Schreibwettbewerb September 2008 - Thema: "Genial"

  • Thema September 2008:


    "Genial"


    Vom 01. bis 20. September 2008 könnt Ihr uns Eure Beiträge für den Schreibwettbewerb September 2008 zu o.g. Thema per Email an webmistress@buechereule.de zukommen lassen. Euer Beitrag wird von uns dann anonym eingestellt.


    Den Ablauf und die Regeln könnt Ihr hier noch einmal nachlesen.


    Bitte achtet darauf, nicht mehr als 500 Wörter zu verwenden. Jeder Beitrag mit mehr als 500 Wörtern wird nicht zum Wettbewerb zugelassen!

  • von Nomadenseelchen


    Seht es euch an! Von nah und fern kommen die Leute, nur um dieses Kunstwerk zu sehen. Diese feinen Linien, diese zarten Farben. Ihr mögt es nicht? Was stößt euch ab? – Die Thematik des Krieges? Ist es euer Gewissen, welches sich regt, nachdem ihr euer und andere Völker in Unglück gestoßen habt? Ist der Künstler schuld, dass eure Machtbesessenheit, dass Familien ohne Ernährer sind? Schiebt euer Gewissen beiseite und betrachtet das Kunstwerk für sich alleine. Seht die Schattenwürfe! Welcher Künstler unserer Zeit schafft einen solch starken Eindruck, dabei zu sein?


    Ihr sagt, er wäre ein Ketzer. Weil er nicht in euer Weltbild passt? Was für ein Weltbild überhaupt? Er bringt euch Erkenntnis, aber ihr stoßt ihn weg. Sicherlich mag der Weg seiner Erkenntnis nicht mit der allgemeinen Moral einhergehen. Aber ist es nicht eure Moral die zu eng gefasst ist? Wer hatte nicht schon einmal einen schweren Krankheitsfall in der Familie, saß betend am Bett, dass es dem geliebten Angehörigen wieder besser ginge. Wie viel ist euch dann Sittlichkeit wert, würdet ihr sein Wissen ablehnen, weil die Gewinnung nicht eurer Ethik entsprach?


    Ihr benutzt ihn lieber für niedrige Zwecke. Ihr lasst ihn Kriegsmaschinen bauen, um eure Feinde zu zermalmen. Nicht für das Schöne steht euch der Sinn, Leid und Zerstörung ist euer Geschäft.


    Lasst euch ein, auf die Schönheit seines Werkes. Genießt die Schattenwürfe, genießt die Pracht der Farben, genießt die Linienführung. Lasst die Anmut in eure Herzen. Nehmt diese mit nach Hause. Zerstört nicht mehr.

  • von Leserättin


    „Heureka!“, rief er und sprang aus der Badewanne. Tropfen rannen an seinen dünnen Beinen hinab. Seine Entdeckung war zu großartig, um sie für sich behalten zu können.
    Ohne sich darum zu kümmern, dass er völlig unbekleidet war, lief er aus dem Badezimmer hinaus, durch das Zimmer, riss die Tür auf und rannte weiter.
    Kühl strich die Luft über seine nasse Haut.
    „Heureka! Heureka!“, rief er immer wieder. Die Frau, die hinter ihm herlief, ignorierte er. Er kannte sie, sie würde ihn gleich am Arm fassen und mit geduldiger Stimme auf ihn einreden. Sie war keine Griechin; dazu war ihre Haut zu hell, das Haar zu blond und glatt, die Nase zu gerade.
    Einen Moment wollte er sich noch an seiner Entdeckung weiden, dann ließ er zu, dass die weißgekleidete Frau ihn am Arm packte und ihm sagte, dass er zurückmusste.
    „Die Auftriebskraft eines Körpers in einem Medium ist genauso groß wie die Gewichtskraft des vom Körper verdrängten Mediums“, erzählte er ihr, während sie ihn zurück in sein Zimmer führte, die Tür abschloss und einen Bademantel holte. Sie verstand nichts von dem, was er sagte, dennoch fuhr er fort: „Kraft mal Kraftarm ist gleich Last mal Lastarm. Arbeit ist gleich Kraft mal Weg.“
    Mit zusammengepressten Lippen schaute sie ihn an, schüttelte den Kopf und seufzte leise. Dann griff sie nach der Box auf dem Nachtschränkchen. „Kommen Sie, Herr Siegler, nehmen Sie Ihre Medizin.“
    „Brauch ich nicht.“ Immer sollte er diese seltsamen blauen Pillen schlucken. Dabei erkannte er doch auch so mathematische und physikalische Prinzipien. Er konnte jede noch so schwierige Aufgabe rechnen, erkannte den Lösungsweg, sobald er nur draufschaute.
    Doch niemanden hier interessierte das. Der Mann, der jeden Morgen zu ihm kam und sich 45 Minuten lang mit ihm unterhielt, sprach stets nur davon, dass er krank im Kopf sei und dies endlich einsehen müsse. Dass er nicht Archimedes war sondern Hans Siegler und man nicht mehr das Jahr 215 v. Chr. sondern 2008 schrieb.
    Aber er fühlte sich nicht krank, seinem Kopf ging es blendend, wenn er nicht gerade diese Pillen nehmen musste, die ihn immer so müde machten. Doch vielleicht würden die Leute, die ihn immer in dieses Zimmer sperrten und ihm die Pillen gaben eines Tages einsehen, wie genial er war.

