Vor mir den Tag und hinter mir die Nacht - Jakob Hein

  • Ich fand die Geschichte herrlich, darum hier meine Rezension:


    Es handelt sich bei dem neuen Roman von Jakob Hein um ein wunderbares Buch, das mir noch lange in Erinnerung bleiben wird. Der Aufbau, die Geschichte selbst und auch die Sprache waren einfach etwas Besonderes.


    Zum Inhalt
    Boris Moser betreibt seit kurzem die „Agentur der verworfenen Ideen“. Er ist Single und ein ziemlicher Einzelgänger, aber mit total verrückten Ideen im Kopf. Als eines Tages eine hübsche Frau seine Agentur betritt, ist es um ihn geschehen. Damit sie ihn nicht so schnell wieder verlässt, beginnt er, ihr seinen besten Romananfang vorzulesen, den er geschrieben hat und bisher noch nie einem Menschen gezeigt hat. Dieser handelt von Sophia, die für ihren Chef die Geschichte von Heiner, der auf der Suche nach dem Sinn des Lebens ist, und Wolf aufschreiben soll.


    Meine Meinung
    Hein schlägt in seinem Roman eine Geschichte nach der anderen bildlich auf, so dass in der Mitte des Romans 4 Bücher gleichzeitig in einander aufgeschlagen sind. Dies fand ich eine sehr außergewöhnliche Idee, die mir aber super gut gefallen hat. Ich konnte das Buch kaum es der Hand legen, da ich wissen wollte, wie die jeweilige Geschichte wohl ausgeht und wie er es schafft, sie alle nacheinander zu schließen. Man kann sich das bildlich vorstellen, wenn man mehrere Schachteln ineinander stellt.
    Auch sprachlich hat mich Hein total begeistert und die Gedanken und Ansätze über alltägliche Vorgänge aber auch große allumfassende Fragen wie den Sinn des Lebens haben mich sehr überzeugt. Wer philosophische Ansichten verpackt in wunderschöne Geschichten liebt, der sollte dieses kleine, aber sehr feine Buch, unbedingt lesen!

  • Hier noch mal Danke fürs Wandern lassen. :kiss


    Ich kannte von Jakob Hein auch nur das Buch "Herr Jensen steigt aus". Dieses Buch gefiel mir gut und ich war gespannt ob es Herr Hein schafft anzuknüpfen.
    In meinen Augen tat er das sehr gut.
    Mir hat das Lesen des Buches sehr viel Spaß gemacht. Die Geschichte rund um Boris und Rebecca gefiel mir. Ich habe Boris sofort in mein Herz geschlossen. Der typische, aber sympathische Anti-Held. Ein Mensch der konsequent seinen Weg geht, auch wenn er nicht wirklich in das Bild eines erfolgreichen Mannes passt. Solche Typen mag ich. :-]
    Die Geschichte in der Geschichte habe ich anfangs gar nicht als solche wahrgenommen. Ich dachte mir erst, dass ist nun ein andere Handlungsstrang und irgendwann laufen sie aufeinander zu. Dass diese Geschichte sich als "Matroschka" (sehr schönes Umschreibung, wäre ich selber nie drauf gekommen *g*) fiel mir erst am Schluss auf.
    Die Geschichte um Heiner gefiel mir auch sehr gut. Die Frage, was wäre wenn all die Wünsche die man hegt in Erfüllung gehen, habe ich mir auch oft gestellt. Die Antwort bzw. die Auslegung dessen fand ich sehr gelungen.
    Positiv ist mir die Sprache des Romanes aufgefallen. Herr Hein hat wirklich Talent. Das Buch fesselte mich. Die anderen beiden Bücher von ihm, werde ich auf jeden Fall noch lesen.


    Fazit: Ein wunderschönes Buch, was den Leser fesselt. Eine tolle Sprache, die nachdenklich macht ohne "Oberschullehrerhaft" herüber zu kommen.


    Von mir gibt es dafür gute 9 Punkte.

