Sonia Rossi - Fucking Berlin

  • Inhalt:


    Das autobiographische Bekenntnis zur käuflichen Liebe - und die freimütige Schilderung eines Doppellebens.


    Sie lebt in Berlin, studiert Mathematik, bringt morgens ihr Kind in die Kita und trifft sich am Wochenende mit Freunden. Eine normale junge Frau - auf den ersten Blick. Denn sie hat noch einen Job: Sie verkauft ihren Körper. Und sie sieht darin auch kein Problem. Wie kommt man als harmlose Studentin ins Rotlichtmilieu? Wie ist das, wenn man sich zum ersten Mal gegen Bezahlung einem Freier hingibt? Wie erlebt man den Alltag mit den Kunden und Kolleginnen aus dem Milieu? Und wie kriegt man das überhaupt hin, ein Doppelleben zwischen bürgerlicher Existenz und Prostitution?


    Meine Meinung:


    Ein Ausflug in die Hurerei


    Dachten wir vielleicht vor über 25 Jahren noch dank Christiane F., dass nur Drogensüchtige auf den Strich gehen, ist es heute natürlich schon lange kein Geheimnis mehr, dass es Frauen gibt, die ein Doppelleben führen, indem sie tagsüber ihrem Job als Mutter und Hausfrau oder einer normalen Sekretärin nachgehen, während sie sich nachts den Männern für Geld hergeben. Ich persönlich habe aber bis zu diesem Buch noch nie einen detaillierten Zugang zu diesem Milieu bekommen. Dank Sonia Rossi weiß ich nun, wie eine Frau in diese Situation kommen kann und vor allem, wie es ihr dabei geht. Und ich glaube, dass gerade in diesen Zeiten von Hartz 4 der „Abrutsch“ in dieses Milieu weiter gestreut ist, als wir denken. Denn wem der Magen knurrt, der wird sicher eines Tages ALLES dafür tun, dass Geld in die Kasse kommt.


    In ihrem Roman schreibt Sonia Rossi über sich selber, über ihr Leben als brave Studentin und über den Job als Prostituierte, mit dem sie sich über Wasser hält, um das Studium finanzieren zu können. Als Sonia auf der Rückfahrt ihres Heimatortes in Italien im Zug nach Berlin Jörg kennen lernt und dieser sie nach ihrem Job fragt, antwortet sie ihm „Ich bin Hure“ und dann beginnt sie damit, ihm und natürlich auch dem Leser dieses Buches, ihre Geschichte zu erzählen.


    Um Geld zu verdienen fängt Sonia mit einem Job in einem Sex-Chat an, bei dem sie sich vor Männern, die sie über eine Webcam beobachten, auszieht. Nicht weit ist der Weg dann von diesem Job zu einem Massagesalon, in der sie nackte Männer nackt massiert. Und mehr. Immer wieder plagt sie das schlechte Gewissen ihrem arbeitslosen Freund Ladja gegenüber, aber sie braucht auch weiterhin schnell verdientes Geld, um den Lebensstandard halten zu können.


    Sonia Rossi beschreibt nun viele Männer, die sie in all den Jahren als Hure kennen lernt. Vom armen Studenten bis hin zum absoluten Spießer, der, was das sexuelle angeht, alles andere als spießig ist, beschreibt sie die verschiedenen Sexpraktiken, die die Männer von ihr verlangen und denen sie auch größtenteils (des Geldes wegen) zustimmt. Irgendwann heiratet sie Ladja, verliebt sich nach einiger Zeit aber in Milan, der ihre ganz große Liebe wird. Immer wieder ist sie hin- und hergerissen zwischen ihren Gefühlen Milan gegenüber und dem schlechten Gewissen Ladja gegenüber. Und dann steht da ja noch ihr Job als Hure dem Ganzen gegenüber, der eigentlich so gar nicht in das Weltbild von Sonia passt und doch scheint ihr keine andere Wahl zu bleiben.