  • von arter


    Es regnete seit drei Tagen. Lisa war auf einen glitschigen Stein geklettert, inmitten der wütenden Brandung. Sie hockte dort zusammengekauert, die Knie angezogen, durchnässt bis auf die Haut. Um sich vor dem peitschenden Wind zu schützen, verschränkte sie die Arme vor ihrem Gesicht und lugte durch eine winzige Spalte zwischen ihrem linkem Ellenbogen und dem rechtem Unterarm auf das graue Meer hinaus, wo es keinen Horizont zu geben schien, wo Himmel und Wasser zu einer einheitlichen grauen Masse verschmolzen waren.


    Lisa fixierte die Stelle, an der sie die Grenze vermutete. Eine klare Linie, die zwei Welten voneinander trennen sollte. Universen die eigenen Gesetzmäßigkeiten folgten. Und doch schien es jetzt, als würden diese Unterschiede verschwimmen, als würde alles aufgehen in einer größeren, bedeutenderen Dimension.


    -


    Im Konferenzhotel wurden Schnittchen serviert. Der Regen prasselte gegen den Glasvorbau, von wo aus man gewöhnlich einen fantastischen Panaromablick auf den Ozean genießen konnte. Andreas stand an einen Pfeiler gelehnt, ein Glas Sekt in der Hand und starrte in die graue Tristesse.


    „Wird Professor Randall morgen etwas Neues erzählen?“ Der Mann, der ihn angesprochen hatte, setzte ein sympathisches Lächeln auf. Normalerweise hätte Andreas diese Äußerung als Unverschämtheit zurückgewiesen, aber die freundliche Art seines Gegenübers hatte etwas Gewinnendes.


    „Dr. Everett ...“, Andreas schaute seinen Gesprächspartner flüchtig an, und ließ seinen Blick dann wieder über das Meer schweifen. „Unser Team war sehr erfolgreich in letzter Zeit“, antwortete er ausweichend.


    „Ihnen ist klar, dass die Luft langsam dünn wird. Die Vertreter des Standardmodells haben mächtige Geschütze aufgefahren.“.


    Wir befinden uns doch nicht im Krieg, dachte Andreas. Er starrte weiter ungerührt auf die graue Fläche des Ozeans. Aber Everett hatte Recht. Randall musste morgen etwas aus dem Hut zaubern. Der Regen schien etwas nachzulassen. „Was halten Sie von einem kleinen Spaziergang am Strand. Vielleicht tut es gut, sich etwas frischen Wind um die Ohren wehen zu lassen.“


    -


    Lisa strich sich eine nasse Strähne aus ihrem Gesicht. Ein Blitz zuckte weit draußen, dort wo sie nach dem Horizont suchte. Ein Blitz der alles erleuchtete.


    Eine Stimme drang schwach durch das Tosen des Sturms. Lisa schaute hinüber auf den Strand. Zwei Männer in wetterfesten Regenmänteln winkten ihr zu. Sie sprang von dem Findling herunter und versuchte das Ufer zu erreichen.


