'Unter dem Safranmond' - Seiten 269 - 342

  • @ grottenolm


    Zitat

    Original von grottenolm
    Ich kann also nachvollziehen, daß Ralph es nicht fassen kann, daß Maya so gut informiert war und daß sie wahrscheinlich mehr von ihm erwartet hat, ist wahrscheinlich auch nicht gerade gut für sein Ego. Aber warum ist seine Reaktion Ekel gegenüber Maya? Das empfand ich beim Lesen als ziemlich hart, zumal es sich bei ihr um theoretisches Wissen handelt und keine praktische Erfahrung.


    Das ist auch hart von Ralph, und da ist er ein Opfer der Doppelmoral seiner Zeit. Zwar kam ihm Mayas natürliche Sinnlichkeit sehr entgegen, trotzdem war sie in seinen Augen "rein", "unschuldig", "unverdorben" - Jungfrau aus gutem Hause eben.
    Bis zu diesen Briefen.


    "... dass Maya (...) schon lange vor ihrer gemeinsamen Hochzeitsnacht alles darüber gewusst hatte, mehr sogar noch als er ..."


    Überhaupt darüber zu wissen, sogar mehr noch als ein Mann, der kein unbeschriebenes Blatt mehr ist - das war für eine "anständige" junge Frau undenkbar; dieses Wissen besaßen nur besonders liederliche Frauenzimmer - oder eben Prostituierte.


    Sicher schwingt da auch Ekel gegenüber Burton mit, der Maya in dieser Hinsicht "verdorben" hatte.
    (man stelle sich einmal vor, Jonathan wäre nicht vorzeitig aus Indien nach Hause zurückgekehrt und Martha hätte diese Briefe in die Finger gekriegt :yikes )

  • Hm, bin ich irgendwie parteiisch, wenn ich Ralph wünsche, dass er sich in der Wüste verirrt, damit Maya noch länger in den Händen ihrer Entführer bleibt? :gruebel Warum nur habe ich das Gefühl, dass es ihr bei Rashad besser geht, als bei ihrem Ehemann? Eigentlich eine erschreckende Vorstellung, aber für mich ein wahrer Gedanke.


    Schön, der erste Kontakt, die ersten Worte zwischen Maya und Rashad. Mir gefällt diese Stimmung, wie sie sich vorsichtig annährern. Es wird wenig gesprochen und doch so viel. Wieder eine der Stärken dieses Buches. Fast schon lustig wirkt das Binden der keffiyeh.


    Djamila mag ich - auch in ihr steckt ein Geheimnis. Ich bin gespannt, wie das weitergeht.


    In diesem Kapitel habe ich eine sehr interessante Reise mitgemacht, einzigartig die Beschreibung der Landschaft und der Lebensweise in der Wüste. :anbet Nichts wirkt belehrend oder aufgesetzt, alles aus den natürlichen Gegebenheiten des Reiseweges heraus. Toll, einfach toll. Und wenn das Buch so weitergeht, werden mir so langsam aber sicher die lobenden Adjektive ausgehen. Mir gefällt's einfach :-]


    :lesend

  • Nun erlebt Maya wirklich ein Abenteuer. Ich bin noch ganz gefangen von den ganzen Eindrücken der Reise, und ich kann mich Bouquineur nur anschließen: Die Essensbeschreibungen klingen sehr lecker (und ich esse gerne scharf).


    Rashid finde ich sehr interessant, und ich bin gespannt, was sich zwischen ihm und Maya entwickeln wird.


    Sorry, dass ich mich heute ein wenig kurz fasse, aber ich muss bald ins Bett und möchte vorher noch ein wenig weiter lesen. :lache

  • @ Sina


    Zitat

    Original von Sina
    Hm, bin ich irgendwie parteiisch, wenn ich Ralph wünsche, dass er sich in der Wüste verirrt, damit Maya noch länger in den Händen ihrer Entführer bleibt? :gruebel Warum nur habe ich das Gefühl, dass es ihr bei Rashad besser geht, als bei ihrem Ehemann? Eigentlich eine erschreckende Vorstellung, aber für mich ein wahrer Gedanke.