    Ladja hat das Arbeiten nicht gerade erfunden und gibt das hart verdiente Geld von Sonia gerne aus. Das ändert sich auch nicht, als die Familienverhältnisse der beiden sich auf einmal ändern.


    Sonia Rossi hat uns einen tiefen Einblick in das Milieu der Hurerei gegeben und ich fand diesen Ausflug sehr interessant. Nicht selten bekam ich meinen Mund nicht mehr zu, wenn sie von Sexpraktiken und –wünschen ihrer Freier schrieb, die bislang vollkommen an mir vorbeigezogen sind. Zudem wusste ich auch nicht, dass es Huren gibt, die zwar in einem Stammbordell arbeiten, aber ab und zu an andere Bordelle in anderen Städten „ausgeliehen“ werden können, um dort (wie es im Fachjargon heißt) auf „Dienstreise“ zu gehen.


    Sehr interessant fand ich auch die teilweise eingebrachten Fußnoten, die Erklärungen zu den Hintergründen der Lokalitäten und Begebenheiten geben konnten.


    Alles in allem ein sehr interessantes Buch, in welchem sich eine mir unbekannte detaillierte Art des Geldverdienens offenbarte und in der sich Sonia Rossi für mich als sehr toughe und starke Frau zeigte. Auch wenn sie finanziell gesehen ganz unten war, so hat sie dies doch nur aus einem Grund gemacht: Um zu überleben und um sich damit irgendwann einen Lebensstandard leisten zu können, der ihrem Leben angemessen sein wird. Ich wünsche der Autorin und vor allem auch ihrem Sohn auf jeden Fall ein unbeschwertes Leben ohne die Hurerei, die ihr Dasein mit Sicherheit für immer geprägt haben wird.

  • Hallo Andrea, :wave


    vielen lieben Dank für die Rezi. :kiss
    Eine Freundin von mir hat mir das Buch schon ans Herz gelegt. Aber deine Rezi hat mich jetzt ganz überzeugt und ich habe das Buch auf meine Wunschliste gesetzt.


    LG
    Lisa :wave

    Mich zu treffen ist ein Schicksal
    Mich zu Lieben ist eine Bescherung
    Mich zu hassen ist dein Untergang

  • Eine erschütternde Biographie, die gehalten ist wie ein ganz normaler Roman. Vermutlich macht es das Buch auch deshalb so ansprechend und nie langweilig wirken.
    Alle teilnehmenden Charaktere sind auf ihre (meist sehr skurrile) Art etwas ganz Besonderes. Die Protagonistin beschreibt einerseits mit viel Gefühl, wie sich ihr Leben innerhalb von 5 Jahren um ganze 180°C wenden konnte, andererseits zeugt ihre Ausdrucksweise manchmal nicht gerade von Feinfühligkeit, sondern eher von Abstumpfung.
    Alles in allem ein sehr berührender, unterhaltender Roman, der nicht nur für Autobiographie-Liebhaber weiter zu empfehlen ist.

    "Katzen achten nicht drauf, welche Namen wir ihnen geben. Sie haben ihre eigenen Namen und brauchen unsre nicht. Darum schaut einen eine Katze auch immer so mitleidig an, wenn man sie beim Namen ruft, den man ihr gegeben hat, als ob man es nie lernt.

  • ich habe das buch auch schon gelesen. ich finde es sehr heftig... also ich frage mich, was ihr mann für ein waschlappen ist!? so einen würde ich nicht an meiner seite haben wollen! wenn ich sowas lese, weiss ich echt nicht, wie doof frau sein kann. aber so vom schreibstil her, hat mir das buch gut gefallen.


    LG Minerva


    :lesend Die Tochter des Fotografen - Kim Edwards
    danach :lesend Der wunde Punkt - Mark Haddon

  • Ich habe das Buch heute auch beendet und leider hält sich meine Begeisterung in Grenzen. Dabei geht es nicht um das Thema Prostitution um sich das Studium finanzieren zu können - das fand ich die ganze Zeit über sehr spannend. Auch ist das Buch in einem für mich sehr ansprechenden Stil geschrieben. Was mich gestört hat, war einfach ein Teil der Story (jaa, ich weiß, dass ich hier im Biografien-Bereich bin).