  • Ich hab das Buch gelesen, weil es als Wanderbuch in unserem Haus war und meine Mama so begeisert war.
    Ich kann diese Begeisterung nicht ganz teilen... ich fand das Buch gut und auch spannend, aber nicht soooo toll, dass ich davon schwärmen könnte.
    Es war definitiv mal etwas anderes und es war ein wirkliches Lesevergnügen, aber es gehört auch zu den Büchern, die ich schnell vergessen werde, weil es eher kurzweilig war.

    :wave Gruß Dany


    Die Wirklichkeit ist etwas für Leute, die mit Büchern nicht zurechtkommen.
    Leserweisheit

  • Vor mir den Tag und hinter mir die Nacht


    Mich hat dieses Buch von der ersten Seite an begeistert und in seinen Bann gezogen.
    Schon die skurille Idee der Agentur für „verworfene Ideen“ fand ich faszinierend. Wie sich die Geschichte dann weiterentwickelt hat ( Schicht für Schicht ) war für mich ein Erlebnis. Die ausschweifenden philosophischen Überlegungen – einfach herrlich und auf jeden Fall wert, sich manches davon auch einmal selbst durch den Kopf gehen zu lassen.
    Manche Szenen sind so witzig und ehrlich, z. B. als sich der Notarzt Sebastian überlegt, wie er seinen Dienst möglichst dramatisch am nächsten Morgen seinen Kollegen schildern kann. :rofl


    Jakob Hein hat mich schon mit „Herr Jensen steigt aus“ überzeugt, seine Art zu schreiben, beeindruckt mich sehr und bereitet mir grosses Lesevergnügen.


    Dieser intelligente ( Liebes ) Roman bekommt von mir 10 von 10 Punkten.

  • Das Buch habe ich vor kurzem gelesen und es hat mir auch sehr gefallen.
    Auch die Art, wie der Roman aufgebaut ist, fand ich gut.
    Für mich war es das erste Buch von Hein, aber sicher nicht das letzte.




    :weihnachtsmann

    Jeder trägt die Vergangenheit in sich eingeschlossen wie die Seiten eines Buches, das er auswendig kennt und von dem seine Freunde nur den Titel lesen können.
    Virginia Woolf

  • Fluglahme Rohrdommeln, verwunschene Räume: andere Kuriositäten


    Gleich vier Geschichten verbergen sich in diesem recht schmalen Buch. Vier Geschichten, die sehr unterschiedlich sind und trotzdem einen ähnlichen Grundklang haben. Es wird über das Leben philosphiert, Vorurteile werden ausgeräumt, nie Erwartetes funktioniert plötzlich und der Leser wird mit ganz neuartigen, interessanten Betrachtungsweisen überrascht.


    Alles beginnt mit Boris. Er hat eine Agentur für verworfene Ideen gegründet und versucht diese Ideen zu sammeln und wieder zu einem Ganzen zu verknüpfen. Damit erhofft er sich neue, grundlegende Aussagen zu gewinnen, die für alle eine Bedeutung haben. Die meisten Ideen kommen jedoch von Boris selbst und das Einzige, was er wirklich gar nicht annimmt, sind Romananfänge, denn davon hat er ebenfalls selbst genügend geschrieben. Durch einen Zufall betritt nun Rebecca seine Agentur, die sonst nur er selbst betritt, und es entfacht ein Gespräch, dass von bildhafter Sprache, Humor und genialen Gedanken nur so sprüht.


    Boris, der in seinem ganzen Verhalten recht sonderbar, gar schräg, erscheint, ist eine liebenswerte Hauptfigur. Er ergänzt sich perfekt mit der direkten Rebecca, die sich durchsetzen kann und von ihrer Meinung vollkommen überzeugt ist. Dadurch gewinnt die Geschichte ziemlich an Schwung. Die skurrilen Gedanken Boris' und die Fäden, die die beiden daraus spinnen, gehen ein ganzes Stück über die gewöhnliche Blickweite der meisten Menschen hinaus. Dies wiederum ist ein Spiegelbild für die Beobachtungsgabe und Gedankentiefe des Autors. Sein Wortwitz und ein Fünkchen Ironie machen das Buch zu einem sprachlichen Genuss.