    Everett sah die verwirrte Frau nur mit Jeans, Pullover und Turnschuhen bekleidet, wie sie versuchte, auf den glitschigen Steinen voranzukommen - wie sie immer wieder hinfallend, dann auf allen Vieren robbend sich in Richtung Ufer vorarbeitete.


    „Diese Person benötigt Hilfe“, sagte Everett zu seinem Begleiter, der diese Bemerkung jedoch nur mit einem Grinsen quittierte. Everett schüttelte den Kopf über die Ignoranz und stakste vorsichtig über die Steine hin zum tobenden Wasser. Er reichte der Frau die Hand und half ihr, sich aufzurichten.


    „Vielen Dank Dr. Everett. Lisa Randall! Freut mich Sie kennen zu lernen“, lächelte Lisa den verblüfften Wissenschaftler an.


    „Gehen wir zurück, ich könnte jetzt einen heißen Tee vertragen“, sagte sie dann und lenkte ihre Schritte energisch in Richtung Hotel. Zwei Männer in Regenmänteln folgten ihr. Mühsam Schritt haltend.

  • von Tom


    Nach zwei Monaten des Zusammenlebens mit Sabrina verstand ich, dass Ihr Verständnis für meine Fußballbegeisterung nur geheuchelt war. Wochenlang nörgelte sie herum, dass unser Premiere-Abo zu viel Geld kosten würde, obwohl ich das aus meiner Tasche bezahlte, und als sie damit anfing, Samstagnachmittags und an CL-Tagen plappernde Freundinnen einzuladen, wurde mir klar, wohin der Zug fuhr. Ausschlaggebend aber war das Zettelchen "Bitte nicht im Stehen", das sie über dem Toilettenspülkasten anbrachte. Ich packte meinen Kram und zog aus. Fünf Tage später zog ich bei Gaby ein.
    Gaby täuschte Orgasmen vor, was ich anfangs okay fand, schließlich minderte es meinen Spaß an der Sache nicht. In der dritten Woche feuerte sie meine Wurstvorräte mit der Begründung in die Tonne, dass Salmonellengefahr bestünde. Das tat sie dann mit jeder neuen Ladung gleich wieder, und auf dem Frühstückstisch fanden sich stattdessen vegetarischer Schmalz, irgendwelche Gemüsepasten und milchfreie Butter. Beim Essen im Restaurant verzog sie angewidert das Gesicht, während ich ein blutendes Stück Steak in den Mund schob, und wir mussten beim Spazierengehen die Straßenseite wechseln, wenn uns ein Raucher entgegenkam. Ich wechselte die Anschrift und zog zu Susi.
    Bei Susi rangierte ich hinter fünf Katzen und dem Kanarienvogelpärchen auf Platz drei (eigentlich: acht), jedenfalls an guten Tagen. Zuweilen drängten mich Susis Mutter oder Geschwister in den zweistelligen Bereich. Während die Viecher alle Rechte genossen, selbstverständlich bei uns im Bett schliefen (bis auf die Vögel) und gerne auch quer über den Mittagstisch marschieren durften, musste ich stundenlang auf Nahrung warten, weil die Fütterung der Krallengeier Vorrang hatte. Nadja bot da die Chance auf Besserung, denn Nadja war haustierfrei.
    Aber auch sie stellte sich schnell als Nervensäge heraus. Morgens um halb sieben schmiss sie mir Turnschuhe auf die Bettdecke und befahl, nunmehr mit ihr um den miefigen Park zu joggen, an dem sie wohnte. Ich machte es drei Wochen lang mit, weil Sex mit Nadja nahezu perfekt war, dann gab ich auf. Während ich rätselte, ob Martina, Sonja, Ute oder Beatrice in den Genuss meiner Beherbergung kommen würden, entdeckte ich im Internet die Lösung für alle meine Probleme.
    Sabrinas, erklärte Wikipetra.de, sind Ordnungsfanatikerinnen mit starker Abneigung gegen Fußball. Gabys, las ich, gehören (wie Monikas, Susannes und die namensgebenden Petras) zur Klasse der frigide-militanten Vegetarierinnen mit starkem Missionierungsdrang. Susis lieben Tiere über alles. Nadjas neigen zur Askese und übertreiben die sportliche Selbstzüchtigung (sind aber Granaten im Bett). All das wusste ich schon. Aber Wikipetra warnte mich vor Martinas, die ihre Hypochondrie pflegen und ihre Partner einbeziehen, sprach sich gegen Sonjas und ihre esoterischen Ticks aus, prognostizierte jede Menge Haare in der Ute-Suppe, in der sich Landhausmöbel, stundenlange Spaziergänge und Rosamunde-Pilcher-Romane befanden. Beatrices wären promisk und latent untreu. Ich hangelte mich durch die Einträge der wirklich prallen Wissenssammlung und fand einen einzigen Namen, hinter dem sich keine negativen Anmerkungen häuften. Schade nur, dass ich lediglich eine einzige Frau dieses Namens kannte.
    Meine Mutter.