    Außerdem:


    Von diesen zwei Punkten abgesehen, kann ich sagen, dass ich das Buch mit viel Eifer gelesen habe. Es war spannend und gleichzeitig schockierend. Ich wünsche der Autorin das Beste für die Zukunft.

    :lesend Ich lese gerade: "Carry On" von Rainbow Rowell und "Mansfield Park" von Jane Austen | SuB: 50

  • Fucking Berlin - Sonia Rossi


    Ein Buch der Geständnisse. Und was für welche! Eine Studentin verdient sich ihren Lebensunterhalt als Hure. Diese Studentinnen! Man hat’s doch immer schon gewußt. Sodom und Gomorrha an den deutschen Unis! Kein Wunder, daß Deutschland so wenig Nobelpreise bekommt!!
    Kein Wunder, daß der Vorabdruck dieses Buchs in der Bild-Zeitung zu lesen war.


    Entsprechend dem Stand der Bekennenden als Akademikerin richtet sich das Buch an ein etwas ‚besseres’ Publikum. Es kommen nicht nur ‚F’-Wörter darin vor, sondern die Sätze sind vollständig und in gewähltem Deutsch. Es gibt immer wieder mal Reflexionen und vor allem zwei ‚große’ Liebesgeschichten, um etwa in Unruhe geratene bürgerliche Gemüter wieder zu beruhigen, Marke: es gibt immer einen Silberstreifen am Horizont und am schönsten ist er, wenn er rosarot ist. Selbstverständlich gibt es Fußnoten. Das ist ein besseres Buch!


    Es gibt sogar einen literarisierten Einstieg ins Bekenntnis: die Bekennerin trifft im Zug aus Italien einen Dachdecker aus Rostock, dem sie auf Nachfrage ihr Leben erzählt. Bei einer Flasche Prosecco im Speisewagen. So schön. Da sitzt sie also, unsere Sonia, um Mitternacht, und erzählt. Noch sieben Stunden bis Berlin, der Dachdecker bestellt eine zweite Flasche.


    Sonia, die natürlich nicht so heißt, und auch das ‚Rossi’ ist wohl anzuzweifeln, stammt von einer der liparischen Inseln, gleich nördlich von Sizilien. Glauben wir es mal. Mamma Bibliothekarin, Pappa Gastwirt, Sonia 18, und schon hat sie die Nase voll. Vom kleinbürgerlichen Leben. Sie muß raus! Immerhin hat sie Abitur. Damit ist die Sache klar: sie muß nach Berlin und dort Mathematik studieren. Aber erst ein Jahr später. Vorher will sie die deutsche Sprache lernen.


    Von einer etwaigen Finanzierung dieses Auslandsaufenthaltes erfahren wir nichts. Sonia wird irgendeinen Job annehmen, heißt es vage, und, siehe da: kaum stolpert sie 2001 zum erstenmal am Bahnhof Zoo aus dem Zug aufs Berliner Pflaster, hat sie auch schon eine Wohnung in Moabit und einen Kellnerinnen-Job in Charlottenburg. Na, bitte, geht doch.
    Im Rucksack hat sie ‚Schriften von Karl Marx, Die Leiden des jungen Werthers, Der kleine Prinz, Die Möwe Jonathan und drei Bände Höhere Mathematik’ (S. 20).
    Diese Auswahl ist ein echtes Bekenntnis für ‚gebildete Stände’.


    Wenn sie nicht liest oder kellnert, ist sie fasziniert ‚von der fremden Kultur, der Partyszene und den exotischen Männern’ (S. 15), die man in Berliner Discos trifft. Aber unsere Sonia schiebt gleich nach, daß sie auch ganz viele Vokabeln lernt, denn sie ist ehrgeizig und möchte perfekt deutsch können.
    Genau, Bildung zählt, wir können wieder beruhigt sein.