    Wie schon erwähnt, schreibt Boris selbst Romananfänge und wirklich nur die Anfänge. Einen davon stellt er Rebecca vor. So entsteht die erste Geschichte in der Geschichte. Das Ganze soll sich noch zwei mal wiederholen und letztendlich ist in jeder der ersten drei Geschichten eine neue verborgen.


    In der dritten Geschichte verliert das Buch für mich jedoch einiges an Spannung und die vierte war für mich dann endgültig eine zu viel. Die gelungene Überleitung zur zweiten Geschichte gelingt bei den anderen beiden nicht mehr so ganz, was sehr schade ist. Gerade sprachlich empfand ich das Buch doch bisher als sehr gelungen und auch die Geschichte war interessant und neuartig.


    Letztendlich lösen sich alle Geschichten wieder von innen nach außen auf und man gelangt zu Rebecca und Boris zurück. Zu diesem Zeitpunkt stellte sich dann auch wieder das besondere Lesevergüngen bei mir ein.


    Im Endeffekt kann man sagen, dass die Grundidee des Romanes ziemlich gut ist, aber Jakob Hein sie leider mit den vier Geschichten etwas zu weit ausreizt. Viel lieber hätte ich noch 100 Seiten mehr über Rebecca und Boris gelesen.

  • Boris Moser hat eine Agentur für verworfene Ideen. Ein Lebenstraum, den er sich erfüllt hat. Als eines Tages die schöne Rebecca in den Laden kommt, versucht er sie zu beeindrucken indem er ihr einen verworfenen Romananfang erzählt.
    Mit dieser Erzählung beginnt dann die zweite Geschichte. Eine Geschichte über eine Frau namens Sophia, in der die Leute immer das sehen, was ihnen gerade fehlt oder was ihnen helfen würde. Allerdings ist Sophia nun selbst in Not, denn sie ist umgefallen und der Arzt Sebastian sitzt nun an ihrem Bett, als die Bewusstlose anfängt mit ihm zu sprechen und ihm eine Geschichte erzählt.
    Diese Geschichte handelt von Sophia selbst und wie sie einmal für einen alten Mann gearbeitet hat, für den den sie seinen Roman tippen sollte.
    In diesem Roman ging es um Heiner, der beinahe den Sinn des Lebens entdeckt hätte und um Wolf, der verhinderte, dass Heiner je den Sinn des Lebens entdecken und sein Ergebnis auch veröffentlichen konnte.
    Am Ende lösen sich die einzelnen Geschichten schön wieder ineinander auf und es ist gut nachvollziehbar, was nun wo gerade passiert ist.


    Die Idee an sich, mehrere Geschichten in einer unterzubringen fand ich nicht schlecht. Eigentlich sogar recht gut. Allerdings waren mir diese Geschichten einfach ein bisschen zu wenig, zu sinnlos um das Gesamtwerk wirklich als gut zu bezeichnen.
    Natürlich, ein wenig philosophisch ging es zu, man konnte sich Gedanken über kleine Dinge machen. Aber die habe ich mir einfach nicht gemacht, denn das Buch hatte einfach keinen so großen Eindruck auf mich hinterlassen, dass ich mich dazu veranlasst gefühlt hätte. Leider.


    Für mich bleibt dieses Buch so einfach völlig flach und farblos. Etwas, woran ich mich wohl nach einigen Tagen nicht mehr wirklich erinnern werden. Die wenigen Seiten waren wirklich einfach zu wenig für so viel Inhalt.