    Darum ging's mir auch hintergründig in diesem Roman. Neben dem Thema des Konflikts zwischen Vorstellungswelt und Realität fand ich das Thema der Rollen spannend. Was, wenn eigentlich klar definierte und festgeschriebene Rollen aufweichen, sich gar auflösen durch die Persönlichkeit, die diese Rolle anfangs ausfüllt? Auch durch Emotionen, durch Umstände, durch Beziehungen zwischen Personen? Was passiert dann? Wie reagieren die Charaktere darauf? Welche Rolle entwickelt sich daraus neu?
    Das war auch für mich beim Schreiben sehr eindrücklich, dem nachzugehen. :-)

  • Ich finde es schade, wie oft auf Ralph rumgehackt wird. Er ist sicherlich alles andere als ein Sympathieträger, aber da tut man ihm unrecht.
    Er hatte eine aufstrebende Karierre und ist durch die überstürzte Heirat mit Maya in ein Wüstenkaff abgeschoben worden.



    Er ist besser, als dies den Eindruck hat.

  • Nomadenseelchen :
    Ich würde nicht sagen, daß wirklich auf Ralph rumgehackt wird- wie in einem anderen Thread bereits jemand erwähnt hatte, hat er halt einfach eine etwas undankbare Funktion.


    Ich persönlich habe eine andere Lebenseinstellung als er: ich versuche immer das Beste aus der Situation zu machen, das zu beeinflußen was ich kann und wenn es nur meine Einstellung dazu ist, v.a. wenn mein Lebensplan anders aussah - während er daran, daß er so wenig an seiner Situation ändern kann, verzweifelt.
    ABER ich bin ja auch nicht mit ihm verheiratet.


    Was ich an Nicoles Büchern so faszinierend finde ist folgendes: auch wenn manche Charaktere etwas klischeehaft sind, so werden sie doch immer als Menschen mit Fehlern und nachvollziehbaren Handlungsmotiven beschrieben. Sie behandelt ALLE ihre Figuren mit Respekt und deshalb ist Ralph auch nicht als eine fiese Ratte geschildert, sondern so, daß man dennoch seine Motive zumindest nachvollziehen kann (wenn auch wie in meinem Fall nicht teilen) und Sympathie für ihn entwickeln kann.


    Im Übrigen habe ich das Gefühl du magst Maya nicht sonderlich. Mir ging es bei "HüD" ähnlich: Helena war mir zu zickig, und Ian ist der Typ "Ich mache alles mit mir selbst aus und will keinen mit meinen Problemen belasten". Über beide habe ich mich stellenweise so geärgert, dennoch fand ich die Sprache toll, weil sie mich beim Lesen forderte sowie die Landschaftsbeschreibungen- deshalb bin ich drangeblieben und bei "Safranmond" hat dann dafür alles gepasst.

    Ich weiß nicht, was das sein mag, das ewige Leben.
    Aber dieses hier, das diesseitige, ist ein schlechter Scherz. (Voltaire)

  • Zu Maya habe ich ein komisches Verhältnis gehabt: Sie ist in vielem so, wie ich gerne wäre und teilweise (mit ihrem Fernweh) auch so wie ich bin. Aber ich habe kein Verständnis, wenn sich jemand bei den ersten Anzeichen von Verliebtheit gleich mit jemanden ins Bett schmeisst. Damit hat sie bei mir gewaltig Sympathie eingebüßt.