  • von Sinela


    Laute Musik erfüllte das Innere des Wagens. Hämmernde Bässe ließen den Fahrer im Takt mit den Kopf nicken, während er seine Blicke über die Menschen, die auf den Gehwegen unterwegs waren, schweifen ließ. Michael hielt den Atem an. Da war sie, seine Angebetete, seine Flamme, der Inhalt seiner pupertären Träume. Ihre taillenlangen Haare wehten im warmen Sommerwind, das knappe Kleid zeigte mehr von ihrem Körper als es verhüllte. Dieses Mädchen spielte in einer anderen Klasse als er, deshalb hatte es ihn auch nie beachtet, aber heute, heute würde das anders sein!


    Mit quietschenden Reifen hielt das Auto. Doch Susanne beachtete es nicht, sondern schlenderte lässig weiter. Mit aufheulendem Motor schoss der Wagen nach vorne, um dann in langsamen Tempo neben ihr herzufahren.
    „He, Susanne, Lust auf eine kleine Spritztour?“
    Sie seufzte tief, das war ja der kleine Wichser, der sie in der Schule ohne Ende anschmachtete. Dem würde sie jetzt ein für alle mal so die Meinung geigen, dass er sie nie wieder belästigen würde. Schnell drehte sie sich in Richtung Auto, holte tief Luft – und vergaß alles, was sie hatten sagen wollen, als sie Michael hinter dem Steuer des Porsche Boxter sitzen sah, den Arm lässig auf dem geöffneten Fenster der Wagentür liegend.
    „Wow, das ist ja eine geile Karre? Wo hast du die her?“
    Michael grinste, er wusste, er hatte Susanne am Haken.
    „Och, die ist von meinem Vater. Hat ihn mir für diese Nacht ausgeborgt.“
    „Das glaubst du doch selber nicht, du hast doch mit deinen 16 Jahren noch gar keinen Führerschein!“
    Michael errötete.
    „Na gut, ich habe ihn mir ausgeliehen ohne zu fragen, aber das ist doch wohl egal. Willst du nun mitfahren oder nicht?“
    Susanne überlegte nicht mehr lange und stieg ein.
    „Auf was wartest du noch?“


    Schnurgerade zog sich die Straße durch die Landschaft. Bäume flogen schattenartig an dem Porsche vorbei. Susanne wurde es nun langsam doch mulmig. In der Stadt war ihr Michael wie ein vorsichtiger und sicherer Fahrer vorgekommen, doch kaum hatten sie das umliegende flache Land erreicht, drückte er auf`s Gaspedal. War vielleicht doch keine so geniale Idee gewesen, bei ihm mitzufahren.
    „Michael, fahr bitte etwas langsamer.“
    Er drehte den Kopf in ihre Richtung und grinste.
    „Wirst doch keine Muffe bekommen, oder? Ich habe alles im Griff, okay?“
    In diesem Moment schrie Susanne auf! Michael sah nur noch einen Schatten, dann krachte es auch schon. Der Wagen kam durch den plötzlichen Aufprall ins Schleudern, überschlug sich mehrmals und kam erst auf einer Wiese neben der Straße auf dem Dach zum liegen. Benzingeruch erfüllte die Luft und Sekunden später züngelten kleine Flammen aus dem Motorraum. Rasch hüllten sie das Fahrzeug ein und vernichteten alles, was ihnen in den Weg kam. Als die Dämmerung anbrach, zeugte nur ein großer schwarzer Fleck mit einem unförmigen Metallklumpen in der Mitte von dem Drama, das sich hier in der Nacht abgespielt hatte. Die Vögel begrüßten den Tag mit ihren Gesängen als sei nichts gewesen. Was von ihrer Warte aus gesehen ja auch so war.