  • Vor mir den Tag und hinter mir die Nacht
    Jakob Hein
    , September 2008
    Ullstein, ISBN: 349205207X
    Seiten: 192



    "Vor mir den Tag und hinter mir die Nacht" ist mein zweites Buch von Jakob Hein. Zur Einstimmung habe ich "Herr Jensen steigt aus" gelesen und es hat mir wirklich sehr gefallen. Bei Vorablesen.de hatte man auch die Gelegenheit dieses Buch zu erhalten, doch leider war ich nicht unter den Glücklichen. Die Leseprobe hätte mir damals nämlich schon sehr gut gefallen. Doch glücklicherweise wurde das Buch von einer lieben Eule als Wanderbuch angeboten und da konnte ich dann nicht Nein-Sagen.



    Inhalt:
    Seit Boris Moser seine Agentur für verworfene Ideen eröffnet hatte, war niemand anderes als er selbst durch die Eingangstür getreten. Nun stand diese Frau vor seinem Schreibtisch, Rebecca. Kastanienbraunes Haar fiel auf ihre Schultern, und ihre Augen leuchteten. Während Boris noch darüber sinnierte, ob ihre elegante Nase ihr einen evolutionären Vorteil einbrachte, sprach Rebecca ihn an. Schlagartig wurde Boris klar, dass er diese Frau nie wieder gehen lassen durfte. Und dann tat er etwas, das er sonst unter allen Umständen vermieden hätte: Er erzählte ihr von einem verworfenen Romananfang. Er erzählte ihr von Sophia, die für ihren Auftrag geber eine Geschichte aufschrieb. Sie handelte von dem Wissenschaftler Heiner, der kurz davor stand, den Sinn des Lebens zu ergründen.



    Über den Autor:
    Jakob Hein wurde 1971 in Leipzig geboren und lebt als praktizierender Arzt mit seiner Frau und zwei Söhnen in Berlin. Mit seinem jüngsten Roman »Herr Jensen steigt aus« stand Jakob Hein wochenlang auf der Spiegel-Bestsellerliste. Außerdem liegen von ihm bei Piper u. a. vor »Mein erstes T-Shirt«, das autobiografische Familienporträt »Vielleicht ist es sogar schön« und der Band »Antrag auf ständige Ausreise«.



    Meine Meinung:
    Mit dem Titel "Vor mir den Tag und hinter mir die Nacht" kann ich eigentlich nicht viel anfangen, da ich keinen konkreten Hinweise darauf im Buch fand. Zu einem gewissen Teil bleibt er mir also etwas rästelhaft. Vielleicht habe ich aber auch anfangs etwas unaufmerksam gelesen, aufgrund der fehlenden Anziehung, und diesen Aspekt überlesen.
    Das Cover ist in gelb gehalten und zeigt ein Sofa, das doch etwas überdimensioniert ist, auf dem eine junge Frau schläft oder liegt. Da bei diesem Wanderbuch aber der Schutzumschlag nicht mitgeschickt wurde, was ich auch verständlich finde, kann ich darüber keine genaueren Aussagen machen. Eins wäre noch zu erwähnen: Das Buch hat ein Lesebändchen mit dem man die Seiten einmerken kann, die man gerade liest.


    Bei "Herr Jensen steigt aus" hatte ich von Anfang an das Gefühl, dass mich das Buch direkt in sich aufsog, ich war von Anfang an in den Bann gezogen und begeistert. Dieses Gefühl der "Anziehung" konnte ich hier lange nicht spüren, weshalb in auch etwas enttäuscht bin.


    Aber zuerst zum Positiven: Die Kapitel sind sinnvoll eingeteilt und geben gleich einen Überlick über die kommenden Themen, ganz am Ende des Buches findet sich ein Inhaltsverzeichnis. Die Vergleiche, die der Autor anstellt und die auch schon bei Herrn Jensen vorkamen, tauchen auch in diesem Buch auf und dienen zum besseren Verständnis.


