Kurzbeschreibung
Philadelphia 1855. Der Naturforscher Erasmus Darwin Wells hält sein Leben nach einer glücklosen Antarktisexpedition für gescheitert. Bis ihm Zecheriah Voorhees, kurz Zeke, anbietet, ihn auf einer Expedition in die Arktis zu begleiten. Er will den Spuren von Sir John Franklin folgen, dessen Schiff auf der Suche nach der mythischen Nordwest-Passage im arktischen Norden verschollen ist. In blindem Eroberungswillen treibt Zeke Schiff und Mannschaft immer weiter Richtung Norden, ins Packeis...
Meine Meinung
olala, da habe ich mir doch glatt so aus Versehen einen historischen Roman eingefangen. Als mir das bewußt wurde, war ich auch schon mittendrin, und so habe ich ihn eben zu Ende gelesen und muss gestehen: so schlimm war's gar nicht.
Von vorn: Erasmus, leidenschaftlicher, aber erfolgloser Naturforscher bekommt die Chance seines Lebens: Sein Schwager in spe, Zeke, will ihn mitnehmen auf eine Expedition in die kanadische Arktis, als Leiter der wissenschaftlichen Abteilung.
Beide sind Kinder ihrer (viktorianischen) Zeit: Erasmus will die Natur erforschen, was damals in erster Linie bedeutete: Tiere und Pflanzen sammeln, präparieren und beschreiben. Zeke dagegen träumt von Ruhm und Ehre, durch die Entdeckung unbekannter Küsten und zumindest dem Auffinden von Hinweisen auf das Schicksal der zehn Jahre zuvor verschollenen Franklin-Expedition.
So brechen sie denn auf, mit einer hastig zusammengestückelten Crew, vollbeladen mit Vorräten, aber ohne einer genauen Vorstellung von dem, was sie dort im hohen Norden erwarten würde. Und während sich Erasmus' Arbeitsplatz während der Reise mit Herbarbögen, eingelegten Weichtieren und Vogelbälgen füllt, bleibt Zekes Mission zunächst erfolglos: außer ein paar zweifelhaften Überbleibseln von Franklins Schiffen, die ihnen von Eskimos angeboten werden, finden sie keinerlei Hinweise auf den Verbleib der Expedition.
Und so ist der Konflikt vorprogrammiert: während seine Mannschaft vor dem Winter nach Hause segeln will, ist Zekes Aufgabe noch nicht beendet. Er brennt auf Heldentaten, er will in die Geschichte eingehen, und nicht als gescheiterter Arktisamateur in die Heimat zurückkehren. Ein Machtkampf entbrennt, der auch nach der Expedition noch lange nicht beendet ist.
Oberflächlich betrachtet kommt dieses Buch zunächst einmal als Abenteuergeschichte daher: tapfere Männer schlagen sich durchs Ewige Eis, im Kampf mit und gegen die Natur, beeinträchtigt doch menschliche Unzulänglichkeiten und Borniertheit.
Langsam wird jedoch klar, dass da mehr dahintersteckt: es geht um den Widerspruch zwischen Individualismus und Kollektiv, zwischen Ehrgeiz und Moral, zwischen Fortschritt und Tradition verkörpert in den zwei Hauptfiguren. Das klingt nicht sonderlich originell, ist hier aber tatsächlich in einer spannenden Geschichte untergebracht.
Die Autorin schildert ihre Figuren, auch den kleinsten Matrosen, sehr differenziert, mit allen guten und schlechten Seiten, je nach Situation, meistens glaubwürdig. Und auch die alltäglichen Details, dienen offensichtlich nicht dazu, den Leser über die viktorianische Alltagskultur zu belehren, sondern eine Idee der damaligen Geisteshaltung zu vermitteln. Allein das Leben der Eskimos wurde mir doch ein wenig zu verklärt dargestellt: die edlen Wilden, mal wieder, glücklich und zufrieden, so lange sie im Einklang mit ihrer Natur leben können und der weiße Mann sich nicht in ihr Leben einmischt.
Ach ja, die Liebe darf natürlich auch mitspielen, allerdings auf eine sehr zurückhaltende, angenehme Art.
Insgesamt also ein netter Schmöker, in dem sogar mehr drinsteckt, als zunächst einmal angenommen.
Edit: so schrecklicklich, wie es die (einzige) Amazonrezi erscheinen lässt, ist das Buch wirklich nicht