  • von anniku


    Die Illustrierte hatte sich schon vor Wochen bei mir gemeldet. „Wir machen gerade eine Serie über „starke“ Ehepaare in der Öffentlichkeit. Da dürfen Sie auf keinen Fall fehlen!“ sagte die Frau am Telefon. „Nur ein paar Fragen, Bilder – ganz nett und ungezwungen“ fuhr sie fort und ich hatte spontan zugesagt. „Wir werden Ihnen noch eine Terminbestätigung mit allen Daten zusenden“ flötete die charmante Telefonistin am Schluss. Erst beim Auflegen registrierte ich auf was ich mich da eingelassen hatte, aber Max fand das Interview gut. „Klar, ja machen wir – nicht absagen, könnte gut für uns sein“, brummte er geistesabwesend und er schlurfte weiter in sein Arbeitszimmer. Also gut, dann sollen sie kommen und uns ausfragen!
    Mein Mann galt als das zukünftige Physikgenie aus Deutschland. Er stand kurz vor einer bahnbrechenden Entdeckung und er arbeite fast Tag und Nacht.
    Der Interviewtermin war fast vergessen, bis dann die Bestätigung kam – nur 3 Tage vor dem Termin! „Ich kann das nicht!“, jammerte ich, „Sollen wir uns das wirklich antun?“ Aber Max blieb dabei – wir machen das schon!
    Die nächsten 3 Tage vergingen wie im Flug – „Was soll ich bloß anziehen? (Sei wie du bist) , Können wir nicht noch unser Wohnzimmer streichen lassen? (Nein, natürlich nicht), Soll ich noch umdekorieren? (Lass doch, es ist doch so schön wie es ist),... und so weiter und so weiter.
    Der Dienstag kam. Es wurde 14:00 Uhr, es wurde 15:00 Uhr – während ich ungeduldig auf dem Sofa herum lungerte, arbeite Max wie immer in seinem Arbeitszimmer. „Bist eigentlich schon umgezogen?“ „Ja, ja alles OK“, hörte ich Max aus dem Zimmer. Dann endlich kurz nach halb vier klingelte es an der Tür. Ich öffnete genervt. Vor mir stand eine kleine zierliche Frau mit einem modischen beigefarbenen Kostüm, blond, gut geschminkt und sie war eindeutig schlanker wie ich! Im Hintergrund standen 3-4 Männer beladen mit Kammaras, Licht und anderen Sachen. „Hallo“ sagte sie kurz und schob sich an mir vorbei in unser Haus. „Das geht ja gar nicht“, war das erste was sie im Wohnzimmer sagte, „Schmidt-Heuppner“ das zweite und dabei reichte sie mir gedankenverloren ihre Hand.
    „Matthias hier fehlt eindeutig die Farbe – bring unsere rote Ausstattung – das peppt die Sache hier etwas auf – und „ – kurzer Blick auf mich - „das rote Kostüm Größe 38, ne lieber 40“
    Sie wedelte mit ein paar Papieren – „Hier ist das Interview, ich denke der Text wird auch ihnen so gefallen – so sparen wir eine Menge Zeit, machen nur ein paar Bilder und dann sind wir auch schon wieder weg!“ Mir blieb die Luft weg. „Wissen Sie“, fuhr die Zeitungslady fort, „ich frag mich immer, was erfolgreiche Männer eigentlich an Frauen wie Sie finden, was können Sie ihn schon bieten? Wo ist der Herr des Hauses überhaupt?“ Wie auf Kommando ging die Tür zum Arbeitszimmer auf und Max trottete herein. „Mensch Max!“, rief ich, „du hast schon wieder deine Hose vergessen!“