    Anfangs wird man gleich unvermittelt ins Geschehen geworfen und erst später klärt sich einiges auf. Boris hat eine gute Beobachtungsgabe, die er auch für seinen Beruf als "Ideen-Sammler" einsetzt. Die Idee mit den Schimpfwörtern, d. h. welchen Zusammenhang es zwischen einer Kultur und ihren vorherrschenden Schimpfwörtern gibt, fand ich sehr interessant. Anscheinend besteht da wirklich ein Zusammenhang. Doch Boris gibt auch zu, dass viele Ideen von ihm selbst stammen und nicht von Kunden. Aber Boris meint, dass in ihm viele verschiedene Menschen stecken und somit würden die Ideen doch wieder nicht nur von ihm allein stammen. Die Aussage "Jeder Mensch ist schließlich so viele verschiedene Personen..." trifft ja im wirklichen Leben auch zu, denn jeder Mensch hat verschiedene Rollen und in diesen verhält er sich auch unterschiedlich.


    Auch folgende Aussage hat mir gut gefallen: "...Ich kann mir jede Minute einen Anfang ausdenken, aber weiter komme ich nicht. Irgendein Russe hat mal gesagt: Wenn im ersten Akt ein Gewehr vorkommt, muss im zweiten Akt ein Schuss fallen. Aber wenn man keine zweiten Akte schreibt, gibt es das Problem mit dem Gewehr überhaupt nicht..." Diese Aussage von Boris trifft aber nicht auf seinen Roman zu, denn dieser hat, wie man im Laufe des Buches erfährt nicht nur einen Anfang.


    Das Buch behandelt eigentlich ganz banale Themen, aber Jakob Hein macht diese zu etwas Besonderem. Ich mag einfach seinen Schreibstil: Er schafft es sogar aus dem korrekten Kaffee- bzw. Teekochen, das normalerweise doch eher uninteressant ist und trocken zu lesen, etwas Besonderes zu machen.


    In Boris Roman gibt es die Sophia, diese bricht einfach so auf dem Gehweg zusammen und liegt schließlich im Koma. Die Ärzte sind ratlos, nur mit Sebastian scheint Sophia reden zu können, den sie kann die Gedanken von Menschen lesen und ihnen darauf auch antworten geben. Doch dies hat sie satt und will nur noch schlafen, sie kommuniziert nur deshalb mit Sebastian, weil dieser nichts, im Gegensatz zu den andern Menschen, will. Sie erzählt schließlich von ihrem Chef, der Maulwurf genannt wird, und von ihrer Arbeit bei ihm. Dieser äußert eines Tages: "Geld ist das beste, was es gibt, um die Leute vom Denken abzuhalten". Das ist wohl in gewisser Weise wahr, leider. Dieser Maulwurf diktiert nur Sophia einen Romananfang, in dem Wolf und Heiner vorkommen, letzterer philosophiert über das Leben und hat mich ein wenig an Herrn Jensen erinnert. Auch er kennt das Problem der Ablenkung durch die Medien: Nur weil die Informationen verfügbar sind, muss man sie haben. Wolf bietet ihm nun ein Geschäft an: Ein Wunsch, den er bezahlen kann, wird erfüllt. Was er mit Heiner macht, müsst ihr selbst lesen.


    Der Mensch will immer da, was er nicht hat bzw. haben kann. Diese ganzen Teilgeschichten bauen aufeinander auf und sind ineinander verwoben. Die anfängliche Idee der verworfenenen Ideen taucht nicht mehr, was ich sehr schade finde.


    Erster Satz: "Immer noch hing das Schild an der alten Computerfirma über dem Laden."


    Letzter Satz: "Einen Moment fragt er sich, ob es richtig war, dass sie ihm den Arm anbot, und ob nicht er dies hätte tun sollen, aber dann hakte er sich vorsichtigt bei ihr ein."


    Fazit: "Vor mir den Tag und hinter mir die Nacht" ist ein kurzweiliges Buch, das zum Nachdenken, aber auch zum Lachen anregen kann.


    Ich vergebe 4 von 5 möglichen Punkten.