    Bei der ganzen Liebelei zwischen Maya und Rashid kam mir das Stockholm-Syndrom in den Sinn.
    http://de.wikipedia.org/wiki/Stockholm-Syndrom

  • Zitat

    Original von Nomadenseelchen


    Bei der ganzen Liebelei zwischen Maya und Rashid kam mir das Stockholm-Syndrom in den Sinn.
    http://de.wikipedia.org/wiki/Stockholm-Syndrom


    ...wollte gerade fragen, ob das stockholm syndrom nicht einseitig, vom opfer aus, agiert; aber ist ja nicht so - ...


    meiner meinung nach sind beide im herzen einsam - und haben sich somit gefunden...wie sagt man so schön? der sternenhimmel über der wüste bringt es an den tag... oder so ähnlich ;-)

  • Zitat

    Original von Nomadenseelchen
    Bei der ganzen Liebelei zwischen Maya und Rashid kam mir das Stockholm-Syndrom in den Sinn.


    Das liegt auch sehr nahe, und ich war mir bewußt, dass ich mich mit dieser Geschichte auf einem verflixt schmalen Grad bewege.


    So habe ich Mayas Gedanken auf S. 322 tatsächlich einen Anklang an das Stockholm-Syndrom verliehen, da mir das logisch und stimmig erschien, in einer solchen Situation zu denken und zu empfinden.



    Was Rashads Freundlichkeit ihr gegenüber angeht...
    Fakt ist, dass das Wohlergehen der Geisel im Sinne des rafiq essentiell ist. (Deshalb verachtet Rashad auch den Sultan von Lodar, der sich einen Dreck um diesen Ehrbegriff schert - wie übrigens von einem Zeitzeugen belegt). Und das nicht nur bei Rashad. So kurios das auch klingt: die vielgerühmte arabische Gastfreundschaft ist SO wichtig, dass sie sogar noch über der Tatsache einer Geiselnahme steht.
    Ich hatte bei meinen Recherchen den Bericht eines Reiseschriftstellers aus den 1990er Jahren vorliegen, der auf seiner Fahrt ins Landesinnere ebenfalls in die Gewalt von Entführern geriet.
    Er schildert sehr anschaulich das Bizarre dieser Situation: um ihn herum waren alle Männer bis an die Zähne mit Kalaschnikows bewaffnet, mit denen ihm unmißverständlich klargemacht wurde, dass sie ihn nicht gehen lassen würden. Und doch setzten sie sich abends zu ihm, unterhielten sich freundlich in lockerer Atmosphäre, bezeichneten ihn mit viel Schulterklopfen als "Freund" und drängten ihn, mehr vom zubereiteten Essen zu verzehren. Ähnliche Berichte gibt es auch aus Mayas Zeit.


    Ich glaube schon, dass die Grenzen zwischen Stockholm-Syndrom und echter Annäherung hier verschwimmen. Für mich war es allerdings so, dass sich Maya und Rashad nicht aufgrund der Entführung einander annähern - sondern trotz dieses Umständes, und zumindest anfangs gegen ihrer beider Willen.


    Falls ich das nicht oder nur ungenügend 'rübergebracht habe, tut mir das natürlich leid. :wave


    @ WaterPixie


    Zitat

    Original von WaterPixie
    meiner meinung nach sind beide im herzen einsam - und haben sich somit gefunden...wie sagt man so schön? der sternenhimmel über der wüste bringt es an den tag... oder so ähnlich ;-)


    das hast Du sehr schön ausgedrückt :-]

  • Zitat

    Original von WaterPixie


    ...wollte gerade fragen, ob das stockholm syndrom nicht einseitig, vom opfer aus, agiert; aber ist ja nicht so - ...


    meiner meinung nach sind beide im herzen einsam - und haben sich somit gefunden...wie sagt man so schön? der sternenhimmel über der wüste bringt es an den tag... oder so ähnlich ;-)


    Mir fehlt für sowas irgendwie die romantische Ader.

  • Seite 280f, als Ralph die Briefe Burtons liest und seine Reaktion darauf. Ist er doch nicht so, hm, verdorben, wie es den Anschein hatte? Sind die Ereignisse um die Entführung Mayas wie eine Art Katalysator, die eine Entwicklung in Gang setzen, daß sich die beiden wieder annähern, indem Ralph sich ändert? Wobei er da noch große Schritte hinter sich zu bringen hätte. Allerdings ist das so ziemlich das erste Kapitel, das nicht mit einer Drohung, sondern eher hoffnungsvoll endet.


