1977 - David Peace

  • 2. Teil der Yorkshire-Ripper-Serie
    [Serienübersicht]


    Kurzbeschreibung:


    Der "Yorkshire-Ripper" schlägt wieder zu


    Yorkshire, 1977. Polizeisergeant Robert Fraser wird zu einer Sondereinheit abgestellt, die den grausamen Mord an einer Prostituierten aufklären soll. Bald schon werden Parallelen zu anderen Mordfällen aufgedeckt und es wird klar: der "Yorkshire Ripper" hat wieder zugeschlagen. 1977 ist der zweite Teil des preisgekrönten "Red-Riding-Quartetts", mit dem David Peace zu einer der wichtigsten Stimmen der neuen englischen Literatur avancierte. David Peace wurde für "1974" mit dem "Deutschen Krimipreis" ausgezeichnet.



    Eigene Meinung:


    Nachdem mich der erste Teil "1974" überzeugt hatte und meinen Argwohn gegenüber Hardboiledkrimis zerstreuen konnte, habe ich auch das zweite Buch der Serie begonnen. Während 1974 aus der Sicht eines Journalisten erzählt wurde, rückt diesmal Jack Fraser in den Mittelpunkt, Polizist des Sondereinsatzkommandos, da wieder eine Leiche einer Prostituierten gefunden wurde, bei dem Verbindungen zu einem Serienmörder auftauchen.


    Während ich beim ersten Teil vor allem wegen der derben Sprache die Bezeichnung hardboiled angebracht fand, zeigt sich hier ein anderes Bild. Eine stupide Aneinanderreihung sinnloser Gewaltorgien, die nahezu immer in sexuelle Handlungen mit Gewalt münden. Jede Handlung der Polizei ist von Brutalität und Demütigung geprägt.


    Zudem hat einer der verheirateten Polizisten eine Geliebte Prostutuierte und sorgt sich nun, dass auch diese dem Mörder zum Opfer fällt, während sein Schwiegervater im sterben liegt. Dieser Strang nimmt auch mehr Raum ein, die Themen dahinter werden aber nicht wirklich behandelt.


    Nach 200 Seiten hatte ich genug. Ich hatte zwar noch gehofft einen Funken des außergewöhnlichen Stils aus dem ersten Teil wieder zu finden, aber da kam nichts mehr. Die Handlung verlor sich auch immer mehr in den Gewaltszenen.

  • Ich liebäugele schon lange mit 1974. Bisher hat mich der Seriencharakter aber abgehalten ... Jetzt habe ich Deine Rezi dazu gelesen und es scheint wirklich ein Buch zu sein, was in mein Beuteschema passt ...
    Jetzt eine Frage dazu: Macht es überhaupt Sinn, 1974 zu lesen, wenn man eh nicht vorhat, die Nachfolger hinterher zu schieben? Ist das Buch weitestgehend in sich abgeschlossen, oder hängt man als Leser am Ende in der Luft, wenn man die Folgebände nicht liest?

  • 1974 zahlt sich für sich allein aus. Die Abgeschlossenheit fällt mir momentan etwas schwer zu beurteilen, weil ich das genaue Ende von 1974 nicht mehr präsent habe. Das Buch hatte jedenfalls einen eigenen Showdown, ich hatte soweit ich mich erinnern kann keine offenen Fragen.

  • Eigentlich mag ich ja Krimis der härteren Gangart.
    Aber schon 1974 hatte eine brutal-primitive Art an sich, die mich abgestoßen hat.


    Wenn jetzt von einem, dem der erste Teil zugesagt hat, eine solche Rezi zum Nachfolger kommt, dann wird David Peace endgültig einer jener Autoren sein, deren Bücher ich nicht mal mehr mit der Kneifzange anfasse :gruebel

    Nichts ist schöner als ein Buch in der Hand, ein Glas Rotwein neben sich und schnurrende Katzen auf dem Bauch zu haben. (Elke Heidenreich)

  • Das Reizvolle an "1974" war für mich der ungewöhnliche Stil, weniger die Handlung selbst. Ob ich das Buch mochte kann ich garnicht genau sagen, es war auf jeden Fall eine hochinteressante Lese-Erfahrung. Ich will noch warten, bis die Reihe komplett ist und dann mal sehen wie weit ich komme. Wobei die Rezi mich dann doch eher abschreckt. Schauen wir mal..... :gruebel

  • Also mich hatte 1974 nicht vollkommen überzeugt und deswegen habe ich mit 1977 noch etwas gewartet. Ich bin zwar jetzt erst zur Hälfte durch, weil ich in letzter Zeit kaum zum lesen komme, aber die Hälfte hat mir bir jetzt besser gefallen als der gesamte erste Roman.