  • von Quetzalcoatlus


    Der berühmte (und berüchtigte) Detektiv Leershock Homely rutschte auf den Knien an der Teppichkante entlang und starrte auf das Blut hinab, das sich in die Fasern des Persers gefressen hatte wie ein Holzwurm in einen wertvollen Barockschreibtisch.
    „Nun, was sagen Sie, Homely?“, drängte Inspektor Balustrade, der mit gekreuzten Fußspitzen an der Wand lehnte und missbilligend auf den nur mit einem Bademantel bekleideten Detektiv hinabstarrte. „Irgendwelche Hinweise auf den für diese Mordtat Verantwortlichen?“
    „Natürlich“, verkündete Homely ungerührt. „Ihre Leute haben ihn soeben im Leichensack aus der Haustür getragen.“
    „Hm?“, machte Balustrade verblüfft und schaute wie ein Maulwurf im Solarium. „Wollen Sie damit sagen, dass es Selbstmord war?“
    „Sozusagen. Allerdings würde ich den Vorfall eher eine unvermeidliche Auswirkung resultierend aus der Vernachlässigung der wichtigsten Interessen durch den verstorbenen Gentleman nach dem Bankrott seines Unternehmens nennen.“
    „Aber dem Toten wurde seine eigene Buchstütze auf den Hinterkopf geschlagen!“, rief Balustrade ungehalten. „Wie können Sie da behaupten, dass es Selbstmord war, weil er die Interessen seiner Gläubiger vernachlässigt hat?“
    „Behaupte ich ja gar nicht. Ich behaupte, dass er die Interessen seiner Katze vernachlässigt hat.“
    „Was?“ Der Inspektor versuchte den Gedankengängen des Privatdetektivs mit dem gleichen Erfolg zu folgen wie ein Rentner einem Schnellzug, in dem er seinen Koffer vergessen hat.
    „Seine Katze“, wiederholte Homely mit Nachdruck. „Sie wissen schon, diese vierbeinige Kreatur mit langem Fell, die ständig um unsere Füße herumrennt und eine fette Schmeißfliege jagt.“
    Wie zur Bestätigung seiner Worte rannte de Katze über seine Schuhe. Die verfolgte Fliege surrte laut auf der Suche nach einem Versteck.
    „Folgendes ist passiert: Der Verstorbene sah sich der Pleite seiner Firma gegenüber und musste plötzlich mit seinem Geld haushalten. Leider sparte er an der völlig falschen Stelle und besorgte seiner Hauskatze das billigste Katzenfutter auf dem Markt. Natürlich ließ der Vierbeiner sich das nicht bieten. Und eine gestandene Katze, die etwas auf sich hält, zeigt ihren Widerwillen nicht nur durch bloßes Verweigern der minderwertigen Nahrung, sondern wirft diese für gewöhnlich demonstrativ aus ihrem Napf. Um ihren Standpunkt zu verdeutlichen gewissermaßen.“ Homely räusperte sich. „Unser verstorbener Freund schenkte diesem Verhalten offenbar wenig Beachtung, trat geradewegs in die matschigen Futterbrocken auf dem Fußboden, rutschte darauf aus, prallte gegen sein Regal und wurde von der Buchstütze getroffen, die aufgrund der Erschütterung vom obersten Regalbrett herabfiel.“
    Fassungslos ließ Balustrade seinen Mund sperrangelweit offen. Die umherschwirrende Schmeißfliege nutzte die Gelegenheit und flog hinein. Der Inspektor begann unkontrolliert zu husten.
    „Rottson wird morgen meinen Scheck abholen“, verfügte Homely ungerührt und verließ mit wehendem Bademantel das Zimmer.
    „Er ist ein absolut genialer …“, begann ein in der Nähe stehender Polizeibeamte bewundernd, sah die zornesfaltigen Schluchten auf der Stirn seines Chefs und beendete den Satz sehr überzeugend: „… Drecksack.“
    „Offensichtlich“, brummte Balustrade unwillig. „Wenn bei Scotland Yard solche Kaliber wie er arbeiten würden, müsste ich wohl als Wurmzüchter arbeiten.“
    Mürrisch zerkaute er die Fliege und schluckte sie hinunter.
    Mit dem Ausdruck reinen Abscheus in ihren grünen Augen blinzelte die Katze ihn an.