktionieren: denn auch dann würden wir mit unserem Hintergrundwissen die Verhältnisse betrachten und vielleicht auch verzerrt wahrnehmen.
Die Geschichtswissenschaft ist nun einmal keine exakte Wissenschaft wie die Physik oder die Chemie, in denen Experimente beliebig oft wiederholt werden können und dann auch immer die gleichen Ergebnisse liefern.
Es bleibt also schwierig mit der Historie
ZitatOriginal von SiCollier
Aber es stimmt schon, je näher wir an unsere Zeit kommen, um so genauer wissen wir Bescheid. Und meine Sachbuchbibliothek muß dazu ja auch nichts hergeben.
Für mich ist die Arbeit an einem Roman immer ein Puzzle aus vielen tausend Teilen: sie passen zusammen, aber die Fugen bleiben sichtbar; manche Teile finde ich nie und muss um sie herum schreiben.
Auch da gilt: je näher eine Epoche an unserer Zeit ist, desto größer ist die Bandbreite an Literatur dazu.
Die Teile des Puzzles suche ich aus vielen Quellen zusammen - und bleibe dabei stets mißtrauisch; wann immer es geht, ziehe ich eine zweite, dritte, x-te heran.
Nicht immer ergibt sich daraus eine Erleichterung: bei HüD hatte ich 3 verschiedene Angaben, wann die Häuser Jaipurs zum ersten Mal ihren rosa Anstrich erhielten; schließlich habe ich mich rein aus dem Bauch heraus für die im Roman angegebenen Jahreszahl entschieden); beim Safranmond saß ich vor drei verschiedenen Daten für einen Gouverneurswechsel in Aden und entschied mich für einen Mittelweg, indem ich statt der Monatsangabe großzügig die Jahreszeit anführte und mich betreffs des Jahres auf die Mehrheit der Quellen berief.
Und dann kann ich immer nur hoffen, dass mich eine Quelle nicht komplett in die Irre geführt hat