    Als nächstes trifft sie Ladja, ein melancholisches polnisches Straßenkind im zarten Alter von Anfang zwanzig, und verliebt sich. Ach, ist das schön, zu zweit in die Disko zu gehen. Auch das Kiffen macht zu zweit mehr Spaß, vor allem, weil der süße Junge meistens Stoff parat hat. Aber der Schock folgt auf dem Fuße (man weiß ja, wie das Leben ist): Ladja verdient Geld als Stricher.
    Noch schlimmer: Sonia hat zu wenig Geld. Ja, ja, das Leben. Hätte sie mal den Marx aus ihrem Rucksack geholt.
    Kellnern ist anstrengend und ätzend und bringt einfach nichts ein. Jedenfalls nicht für eine wie Sonia. Sie findet nämlich, daß ihr etwas Besseres zusteht. Damit man als ‚gebildete’ Leserin bei solchen Aussagen nicht auf falsche Gedanken kommt, bekennt Sonia gleich, was ihr ihrer Meinung nach zusteht: ein Besuch im Tierpark oder im Schwimmbad.
    Ist das rührend.


    Als dann das Studium endlich beginnt - den Sprachtest besteht sie mit links - wird es ganz schlimm für unsere Bekennende. Die Hörsäle sind riesig, man lernt niemanden kennen, so kalt und herzlos ist das harte Studentenleben. Wie gut, daß Sonia inzwischen einen herzerwärmenden Nebenjob gefunden hat: sie zieht sich vor einer Webcam aus und chattet dabei gleichzeitig mit ‚Kunden’. Das Studio liegt in einem Berliner Vorort, betrieben wird es von einem sympathischen Mann, dessen Wunschtraum ‚der Aufbau seines kleinen Pornoimperiums in der brandenburgischen Provinz’ (S. 30) ist. Ein Unternehmer, brava, Sonia. Gute Wahl.
    Dennoch, auch der allersympathischste Chef ist ein Chef und duldet es nicht, wenn Sonia immer häufiger zu spät kommt. Wegen des Studiums. Das verstehen wir. Der Chef versteht es nicht, bestimmt hat er nie studiert. Sonia tut das einzig Richtige, was Angehörige gebildeter Stände in einer solchen Situation der echten Bedrängnis tun: sie kündigt.
    Am Zahltag. Tough!


    Danach ist es nur noch ein kleiner Schritt in einen ‚Massagesalon’. Von dem aus beginnt eine lange Wanderung durch Berliner Bordelle der bescheideneren Klasse, schließlich auch Dienstfahrten, die sie nach Freiburg und München führen.
    Die Kohle stimmt, kann man nichts sagen. Nur die Berufsausübung ist anstrengend und ätzend. Nein, diese Typen! Nein, diese Warterei. Da hockt man den ganzen Abend rum , bis Mitternacht, und verdient bloß 200 Euro. Und dann noch die Kolleginnen, die voll neidisch rumzicken. Die Arbeitswelt ist wirklich hart.


    Geht man aufs Amt, weil man mal eben die Nase voll hat vom Anschaffen, bekommt man zu hören, daß man kein Anrecht auf Unterstützung habe, weil man Ausländerin ist. Damit ist man doch regelrecht gezwungen, direkt von Sozialamt ins nächste Bordell zu traben. Die Warteräume des Sozialamts sind ohnehin nicht das richtige für unsere Sonia. Dort ‚wimmelt es von Kinderwagen, Frauen mit Kopftüchern und rauchenden Männern mit tristen Gesichtern’ (S. 94).
    Bei solchen Worten wird es einem beim bloßen Lesen schon angst und bange. Nein, nein, dahin gehört Sonia auf keinen Fall. Hörsaal oder Puff, das ist die Alternative, ganz klar.


    Zwischendurch leidet Sonia an Ladja, den sie inzwischen geheiratet hat, in Polen übrigens, weil die Behörden dort nicht so ein Gesumms um den Papierkram machen.
    Genau, das verstehen wir. Beim Heiraten geht es um die Liebe, nicht um den Amtsschimmel. Das ist wie im Film. Gut so, Sonia!
    Dann leidet sie, weil sie niemandem von ihrem Beruf erzählen kann. Schließlich will sie vorurteilsfrei angenommen werden. Ihre Kommilitonen sind solche Spießer! Oder hängen ungekämmt nächtens vor ihren PCs, statt sich in Discos mal ein bißchen Spaß zu gönnen. Mit solchen Langweilern kann eine wie Sonia einfach nicht auskommen.