    Seite 290f. Doch das Leben kennt keine Umkehr, kettet unerbittlich Konsequenzen an des Menschen Entscheidungen und Handlungen. (...), spürte sie, wie der unablässig vorwärtsdrängende Strom der Zeit sie mit sich nahm, einer ungewissen Zukunft entgegen.
    Sehr schön ausgedrückt.



    Und dann, völlig unvorbereitet, traf es mich wie ein Faustschlag aus dem Dunkeln mitten ins Gesicht.


    Muhammad Mudawwar beugte sich über Umm Chosch, schob ihr die Hände unter die Achseln und zog sie wie ein Kleiderbündel in die Höhe. Wie ein großes Kind lag sie in seinen Armen. Er schüttelte sie mehrmals kräftig, um sie aus ihrem tiefen Schlaf zu reißen. Grölend und lachend verfolgen neugierige Jungen die Szene. Die Männer und Frauen lächelten. Abdallah Mas’ud, der noch auf dem Boden kniete, hob seinen Kopf, um dieses Schauspiel zu verfolgen, auf dem Umm Chosch in den letzten Momenten vor der Abreise zu bestehen schien. Doch als sein Blick auf ihr Gesicht fiel, erschauderte er wie jemand, der ganz plötzlich aus einem Albtraum erwacht. Sein Herz drohte seine Brust zu sprengen.
    „Habt Erbarmen, Leute““ rief er schmerzerfüllt.
    (...)
    Dann kniete er sich neben sie, hielt mit zitternden Händen ihr Gesicht fest, betrachtete es eindringlich und drehte es um, damit auch die anderen es sehen konnten. Es war leichenblass und kalt, das Leben hatte ihren Körper verlassen. Als er sich ganz sicher war, legte er ihren Kopf behutsam auf das Kleiderbündel.


    Genau diese Stelle aus Abdalrachman Munifs „Salzstädte“ (Seite 109) fiel mir ein, als Maya und Rashad unter dem Sternenhimmel saßen und die Sternschnuppe fiel (S. 332). Ich weiß nicht warum. Es gibt keinen logischen Zusammenhang; "Salzstädte" spielt zwar auch in einem Wadi, wenngleich in einer anderen Gegend und einer anderen Zeit. Aber als die beiden da so unter dem Nachthimmel saßen, hat sich jenes andere Bild unweigerlich aufgedrängt. Er lachte traurig und fügte hinzu: „Hofft das Beste ... Niemand sieht in die Zukunft.“ (Quelle: ebenda, S. 554)



    Ansonsten eine interessante Reisebeschreibung; ich gehe einfach mal davon aus, daß gut recherchiert wurde, und also auch ein Abgesandter eines Sultans nicht ohne Weiteres überall frei reisen konnte, sondern „Wegezoll“ zahlen mußte wie jeder andere auch. Wenn ich das so überlege, muß das Reisen sehr teuer und langwierig gewesen sein. Ob es wohl viele wie den Sultan von Az-Zara gab? :gruebel


    Schließlich der (erwartete?) Überfall, der für die Reisegruppe relativ glimpflich abgeht. Rashad und Maya scheinen beide etwas füreinander zu empfinden, was sie sich jedoch nicht eingestehen wollen. Allerdings sieht es so aus, daß Maya, wenn ich an die Reaktion Djamilas denke, langsam die Achtung der Araber gewinnt. Wobei mich wundert, daß sich Rashad noch nicht gewundert hat, daß Maya arabisch spricht. Nach allem, was ich so weiß (und über die englische Garnison bisher im Buch stand), dürfte es nicht selbstverständlich sein, daß eine Engländerin arabisch spricht.


    Im übrigen hat es Nicole geschafft, mich vollends zu verwirren. Drei Männer mit „R“. Burton schließe ich mal aus, bleiben immer noch zwei, von denen ich mir zu Ende dieses Abschnittes nicht sicher bin, welcher der „richtige“ ist. Ich hoffe, daß nicht noch einer mit „R“ auftaucht.


