Verlag: Rowohlt Taschenbuch Verlag
Seiten: 683
Originaltitel: The Winter King
Übersetzung aus dem Englischen: Gisela Stege
Rückentext:
Winter über Avalon
Britannien zum Ende des fünften Jahrhunderts: Die Tage der großen Dunkelheit sind angebrochen. Längst ist die Erinnerung an das römische Imperium verblasst, und die heidnischen Götter weichen vor dem erstarkenden Christentum zurück. Über das Meer dringen die Heere der Sachsen auf die Insel. Eine tödliche Gefahr, denn die Bündnisse zwischen den keltischen Königreichen sind zu zerbrechlich, um dem Ansturm der Feinde auf Dauer standzuhalten. Als der Großkönig Uther Pendragon stirbt und sein Nachfolger noch ein hilfloses Kind ist, gibt es nur einen Mann, der den Thron halten kann: Uthers Bastardsohn, sein Name ist Arthur ...
Autor:
Bernard Cornwell, geboren 1944, machte nach dem Studium Karriere bei der BBC. Nach Übersiedlung in die USA – seine Frau ist Amerikanerin – war ihm die Arbeit im Journalismus mangels Green Card verwehrt. Und so entschloss er sich, einem lang gehegten Wunsch nachzugehen, dem Schreiben. Im englischen Sprachraum gilt er als unangefochtener König des historischen Abenteueromans. Seine Werke wurden in über 20 Sprachen übersetzt - Gesamtauflage: mehr als 20 Millionen.
Meine Zusammenfassung:
Der alte Mönch Derfel, der in einem Kloster seinen Lebensabend verbringt, wird von seiner Königin Igraine gebeten, ihr die Geschichte des sagenhaften Arthur zu berichten. Denn Derfel war dabei, einer der letzten Zeitzeugen die Arthur selbst gekannt haben. Und nicht nur das, er hat als einer seiner Krieger Seite an Seite mit ihm gekämpft. So beginnt die Aufzeichnung von Derfels Erinnerungen: Es war einmal in einem Land, das man Britannien nannte.
Derfel wächst als eines der auserwählten Kinder recht sorglos in Merlins Obhut auf Ynys Wydryn auf. Als Sohn einer sächsischen Sklavin, sollte er nach einem Raubzug den Göttern geopfert werden, überlebte jedoch diesen Opferungsversuch, worin Merlin ein Zeichen der Götter zu erkennen glaubte. Er hat viele solcher Kinder um sich geschart. Ein weiteres ist die Irin Nimue die im gleichen Alter wie Derfel ist und für die er eine innige Liebe empfindet. Doch sie ist von Merlin ausersehen nicht nur seine Geliebte, sondern auch seine Schülerin zu sein und somit für Derfel unerreichbar.
Als dem alten König Uther, nach langem Bangen und schwerer Geburt mitten im Winter von der Witwe seines Sohnes doch noch ein Erbe geschenkt wird, ist damit der Bestand des Königreiches noch lang nicht gesichert. Denn was soll aus dem Reich werden, wenn der betagte Uther stirbt solange der Thronfolger Mordred noch ein Kind ist? Kurzerhand wird die Mutter des Prinzen dem bisher verfeindeten König Gundleus versprochen, der nun als Verbündeter gewonnen wird, und noch weitere Männer als Beschützer des Kindes in Eid genommen. Einer davon ist Uthers Bastardsohn Arthur, der in Armorica lebt, seit Uther ihn für den Tod seines legitimen Sohnes (Mordreds Vater) verantwortlich machte.
Mordreds Mutter erwartet mit ihrem Kind auf Ynys Wydryn die Ankunft ihres zukünftigen Gemahls, doch Gundleus ist ein Verräter. Er tötet die Prinzessin und ein Kind, dass er für Mordred hält. Der echte Kindkönig kann jedoch gerettet werden und mit ihm und einigen anderen Einwohnern von Ynys Wydryn (Merlin ist schon seit einiger Zeit verschwunden) fliehen auch Derfel und Nimue, Letztere jedoch von Gundleus und seinen Soldaten geschändet und eines Auges beraubt. Kurz bevor sie die rettende Sicherheit der Königsfestung Caer Cadarn erreichen können, werden die Flüchtenden von Gundleus Heer eingeholt. In letzter Sekunde erscheint die Rettung, in Gestalt von Arthur und seinen berühmten Reitern.
Nun übernimmt Arthur die Position die Gundleus zugedacht war und er trifft die nötigen Entscheidungen um den Thron für Mordred halten zu können. Sein großes Ziel ist der Frieden zwischen allen britannischen Völkern um sich dann gemeinsam der großen Bedrohung von Außen, den Sachsen, zu stellen. Das verfeindete Königreich Powys soll durch die Heirat Arthurs mit der Königstochter Ceinwyn zum Bündnispartner werden. Doch am Abend seiner Verlobungsfeier trifft Arthur dort auf die Tochter eines anderen Königs. Ihr Name lautet Guinevere...
Meine Rezension:
Bei meiner Ausgabe handelt es sich um die Neuauflage des schon länger vergriffenen ersten Teiles von Bernard Cornwells Artus-Chroniken (insgesamt sind es drei Teile).