  • Zitat

    Original von Hasal



    Mit dem Titel "Vor mir den Tag und hinter mir die Nacht" kann ich eigentlich nicht viel anfangen, da ich keinen konkreten Hinweise darauf im Buch fand. Zu einem gewissen Teil bleibt er mir also etwas rästelhaft.


    Diesen Titel hat Hein sich von Goethe "geliehen" (Faust I, Vers 1087):


    Doch scheint die Göttin endlich wegzusinken; / Allein der neue Trieb erwacht, / Ich eile fort, ihr ew'ges Licht zu trinken, / Vor mir den Tag und hinter mir die Nacht, (...)


    Abgesehen vom Titel gibt es in diesem Buch ja auch noch andere Anleihen an den Faust-Stoff (ganz deutlich z.B. der Pakt mit Wolf).

  • Boris hat eine Agentur für verworfene Ideen eröffnet, doch bisher hat sich da nicht wirklich viel drin getan. Es scheint, als würden all die verworfenen Ideen niemanden außer ihn selbst interessieren.
    Eines Tages kommt er in Kontakt mit Rebecca, das mehr durch Zufall, denn dort, wo nun seine Agentur drin ist, war vorher ein Computerladen und Rebecca rief an, um ihren Rechner reparieren zu lassen.
    Die beiden kommen ins Gespräch, landen dabei auch bei Büchern, genauer gesagt Romananfängen. Boris würde solche niemals aufnehmen, denn wer will schon nur einen Anfang, wenn er doch ein komplettes Manuskript sucht? Außerdem hat er davon selbst genug, doch will Boris kein Schriftsteller sein, denn dann müsste er all diese Ideen ja zu Ende schreiben.
    Eine Geschichte aber hat Boris, die ist etwas ganz besonderes für ihn. Sie handelt von Sophia, einer wunderschönen Frau, die die Gabe hat, Gedanken lesen zu können. Als sie auf der Straße zusammenbricht und ins Koma fällt, kann sie trotzdem mit dem Arzt Sebastian auf der Intensivstation reden. Der hält das zuerst für eigene Überlastung, hört ihr aber dann doch zu.
    So berichtet Sophia, wie sie vorher für einen Schriftsteller arbeitete, der ihr eine Geschichte diktierte, in der es um den Sinn des Lebens ging.


    Dieses kleine (es sind gerade mal 170 Seiten) Büchlein ist ein wahrer Schatz. Ganz von selbst und in wunderschöner Sprache fügen sich die einzelnen Geschichten darin ineinander.
    Mir haben die Geschichten, die so gut verwebt sind und somit einen Roman ergeben, ebenso gut gefallen wie der schöne Schreibstil. Es ist ein ungewöhnliches Buch, wunderbar leicht zu lesen und dabei sehr fesselnd.


    Meine Wertung: 8 Punkte
    Die volle Punktzahl mag ich nicht geben, denn etwas mehr Ausführlichkeit wäre ganz gut gewesen. Negativ anzumerken ist der Preis; für so eine kurze Geschichte ist er viel zu hoch, besonders, wenn man bedenkt, dass es sich hier nicht um ein Kleinverlagsbuch handelt, sondern um eines aus einem großen Verlag.

  • Die Geschichte zwischen Boris und Rebecca bildet die Rahmenhandlung.
    Im 4. Kapitel beginnt Boris mit den Romananfängen, die sich fließend in den Verlauf der Geschichte einbinden. Dieses Mittelstück des Buches beinhaltet verschiedene Geschichten, die dann auch ineinander verschachtelt sind und es wirkt etwas verwirrend, aber irgendwo haben die Figuren dieser Romananfänge doch ihre Gemeinsamkeiten. Das Buch ist insgesamt doch sehr philosophisch gehalten und ich musste manches Mal etwas schmunzeln oder eben auch zustimmend nicken. Die unterschiedlichen Protagonisten streben alle nach dem Glück oder etwas, das für sie scheinbar kaum erreichbar ist. Kaum, dass sie sich in dieser gewünschten Situation befinden, sind sie auch wieder nicht glücklich damit. Ich denke, dass jeder solche Situationen aus seinem eigenen Leben kennt. Das ist auch der Grund weshalb ich geschmunzelt oder zustimmend genickt habe. Das Buch liest sich flüssig.
    Den Anfang fand ich auch ein bisschen langweilig,was sich aber zunehmend bessert,nachdem die „Geschichten in den Geschichten“ passieren.
    Ich werde auf alle Fälle auch noch „Herr Jensen steigt aus“ lesen und kann dieses Buch von Jakob Hein nur jeden wärmstens empfehlen.