    Was für ein Glück, daß es die Mädels im Puff gibt. Immer ein witziges Wort auf den Lippen, immer eine gute Story parat, und über die Freier kann man erst im Verein so richtig ablästern. Es gibt stets eine Küche und manchmal wird nach Feierabend dort gemeinsam gekocht. Dann riecht der Puff wie es zuhause bei Großmutter in der Adventszeit gerochen hat (S. 97).
    Man kann beim Lesen richtig mitkuscheln.


    Eines Tages jedoch wird das Idyll jäh unterbrochen, das Finanzamt klopft an. Dabei sind die Preise in Berlin in dem Gewerbe schon die niedrigsten, informiert uns die Fußnote.
    Eine Frechheit ist das! Wie kommt eine sich denn vor, wenn sie einmal pro Tag fürs Amt f*** muß, bloß wegen der Steuern. Menschenverachtend, so was, aber echt. Was bleibt denn dann von der ganzen Maloche, bitteschön? „Ein bißchen Luxus sollte schon drin sein und reisen wollten wir natürlich auch“ (S. 168)
    Natürlich.


    Schließlich trifft sie ihre große Liebe, Milan, der leider verheiratet ist, wie sie auch, und muß sich mit der Frage herumplagen, was denn unmoralischer ist: den eigenen Mann mit einem Geliebten oder mit Freiern zu betrügen? Das ist Schmerz.
    Sie hat aber auch einen, der sich in sie verliebt, von dem kann sie sich immer trösten lassen. der kocht sogar Kartoffelsuppe für sie. Und hat auf Anfrage jederzeit einen Hunni für sie parat.
    Dann wird sie schwanger, was sich beruflich noch sechs Monate lang großartig ausnützen läßt. Zwar werden die Kolleginnen neidisch, weil Sonias Kundschaft so stark wächst in dieser Zeit, schlimmer aber ist, daß Kunden wegbleiben, nachdem sie geboren hat. Männer sind echt das Letzte!


    Das Buch endet aber hoffnungsvoll. Sonia wirft Ladja raus, Milan wird sie immer lieben, das Studium demnächst abgeschlossen sein und ihr einen tollen Job bringen, und das größte Glück im Leben einer Frau ist doch ein Kind.


    Man muß das Buch lesen, um es zu glauben. Nicht, daß man dann glaubt, was man gelesen hat, nein, um zu glauben, daß es so ein etwas gibt wie dieses Buch. Die Schilderung einiger Praktiken sind weit weniger erschütternd, als das Vorhandensein dieses Texts in toto, um es mal gebildet auszudrücken.


    Es ist klischeehaft, sentimental verkitscht, unoriginell. Es ist langweilig, enorm langweilig. Sehr bald nach Beginn der Lektüre hatte ich nur noch einen Ton im Ohr: das Greinen eines unzufriedenen Kindes.
    Diese Unzufriedenheit rührt daher, daß hier jemand vollkommen kitschige Vorstellungen vom Leben hat. Es gibt offenbar einen Idealzustand, mit Sonnenschein und ewiger Liebe und bunten Drinks mit süßen Papierschirmchen, mit Strand und Meeresrauschen und Discos, alles umsonst, versteht sich. Das muß man haben. Irgendwie.