Das Buch ist in fünf Abschnitte gegliedert und zu Beginn jedes Abschnitts erzählt uns Bruder Derfel ein wenig aus seinem Alltag und von seinen Gesprächen mit der neugierigen Königin Igraine. Die Königin nimmt hier scheinbar die stellvertretende Rolle des Lesers ein, stellt Fragen zu bekannten Figuren der Artus-Legende so wie wir sie kennen (obwohl sie die eigentlich gar nicht kennen dürfte, weil vieles davon erst im 12. Jahrhundert hinzugedichtet wurde, aber Cornwell gesteht im Nachwort selbst einige Anachronismen ein) und vergleicht mit Derfels Darstellung, die in vielen Fällen gar nichts miteinander gemeinsam haben.
Bernard Cornwells Artus-Roman hat wirklich nicht viele Übereinstimmungen mit den Sagen. Nicht nur, dass die Legende in einen konkreten geschichtlichen Kontext versetzt wurde (ähnlich wie der später erschienene Film „King Arthur“), auch die Beziehung der Figuren untereinander und deren Verhalten sind sehr verschieden. Mordred ist hier der legitime König, Arthur der Bastard und seine Schwester Morgan (die hier seine richtige Schwester ist, Tochter der gleichen Mutter) mögen sich sehr gern. Tristan ist nicht König Marks Neffe sondern sein Sohn wohingegen Galahad nicht Lancelots Sohn, sondern sein Halbbruder ist und Lancelot selbst, vermutlich der krasseste Bruch, ein hinterhältiger, feiger und arroganter Maulheld. Man könnte ihn als Derfels persönlichen Erzfeind bezeichnen. Avalon ist kein mystisches Reich, sondern das Land, das dem Lord Merlin gehört und in dem Ynys Wydryn liegt. Die Liste lässt sich durchaus noch fortsetzen. Das bedeutet nun nicht, dass ich das negativ finde, lediglich etwas verwirrend, vor allem zu Beginn als man noch die ganzen „klassischen“ Beziehungen der Charaktere zueinander im Kopf hat. Sobald man sich davon jedoch gelöst hat, klappt die Eingewöhnung recht gut.
Arthur selbst wird hier als ein Mann gezeigt der von „zwei Pferden gezogen wird“: Ehrgeiz und Gewissen. Er ist ein guter Mann der das Beste für das ganze Volk will und auch schnell bereit ist seinen Feinden zu verzeihen. Aber er hat auch seine Fehler und hält sich für den Einzigen der seine großen Pläne vom Frieden verwirklichen kann. Dabei ist er im entscheidenden Moment wie mit Blindheit geschlagen und lädt so große Schuld auf sein Haupt.
Die Geschichte ist am Anfang recht zäh zu lesen. In den ersten 50 Seiten wird fast nur erzählt, es gibt praktisch keine wörtliche Rede, durch die vielen ungewohnten Namen und Ortsbezeichnungen schwirrt einem erst mal der Kopf (auch wenn die 2 Karten, das Namensverzeichnis und das Ortsverzeichnis hier sehr hilfreich sind). Als sich das bessert, plätschert die Handlung selbst aber einfach nur so vor sich hin ohne groß fesseln zu können. Das ändert sich mit dem Auftauchen von Arthur am Ende des ersten Abschnittes (ca. S. 160, der Anfang zieht sich also ganz schön). Ab da kommt Dynamik in Derfels Bericht und ich folgte gespannt den geschilderten politischen Verwicklungen, verzweifelten Taten und epischen Schlachten. Allerdings auch hier wieder ein Kritikpunkt, die letzte große Schlacht des Buches zieht sich ebenfalls etwas in die Länge, ansonsten konnte ich aber mit den vielen Kämpfen sehr gut leben.
Etwas das noch öfter vorkommt als die Kämpfe ist das Spucken. Manchmal hat man fast den Eindruck eine Lamaherde ist unterwegs. Da damit sowohl böse Geister gebannt als auch Verachtung ausgedrückt werden sollten, wird hier soviel gerotzt und gespuckt, dass es eine wahre Freude ist. *hüstel*
Man sollte auch keine großen Gefühlsdramen erwarten. Natürlich spielt die Liebe eine Rolle, z.B. Arthurs geradezu fanatische Liebe zu Guinevere die so viel Unglück nach sich zieht und Derfels tief gehegte Zuneigung für Nimue, aber all das spielt sich sehr dezent im Hintergrund ab, wichtigere Empfindungen sind die Freundschaft, die Kriegerkameradschaft und die Loyalität zu seinem Anführer.
Fazit: Die Bezeichnung „historischer Abenteuerroman“ ist hier wirklich absolut passend gewählt. Sehr glaubhafte Darstellungen vor dem historischen Hintergrund des ausgehenden 5. Jahrhunderts paaren sich mit detaillierten Schlachten und persönlichen Schicksalen. Die Artus-Legende einmal anders. Einige Stellen in diesem Buch sind so gut, dass sie 9 Punkte verdient hätten, aber durch den doch recht langwierigen Einstieg und die ein oder andere kleine Langatmigkeit zum Schluss, reicht es insgesamt nur für 7 von 10 Punkten. Ich bin aber doch so begeistert, dass ich mich sehr auf Band zwei freue, denn da braucht es ja keinen Einstieg mehr (und ich bin gespannt, wie aus dem heidnischen Krieger Derfel schließlich der christliche Mönch wurde).