Halbschatten – Uwe Timm

  • Kiepenheuer und Witsch Verlag, August 2008, Gebunden, 272 Seiten


    Klappentext:
    Ein Oratorium auf eine zu allem entschlossene junge Fliegerin und eine ungelebte Liebe. Marga von Etzdorf, eine junge Fliegerin, erschießt sich im Mai 1933 in Aleppo, Syrien, nach einer Bruchlandung. Sie ist 25 Jahre alt. Ihr Grab liegt auf dem Berliner Invalidenfriedhof. Was hat sie hier, zwischen den Toten der preußischen Militärgeschichte, NS-Größen und zivilen Opfern der letzten Kriegstage, zu suchen? Gibt es eine Erklärung für ihren gewaltsamen Tod?Der Stadtführer, der Uwe Timms Erzähler über den Invalidenfriedhof geleitet, weist auf beunruhigende Nachbarschaften hin. Hier liegt nicht nur Scharnhorst, der Held der Befreiungskriege, sondern auch Heydrich, der Organisator der Judenvernichtung, neben namenlosen Opfer aus dem Mai '45. Die Toten beginnen zu reden, sich zu erklären, zu rechtfertigen. Unter den Stimmen, die zu dem Erzähler sprechen, ist auch der junge Kampfflieger Christian von Dahlem. Auf einem ihrer spektakulären Langstreckenflüge hatte Marga von Etzdorf in Japan Dahlem kennengelernt und mit ihm ein seltsame, zauberhafte Nacht verbracht - eine Nacht des Erzählens. Zusammen in einem Zimmer, aber getrennt durch einen Vorhang, waren die beiden sich fern und gewährten einander doch Nähe. In einem Augenblick innerer Preisgabe erzählen sie sich ihre Leben - und müssen sich am nächsten Morgen trennen. Dieses Oratorium des Schreckens und der Liebe, in dessen Mittelpunkt Marga und von Dahlem stehen - eine unbedingte Liebe und ein Verrat -, beschwört zugleich die Dämonen und Engel der Geschichte und erzählt von Haltungen und Sichtweisen, von denen die deutsche Geschichte geprägt und gezeichnet ist.


    Über den Autor:
    Uwe Timm wurde 1940 in Hamburg geboren. Nach der Volksschule machte er eine Kürschnerlehre und besuchte das Braunschweigkolleg. Später studierte er Germanistik und Philosophie in München und Paris. 1971 Promotion in Philosophie. 1972-1982 war er Mitherausgeber der "Autoren Edition". Heute lebt Uwe Timm als freier Schriftsteller in München und Berlin.


    Rezension:
    Nach den stark autobiographisch bestimmten Erfolgsbüchern „Am Beispiel meines Bruders“ und „Der Freund und der Fremde“ wählt Uwe Timm diesmal eine andere Form und setzt doch folgerichtig und logisch sein beeindruckendes Werk fort.


    Um die Lebensgeschichte der Marga von Etzdorf zu erzählen wählt Uwe Timm eine besondere Methode. Auf dem Friedhof in Berlin, wo die Fliegerin liegt, lässt sich der Autor von einem Mann, nur der Graue genannt, herumführen. Dabei beginnen die Toten zu erzählen. Es kommt zu einem ungewöhnlichen Stimmgewirr, der Leser muss sehr aufpassen zu verfolgen wer gerade was erzählt. Eine ungewöhnliche Erzählperspektive, die frisch und bereichernd wirkt.


    Man spürt die Dringlichkeit, mit der Uwe Timm erzählt, sehr intensiv, dass reißt einen beim Lesen mit.
    Dabei war mir diese deutsche Fliegerin, die von 1902 bis 1933 lebte, vollkommen unbekannt. Und es geht natürlich nicht ausschließlich um sie, sondern auch um die Zeit, Anfang des letzten Jahrhunderts.
    Deshalb erinnerte mich das Lesegefühl dieses Romans stark an die Biographie "Hammerstein" von Hans Magnus Enzensberger.


    Halbschatten ist auf der Long List des deutschen Buchpreises 2008. Es würde mich nicht überraschen, wenn er es auch auf die Short List schafft.

  • Danke für die Rezension. :-)


    Ich habe gestern mit dem Buch angefangen und kann bislang nur sagen, dass es sich gut lesen lässt.
    Mit den Stimmen komme ich klar - zumindestens bis jetzt. :grin
    Mal sehen, was ich abschließend sagen kann.



    :wave

    Jeder trägt die Vergangenheit in sich eingeschlossen wie die Seiten eines Buches, das er auswendig kennt und von dem seine Freunde nur den Titel lesen können.
    Virginia Woolf

  • Zitat

    Original von Queedin
    ... wie viele Punkte würdest Du denn geben?


    Queedin, :wave
    ich habe deine Frage noch nicht beantwortet. Habe ich total übersehen. Sorry!


    Also mit etwas Abstand würde ich Halbschatten gute 8 Punkte geben.
    Das Buch ist sehr gelungen, aber letztendlich doch nicht mein Lieblingsbuch von Uwe Timm.


    Conor, auf deine abschließende Meinung zum Buch bin ich schon gespannt! :-)

  • So, ich bin fertig mit dem Buch. :-)


    Die Idee, einen Roman auf einem Friedhof spielen zu lassen, finde ich ungewöhnlich, aber interessant.
    Was manchmal etwas schwierig ist, ist der Wechsel der Stimmen.
    Aber die Hauptstimmen sind eigentlich gut zu unterscheiden.


    Ich kann mich der positiven Meinung von Herrn Palomar anschließen und ich könnte mir auch vorstellen, das Buch ein zweites Mal lesen zu wollen.


    Für mich ist es das erste Buch von Uwe Timm. Sicher werde ich mir jetzt auch mal seine anderen Romane vornehmen.



    :wave

    Jeder trägt die Vergangenheit in sich eingeschlossen wie die Seiten eines Buches, das er auswendig kennt und von dem seine Freunde nur den Titel lesen können.
    Virginia Woolf

  • Ich mag Uwe Timm sehr, aber das war nicht mein Buch. Woran hat es gelegen?
    Die Idee, auf einem Friedhof die Toten zu Wort kommen zu lassen, fand ich großartig. Probleme hatte ich mit der Umsetzung. Teilweise fiel es mir schwer die Personen zuzuordnen, da ich sicher nicht so geschichtsfest bin, wie vorrausgesetzt.


    Ausserdem kam die Person Marga mir zu kurz. Was hat sie gefühlt? gedacht?


    Schwierig für mich es zu bewerten, schwierig zu beschreiben, dass dieses Buch nicht so wollte wie ich.


    :wave

    :lesend Jonathan Tropper - Sieben verdammt lange Tage


    Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.
    Albert Einstein