    Tatsächlich weiß die Autorin nicht genau, was sie will, mit achtzehn ebensowenig wie mit Mitte zwanzig, aber sie hat eine recht klare Vorstellung davon, was ihr zusteht. Mit achtzehn ebenso wie mit Mitte zwanzig.
    Das läßt sich vor allem mit Geld erwerben. Deswegen entscheidet sie sich für eine Beschäftigung, die ihr selber nicht ganz geheuer ist, die sie aber nicht kritisiert sehen möchte. Nun jammert sie sich in Buchform aus.
    Sie hat keinen Blick für die Menschen, die ihr begegnen, da geht nichts über die bloße äußere Beschreibung hinaus. Wichtig ist nur Sonias Befindlichkeit. Man sieht die Welt nicht aus Sonias Augen, man sieht nur Sonia und Sonia im Spiegel ihrer selbst.


    Ihre Geschichte ist nicht neu. Kennt man eine, kennt man alle.
    Das ändert sich allein in dem Fall, wenn hinter solchen Geschichten eine Persönlichkeit zum Vorschein kommt. Aber das ist diese ‚Sonia’ hier nicht. Sie ist einfach nur eine Person. Und ihre Geschichte nicht weiter von Belang.



    edits: Verschreibungen

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

    Dieser Beitrag wurde bereits 2 Mal editiert, zuletzt von magali ()

  • Ich hab das Buch vor einem Monat gelesen und suche seitdem nach den richtigen Worte für meine Beschreibung. Ich war schon länger nicht mehr so hin- und hergerissen was meine Meinung angeht. Ich kanns schlecht beschreiben.... Ich hab das Buch sehr zügig gelesen weil ich wissen wollte wie es endet. Natürlich auch, weil ich die ganze Zeit gehofft habe das dem Mädel endlich die Augen aufgehen und sie sich zu allererst mal von diesem Typen trennt. Das habe ich das ganze Buch über nicht verstanden was sie mit diesem Kerl will.
    So richtig erschreckt hat mich diese ganze Geschichte jetzt nicht. Ich denke einfach es gibt noch viel mehr Sparten neben den Studenten, die sich in diesem Milleu ihr Taschengeld aufbessern. Nur will das niemand hören bzw. wahrhaben. Es ist halt nach wie vor so das alle denken, das sowas nur Leute machen die auf der Straße leben oder Drogen konsumieren. Beim lesen dieses Buches bin ich immer wieder in Gedanken an der Reeperbahn gelandet, wo ich vor zwei Jahren noch war, als wir Kurzurlaub in Hamburg machten. Die Mädels die rund um die Davidwache standen, sahen im vorbeigehen für mich alle nicht so aus als würden sie Drogen nehmen oder in irgendwelchen Bruchbuden hausen. Vom Anblick her hätten das alles Studentinnen sein können, oder irgendwelche Boutiqueverkäuferinnen, die sich abends ihr Gehalt aufbessern. Diesen Eindruck habe ich jedenfalls von diesem Bild bekommen.


    Alles in allem war es ein Buch welches man schnell gelesen hatte. Die Schreiberin wirkt oft sehr verträumt und man bekommt den Eindruck das sie überhaupt keinen Plan hat und gar nicht weiß was sie will. Auch über ihre Ziele im Leben spricht sie nicht. Sie wird wohl nicht mit dem Ziel nach Berlin gekommen sein um in einem Massagesalon zu arbeiten und nebenbei zu studieren.
    Das Buch ist soweit ok, man kann es lesen - muss man aber nicht unbedingt. Ich hatte mir das irgendwie anders vorgestellt.


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    Ich lese
    :lesend Chris Mooney - Victim
    :lesend WB Sofie Cramer - SMS für dich


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  • Ich lese es auch gerade und habe dabei immer wieder den Gedanken, dass ich es traurig finde, was diese Frau so mit sich machen lässt!!!! :bonk

    "Ein Buch muß die Axt sein für das gefrorene Meer in uns." :eiskristall
    Franz Kafka


    :lesend Walsch: Gespräche mit Gott
    :lesend Norman: Grausames Spiel
    :lesend Patterson: 1st to die

  • lesenswert ist dieses buch schon, es ist amüsant und gut zu lesen... amüsant, weil man gar nicht so viel dummheit und naivität in einer person vermuten könnte...


    edit: ich fragte mich gerade, wenn man sich schon so schön ausnutzen lässt und nichts peilt, muss man das dann noch öffentlich zugeben??? :gruebel

  • Zitat

    Original von SubstantiaNigra
    Mittens : echt???