    3 von 5 Sternen!

  • Mich hat dieses Buch enttäuscht: Zume inen, weil ich "Herr Jensen steigt aus" gelesen habe, das mir gut gefallen hat. Und zum anderen, weil ich das erste Kapitel interessant fand und daher mehr erwartet habe.


    Es ist zweifellos ein Buch, das sich schnell mal so eben weglesen lässt und auch durchaus unterhaltsam ist. Für mich ist das Buch aber zu konstruiert, zu absehbar und die Figuren "unecht".

  • Jakob Hein - mir bisher gänzlich unbekannt - hat ein sehr philosophisches und zum Nachdenken anregendes Buch geschrieben, denn es gibt verdammt viele Sätze darin, über die ich beim Lesen nicht nur gestolpert, sondern dann in der S-Bahn sitzend und aus dem Fenster schauend Kilometer-lang noch in Gedanken hatte (ein Beispiel dafür ist z.B. " Man hätte meinen können, dass sich die Laternen ihrer Sinnlosigkeit zunehmend bewusst wurden, denn sie funzelten nur noch trüb daher, kaum dass sie die Straßen erleuchteten, auf denen sich zu dieser Zeit der Nacht nur noch ein Volk herumtrieb, das passenderweise lichtscheu gekannt wird."; Seite 99).


    Aber trotz dieser immer wieder aufblitzenden Rohdiamanten-Sätze konnte mich das Buch nicht vollends überzeugen. Die Idee, Boris Moser und seine Agentur der verworfenen Ideen als Ausgangspunkt zu nehmen, fand ich angenehm und seltsam zugleich, wobei mir dann aber erst nach einigen Seiten klar wurde, dass ich mich nun in dem von Boris geschriebenen Romananfang befinde, den er der unbekannten und schönen Rebecca, die er zuerst am Telefon und dann in seinem Laden hat, vorliest.


    Mir scheint es, als ob es Jakob Hein ein bisschen so geht wie dem Alten, dem Maulwurf, der sagt, "Nur das Ende meiner Geschichte kann ich nicht sehen" (S. 160). Deswegen hat mich das Ende des Romananfangs und auch das Ende des Buchs etwas ratlos zurückgelassen. Gern hätte ich doch noch mehr davon gelesen!


    Aber die Geschichte des Maulwurfs über die Suche Heiners nach dem Sinn des Lebens fand ich toll, einfach nur toll. Ich glaube, wenn Jakob Hein mehr davon und in "einfacherer" Art und Weise (also ohne die zwei vorgeschalteten Geschichten um Boris und den Maulwurf) geschrieben hätte - oder noch schreiben wird - werde ich das mit Genuss lesen! Genau diese paar Seiten mitten im Buch sind fantastisch und man kann dann wirklich einfach nur froh sein, zu leben!

  • Literarisches Labyrinth



    Beginn der ersten Lektüre. Ich begegne Boris in seinem merkwürdigen Geschäft für "verworfene Ideen". Ich erschnuppere seine Gedankenwelt, die zwar ein wenig fremd, aber doch hintersinnig und tiefgründig scheint. Eine Frau betritt seinen Laden, eigentlich aus Versehen. Auch sie schnuppert, und was sie findet, scheint ihr zu gefallen. Denn sie kommt wieder, um sich mit Boris näher zu befassen. In ihren Gesprächen tauschen die zwei allerlei philosophische Spitzfindigkeiten aus, und ich als Leser entwickele eine Art Faszination. Es werden immer mehr Gedankensplitter in den Raum gestellt, jeder für sich ein wenig skurril, alle zusammen jedoch wunderbar kauzig.