    Edit. Formulierung präzisiert.
    .

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

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  • @ SiCollier


    Zitat

    Original von SiCollier
    Genau diese Stelle aus Abdalrachman Munifs „Salzstädte“ (Seite 109) fiel mir ein, als Maya und Rashad unter dem Sternenhimmel saßen und die Sternschnuppe fiel (S. 332). Ich weiß nicht warum. Es gibt keinen logischen Zusammenhang;


    Ich kann - obwohl ich das betreffende Buch nicht kenne - schon erahnen, warum Dir diese Passage eingefallen ist. Auch bei mir "klingt" da ganz leise etwas gleich mit der Szene unter dem Wüstenhimmel - ohne dass ich es greifen oder genauer beschreiben könnte.


    Zitat

    Original von SiCollier
    ich gehe einfach mal davon aus, daß gut recherchiert wurde, und also auch ein Abgesandter eines Sultans nicht ohne Weiteres überall frei reisen konnte, sondern „Wegezoll“ zahlen mußte wie jeder andere auch. Wenn ich das so überlege, muß das Reisen sehr teuer und langwierig gewesen sein.


    Zum Teil schon. Ausnahmen bildeten die Stämme (und damit die auf ihren Gebieten verlaufenden Reiserouten), die untereinander ein "sayyir" hatten - ein Abkommen, das ihnen gegenseitigen Schutz ohne Zahlung eines Entgelts zusicherte. Es gab sayyirs, die lange Tradition hatten, aber auch neue wurden geschlossen - oder wieder aufgekündigt. Auf S. 393 habe ich kurz erwähnt, dass der Stamm von al-Shaheen mit dem Sultan von Nisab ein solches sayyir besaß.


    Zitat

    Original von SiCollier
    Ob es wohl viele wie den Sultan von Az-Zara gab? :gruebel


    Ein paar, von denen wir wissen, auf jeden Fall. Der Sultan von Lahej, in unmittelbarer Nähe Adens, war von ähnlichem Schlag, und ich erinnere mich an einen ganz ähnlichen Bericht, der aus einer Gegend an der südlichen Küste stammte.


    Die politischen Verhältnisse waren sehr unübersichtlich; zwar war der Süden in die erwähnten großen Sultanate unterteilt (wiki bietet dazu eine gute schematische Übersichtskarte: klick! ), aber auf so kleinen Flecken wie Lodar und Az-Zara saßen ebenfalls Sultane, mit genau diesem Titel und eigenem Herrschaftsbereich. Wie viele sich über den Süden verteilten, ist unbekannt, und soweit ich es recherchieren konnte, waren diese "kleinen Herrscher" zwar Sultane nach eigenem Recht, aber den "großen" Sultanen unterstellt.


    Zitat

    Original von SiCollier
    Ich hoffe, daß nicht noch einer mit „R“ auftaucht.


    :lache
    Nein, es bleibt bei den dreien. :zwinker

  • Danke für die Info und die Karte! :wave


    Das mit dem "sayyir" war mir schon aufgefallen, aber Garreth (oder andere europ. Reisende) hatte ja mit niemandem ein "sayyir". Ich glaube, so eine Art zu reisen können wir uns heute überhaupt nicht mehr vorstellen.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • @ SiCollier


    Zitat

    Original von SiCollier
    Das mit dem "sayyir" war mir schon aufgefallen, aber Garreth (oder andere europ. Reisende) hatte ja mit niemandem ein "sayyir". Ich glaube, so eine Art zu reisen können wir uns heute überhaupt nicht mehr vorstellen.


    ah, jetzt hab ich geschnallt, dass Du europäische Reisende meintest! :lache
    Die einzige Möglichkeit, streckenweise den Wegzoll zu sparen, wäre für sie gewesen, sich per rafiq unter den Schutz der Krieger eines bestimmten Stammes zu stellen, der ein sayyir mit einem oder mehreren Stämmen entlang der Reiseroute hatten. Höchstwahrscheinlich wäre der Betrag für das rafiq billiger gewesen als überall Wegzölle zu zahlen (womöglich aber auch nicht :zwinker)