    Ich hab ja eh nie das Bedürfnis gehabt, das Buch zu lesen, weil ich so meine Vorurteile darüber hatte. Und meine Vorurteile entsprachen so ziemlich der Rezi von magali - ich weiß jetzt genug, um das Buch tatsächlich nicht lesen zu müssen...


    Ja, echt! Auf Bücher, über die sich Meinungen derart teilen, werf ich gerne einen Blick! Mal sehn, wie das Werk von Frau "Fucking Berlin" bei mir so ankommt! :schweinkram :groehl

  • Erst wollte ich das Buch auch nicht lesen. Meine Schwester hat es mir dann ausgeliehen; sie fand es ganz gut.


    Es liest sich auf jeden Fall schnell und leicht. An manchen Stellen war ich auch schon ein bißchen geschockt... Man kann sich zwar denken, was in dem Milieu so vor sich geht (was manche Vorlieben der Kunden so betrifft), aber so genau will man es dann vielleicht doch nicht wissen...


    Erschüttert hat mich, wie schnell man dort reinrutschen kann.


    Fazit: Für zwischendurch, wenn man grade nichts anderes zu lesen hat, sehr unterhaltsam, aber ich selbst hätte es mir nicht gekauft.

    [FONT="Comic Sans MS"]I’ll be back so soon you won’t have time to miss me. Look after my heart — I’ve left it with you.[/FONT]
    [FONT="Comic Sans MS"]Edward Cullen, Eclipse[/FONT]


    :lesend "Gegen das Sommerlicht - M. Marr"

  • Wider Erwarten bin ich von "Fucking Berlin" positiv überrascht. Ich wollte es eigentlich nur mal schnell anlesen, bin dann aber hängen geblieben. Rossis Geschichte liest sich flüssig, auch das ein (Plus)Punkt, mit dem ich nicht gerechnet hatte, an den "Boulevard"-Autobiographien, die ich bisher gelesen habe, störten mich meist der recht eingeschränkte Wortschatz und die teils plumpen Formulierungen, Rossi hebt sich hier angenehm ab, wenngleich der Stil natürlich kein literarisches Niveau erreicht.
    Obwohl ich vieles nicht ganz nachvollziehen konnte - der Schritt von der mittellosen Studentin, die nicht weiß, wie sie die nächste Miete bezahlen soll, zur Angestellten in einem Massagesalon, die schnell auch andere Dienste anbietet, als nur erotische Massagen, schien mir doch zu reibungslos über die Bühne zu gehen, aber vermutlich kann sich ein Buch, das auf die voyeuristische Ader des Lesers zielt, keinen Sermon über Gewissensbisse oder dergleichen erlauben - und ich über das Verhalten den Protagonistin teilweise nur den Kopf schütteln konnte (schon ihre Ehe mit Stricher Ladja ist eindeutig zu viel des Guten), war "Fucking Berlin" für mich ein interessanter Abstecher in ein Genre, das ich normalerweise meide. Das Buch ist sicher nicht gehaltvoll, gut unterhalten habe ich mich aber allemal.

  • Ich habe das Buch gerade beendet und fand es okay. Es war flüssig zu lesen und auch interessant. Allerdings hat mich die fehlende Emotion gestört. Wenn man bedenkt, das die Frau von ihrem eigenen Leben schreibt - das kommt für mich absolut nicht rüber, es scheint eher so, als wenn sie einen vorgegebenen Text runterrattert. Wirklich schade, da habe ich etwas mehr erwartet.


    Trotzdem fand ich es interessant. Ich würde es nicht noch mal lesen, aber ich bereue auch nicht, das ich es gelesen habe.

  • Ich hatte das Glück zuerst das Nachfolgewerk „ Dating Berlin“ zu lesen umso dann neugierig auf Fucking Berlin zugreifen zu können. Und so ist mir natürlich auch aufgefallen das Sonia Rossi im zweiten Teil schon viel routinierter geschrieben hat als es im ersten Band war.