    Doch dann schlägt das Buch eine andere Richtung ein. Boris lüftet für seine schöne Besucherin sein größtes Geheimnis: er erzählt ihr von den verworfenen Roman-Anfängen, die er ebenso sammelt. Mit anderen Worten, jetzt wird das Buch zu einer Art "Babuschka", diese russischen Puppen, bei denen immer noch eine weitere, kleinere Version in der größeren wartet. Mit Boris und Rebecca öffnet der Leser so nacheinander drei Geschichten, um sie anschließend genauso wieder ineinander zu stapeln. Nachdem man so wieder in der Gegenwart angelangt ist, ist das Buch fast sofort zu Ende. Nur noch zwei, drei Seiten, und aus. Rebecca und Boris haben anscheinend den ganzen Tag verplaudert, und verabreden sich nun zum gemeinsamen Abendessen. Das war's.


    Ich gebe zu, im ersten Moment wollte sich ein wenig Frustration einstellen. Denn den Sinn des Ganzen bekommt man in diesem Buch gewiss nicht auf dem Silbertablett serviert. Nein, erst im Nachhinein wird mir klar, dass dieses Buch sozusagen eine Baustelle ist. Nichts ist fertig, alles lädt den Leser ein, sich sein eigenes Gedankengebäude zu errichten. Und genau das fasziniert mich ungemein! Ich habe lange nach einem Vergleich gesucht, um dieses Buch zu deuten. Mir fällt lustigerweise nur ein Film ein, kein Buch: "Mulholland Drive" von David Lynch. Bei diesem Film war es genauso. Man kann ihn sich unzählige Male ansehen, und wird doch nie zu einer endgültigen Deutung kommen. Das Ganze ist ein Rätsel, ein schillerndes Kaleidoskop, surreal und schräg. Man mag sich fest vornehmen, die "Handlung" sozusagen durch eine bestimmte Tür zu betreten - und doch wird man immer wieder durch eine andere Tür ins Freie gelangen. Das ist so gewollt, und letztlich auch sehr spannend.


    Sicher, ich könnte mich jetzt daran setzen, und dieses schillernde Buch auf Querverweise und Anspielungen untersuchen. So kommen gewisse Themen in den verschiedenen Rahmenhandlungen immer wieder vor, wie z.B. Getränke (Tee und Kaffe), sinnlose soziale Gepflogenheiten, aus Idealismus geführte Geschäfte, oder die Suche nach dem Sinn des Lebens. Auch könnte man vermuten, Boris habe sich in den Romananfängen, die er vor Rebecca ausbreitet, im Grunde selber dargestellt. Er ist sowohl der Sanitäter in der Handlung um Sophia, als auch der blinde Gelehrte, als auch Heiner in der letzten Geschichte. Auch literarische Verweise gibt es. Zumindest in der letzten Geschichte. Hier wird deutlich, dass Jakob Hein sich eine moderne Version des "Faust" ausgedacht hat. Und in der mittleren Geschichte um Sophia meine ich, deutliche Anklänge an Haruki Murakami zu erkennen.


    Aber wird man damit diesem Buch wirklich gerecht? Ich meine, nein. Man muss sich auf dieses Abenteuer einlassen, man muss sich hindurchtasten durch dieses Labyrinth, und man sollte es möglichst mehrmals lesen. Man wird immer Neues daran entdecken, und man wird bezaubert sein vom schillernden Ideenreichtum dieses zwar ungewöhnlichen, aber farbigen literarischen Kleinods. Nur eines wird man niemals schaffen: es in eine Schublade zu stecken.