    "Wäre gewesen"... denn in diese Region kam man als Europäer nicht. Der einzige, von dem man sicher weiß, dass er dort war und zurückkehrte, war Carsten Niebuhr im 18. Jahrhundert. Dann kam lange niemand mehr; nicht einmal Burton hat sich in diese Ecke Arabiens vorgewagt.
    Es war nicht so, dass es niemand versucht hätte - aber Fremde waren dort nicht gern gesehen, und es gibt Geschichten von wagemutigen Europäern, die es versucht hatten, aber nicht lebend zurückkehrten.
    Insofern hatte Ralph ein unverschämtes Glück gehabt, überhaupt bis hinter Nisab gekommen und auch wieder nach Aden zurückgekehrt zu sein.


    Bis in die 1990er war das auch keine Gegend für Touristen, und obwohl es heute Touren dorthin gibt, ist immer noch ein großes Risiko damit verbunden.


    Da fällt mir noch etwas ein: Satellitenbilder zeigen, dass unter "den Sanden" tatsächlich Ruinen von Palästen und Städten verborgen liegen. Doch die Archäologen bekommen keine Grabungserlaubnis von den Sheikhs der entsprechenden Gebiete - auch nicht für Geld.


    EDIT: Vergessenes ergänzt

  • Damit hat für mich der schönste Teil des Buches angefangen. Ich fand die Reise durch die Wüste sowas von beeindruckend. Die Nächte unter dem Sternenhimmel habe ich selbst miterlebt und hätte mich gerne eine Nacht tatsächlich dazugesetzt.


    Rashad - er ist ein sehr beeindruckender Mann. Wie er mit Maya und mit seinen Leuten umgeht. Ich bin einfach nur begeistert. Ein durch und durch in sich ruhender Mensch, der meistens genau weiss, was er tut. Man kann sein Selbstbewusstsein regelrecht spüren. So jemand ist genau der richtige für mich :grin


    Djamilia konnte ich auch sofort total gut leiden. Ich hatte von anfang an das Gefühl, dass sie sich nicht traut, Maya gegenüber offen zu sein.

  • Hier steige ich wieder mal mit ein. Ralph ist ja bislang der "gebeutelste" Charakter im Buch. Über ihn habe ich mir sehr viele Gedanken gemacht und ich finde es schön, dass er nicht einfach der "unsympathische" Ehemann ist, der seine Frau zuhause sitzenlässt und seinen Frust mit Alkohol, Glücksspiel und anderen Frauen ertränkt, sondern - wie schon jemand geschrieben hat - seine Handlungen menschlich und nachvollziehbar sind. Für mich ist er jemand, der in seinem Leben zuhause und auch in seinem Beruf bislang alles bekommen hat, war er sich erwartet und gewünscht hat. Auch Maya kriegt er nach anfänglichen Schwierigkeiten. Nun kommt aber die Armee und macht ihm einen gewaltigen Strich durch die Rechnung. Statt seiner erhofften Teilnahme am Krim-Krieg wird er auf einen langweiligen Posten irgendwo in der Wüste abgeschoben, während seine Freude ihren "Heldenmut" beweisen dürfen. Das muss ihn frustrieren und leider kommt er über diese Frustration nicht hinweg, sondern vergräbt sich darin. Mit den bekannten Folgen.


    Für Maya tut es mir leid. Ich habe ja schon mal geschrieben, dass ich mir durchaus eine glückliche Ehe zwischen den beiden vorstellen hätte können. Allerdings hätten dann nicht schon am Anfang solche massiven Probleme auftreten dürfen. Ralph ist meiner Meinung noch nicht erwachsen genug, damit angemessen umzugehen. Vielleicht wäre er es auch nicht geworden, wer weiß? Maya versucht hingegen, sich mit der Situation zu arrangieren und sieht durchaus auch das Positive, Ralph kann das leider nicht sehen.