    Trotz allen ist Sonia eine sehr klasse Persönlichkeit die man einfach mögen muss. Wie oft hört man, ich würde nie anschaffen gehen, oder meinen Körper verkaufen?? NIE!!! Auch Sonia hatte diese Gedanken, aber ist man erst einmal hungrig und weiß nicht wie man seine alltäglichen Kosten decken soll, kommt man schnell an einen Punkt wo man überlegt, wie komme ich schnell an viel Geld.
    Dabei ist der Weg in die Prostitution unterschiedlich…


    Sonia versuchte sich zuerst in einen Sexchat und merkt schnell das dass für Sie nichts ist. Also ging sie in einen Erotikmassagesalon und massierte nackt die Männer. Der Weg nun zum Körperverkauf war nicht mehr weit. War Handbetrieb immer gewünscht, konnte man sich auch aussuchen ob man für mehr Geld auch mal mit den Kunden schlief, und das tat Sonia ohne ein großherrlich schlechtes Gewissen zu haben. Immer wieder legte sie Pausen ein doch der Weg zurück in die Erotkibranche war nicht weit.


    So kam sie irgendwann in ein kleines familiäres Bordell an und arbeitet als Hure. Witzig, nachdenklich und immer eine Spur von Selbstironie erzählt Sonia dem Leser ihren Spagat als Hure und Studentin. Man möchte als Leser in manchen Szenen Sonia schütteln und sagen: „ wach auf! Sei doch nicht so naiv“ Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl das Sonia nicht auf sich als Mensch achtete sondern immer bemüht war ihren Freund und späteren Ehemann Ladja alles vor den Latz zu tragen. Ladja hielt sich nur mit Tagesjobs unregelmäßig über Wasser und nutzte Sonia in allen Lebenslagen aus.
    Fucking Berlin ist eine Biografie von Sonia Rossi und so leicht sich auch alles aus der Feder von Sonia anhört wird es mit Sicherheit nicht gewesen sein. Leider fehlte mir als Leser der Hinweis, dass diese Branche alles andere als einfach ist. So liest man das Werk wie einen tollen Roman und die Gefahr besteht das gerade junge Leserinnen das auch ausprobieren und ein ganz anderes Leben haben werden als Sonia Rossini.


    Der Schreibstil ist wie auch im Nachfolgewerk einfach klasse. Man hat das Gefühl alles bildlich miterleben zu dürfen und hat zu Sonia schnell einen inneren Bezug hergestellt. Ich wünsche mir noch viel mehr von Sonia lesen zu dürfen, und vielleicht schreibt sie ja eines Tages tatsächlich einen dritten Band

  • Zitat

    Original von Baby_Tizz
    Eine erschütternde Biographie, die gehalten ist wie ein ganz normaler Roman. Vermutlich macht es das Buch auch deshalb so ansprechend und nie langweilig wirken.
    Alle teilnehmenden Charaktere sind auf ihre (meist sehr skurrile) Art etwas ganz Besonderes. Die Protagonistin beschreibt einerseits mit viel Gefühl, wie sich ihr Leben innerhalb von 5 Jahren um ganze 180°C wenden konnte, andererseits zeugt ihre Ausdrucksweise manchmal nicht gerade von Feinfühligkeit, sondern eher von Abstumpfung.
    Alles in allem ein sehr berührender, unterhaltender Roman, der nicht nur für Autobiographie-Liebhaber weiter zu empfehlen ist.


    Ich hätte es nicht besser ausdrücken können. :wave


    Genauso denke ich über das Buch auch.
    Am Anfang, muss ich jedoch zugeben, hatte ich nicht so das wirkliche Interesse daran, es vollständig zu lesen geschweige denn es überhaupt zu lesen. Aber mit der Zeit zieht einem das schon irgendwie in den Bann. Man versucht sich die Dinge vorzustellen und zieht teilweise tatsächlich Vergleiche zu Christiane F. oder anderes.


    Alles in allem ein tolles Buch. Ich würde es jederzeit nochmal lesen.