    Aber Ralph verlässt zumindedst im Ernstfall nicht der Mut und begibt sich auf eine gefährliche Mission, um Maya zurückzugewinnen. Nicht weil er muss, sondern weil er erkennt, was sie ihm bedeutet. Es bleibt also spannend, wie es mit den beiden weitergeht. :-]

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Zitat

    Original von Lese-rina
    Hier steige ich wieder mal mit ein. Ralph ist ja bislang der "gebeutelste" Charakter im Buch. Über ihn habe ich mir sehr viele Gedanken gemacht und ich finde es schön, dass er nicht einfach der "unsympathische" Ehemann ist, der seine Frau zuhause sitzenlässt und seinen Frust mit Alkohol, Glücksspiel und anderen Frauen ertränkt, sondern - wie schon jemand geschrieben hat - seine Handlungen menschlich und nachvollziehbar sind.


    Mich berührt (und freut) das jetzt sehr, dass Du ihm gegenüber so empfindest!


    Zitat

    Original von Lese-rina
    Für mich ist er jemand, der in seinem Leben zuhause und auch in seinem Beruf bislang alles bekommen hat, war er sich erwartet und gewünscht hat. Auch Maya kriegt er nach anfänglichen Schwierigkeiten. Nun kommt aber die Armee und macht ihm einen gewaltigen Strich durch die Rechnung. Statt seiner erhofften Teilnahme am Krim-Krieg wird er auf einen langweiligen Posten irgendwo in der Wüste abgeschoben, während seine Freude ihren "Heldenmut" beweisen dürfen. Das muss ihn frustrieren und leider kommt er über diese Frustration nicht hinweg, sondern vergräbt sich darin. Mit den bekannten Folgen.


    ... wegen eines solch kleinen, blöden formalen Versäumnisses von ihm!
    Klar, als Außenstehender müsste man ihm sagen: sei froh, dass Du nicht auf der Krim bist, dort geht's scheußlicher zu als in deinen schlimmsten Alpträumen, wahrscheinlich wärst du dort schon tot oder zum Invaliden geworden.
    Ich denke, das macht's doppelt schlimm für ihn: auf diesem Außenposten in Sicherheit zu sein und Däumchen zu drehen, während die Kameraden kämpfen und sterben.


    Zitat

    Original von Lese-rina
    Für Maya tut es mir leid. Ich habe ja schon mal geschrieben, dass ich mir durchaus eine glückliche Ehe zwischen den beiden vorstellen hätte können. Allerdings hätten dann nicht schon am Anfang solche massiven Probleme auftreten dürfen. Ralph ist meiner Meinung noch nicht erwachsen genug, damit angemessen umzugehen. Vielleicht wäre er es auch nicht geworden, wer weiß?


    Das ist natürlich bitter, wenn die romantischen Träume von einer solch drögen und frustrierenden Realität eingeholt und zermalmt werden. Gerade, wenn man sich noch nicht lange und noch nicht gut kennt wie die beiden; ihre Beziehung hatte noch keine Chance, sich zu entwickeln und zu festigen.


    Zitat

    Original von Lese-rina
    Maya versucht hingegen, sich mit der Situation zu arrangieren und sieht durchaus auch das Positive, Ralph kann das leider nicht sehen.


    Für mich wird da die Unterschiedlichkeit der beiden zum Fluch.
    (Als hätte Martha genau so eine Situation vorausgeahnt ... )


    Zitat

    Original von Lese-rina
    Aber Ralph verlässt zumindedst im Ernstfall nicht der Mut und begibt sich auf eine gefährliche Mission, um Maya zurückzugewinnen. Nicht weil er muss, sondern weil er erkennt, was sie ihm bedeutet. Es bleibt also spannend, wie es mit den beiden weitergeht. :-]


    Ich bin mit-gespannt, wie's Dir weiter damit geht! :zwinker