  • Dieses Buch wird, anders als 1974, aus der Sicht von zwei Personen erzählt, die beide bereits in 1974 eingeführt wurden: Detective Sergeant Bob Fraser und "Gerichtsreporter des Jahres" Jack Whitehead (oder wie Eddie Dunford immer so liebevoll meinte: Scheiss Jack Whitehead). Angefangen mit Fraser, wird durchgängig in jedem Kapitel der Erzähler gewechselt. Sehr interessant fand ich dabei, dass beide Figuren doch aus ihrer eigenen Perspektive sehr viel anders wirken, als aus der Sicht von Eddie Dunford im ersten Teil. Fraser ist bei weitem nicht der "Gute Bulle" für den man ihn vielleicht gehalten haben mag. Hält er selbst sich zwar anfangs noch zurück bei den unlauteren Verhörmethoden und der illegalen Polizeigewalt, so duldet und erträgt er sie jedoch ohne Murren und zeigt im weiteren Verlauf des Buches, dass auch unter seiner scheinbar so ruhigen Oberfläche die Gewaltbereitschaft lauert.


    Jack Whitehead macht auch nicht den Eindruck des selbstgerechten eitlen Arschlochs, den Eddie (natürlich durch persönliche Verbitterung und Neid stark subjektiv eingefärbt) von ihm hatte. Im Gegenteil, seine Gedanken kreisen immer wieder mitleidig um den ehemaligen Neuling. Leider erfährt man auch hier nicht wirklich viel mehr dazu, was denn nun aus Eddie wurde. Aber es gibt ja noch zwei weitere Bücher *Hoffnung nicht aufgeb*. Der ehemalige Gerichtsreporter des Jahres ist inzwischen ganz schön heruntergekommen und hat offenbar seit längerem (einem mysteriösen Exorzisten-Fall bei dem scheinbar die Frau getötet wurde die er liebte, man erfährt nur bruchstückhaft und unvollständig von diesen Ereignissen) nicht mehr für die Yorkshire Post gearbeitet. Doch der Fall eines perversen Serienmörders ruft ihn wieder auf den Plan und da er gute Beziehungen zur örtlichen Polizei hat, will sein Chef Bill Hadden, dass Jack sich darum kümmert. Whitehead ist auch derjenige, der dem Mörder den Spitznamen gibt, den dieser schließlich auch selbst verwendet: Der Yorkshire-Ripper!


    In Leeds und Umgebung geht ein Serienmörder um, der Prostituierte grausam umbringt und übel zurichtet. Bei den Ermittlungen stoßen der Polizist Robert Fraser und der Reporter Jack Whitehead unabhängig voneinander immer wieder auf Ungereimtheiten die ein merkwürdiges Bild auf die Morde werfen. Sind alle Opfer von ein und dem selben Täter? Wurde nachträglich Beweismaterial manipuliert? Was wissen Vorgesetzte und Polizeiobere, was verschleiert werden soll?
    Fraser, verheiratet und Vater eines kleinen Sohnes, hat eine Geliebte aus dem Milleu um deren Sicherheit er fürchtet, denn diese Frau bedeutet ihm mehr als seine Familie oder seine Karriere. Allein der Gedanke sie eines Tages an einem Tatort vorzufinden raubt ihm den Schlaf und lässt ihn die Gegenwart seiner Ehefrau meiden, die täglich am Krankenbett ihres sterbenden Vaters sitzt.
    Der Reporter Jack Whitehead trinkt gerne mal etwas mehr um seltsamen Visionen von toten Frauen zu entkommen, die ihn ständig verfolgen. Eine davon nennt er Carol, sie scheint eine ehemalige Geliebte zu sein die ermordet wurde, doch wer sind die anderen? Verliert Jack schön langsam den Verstand? Bei Interviews mit einigen Überlebenden von Ripper-Angriffen, lernt er die asiatische Prostituierte Ka Su Peng kennen und erkennt in ihr einen Menschen, der mindestens so einsam ist, wie er selbst.
    Ermittlungsergebnisse und Privatleben vermischen sich miteinander und geben ein ebenso dunkles und trauriges wie atmosphärisches Bild wieder, wie schon der erste Teil der Reihe.


    Im Großen und Ganzen scheint dieses Buch, von gelegentlichen Anspielungen abgesehen, nicht allzuviel mit seinem Vorgänger zu verbinden, man kann es ohne Verständnisprobleme auch als erstes der Reihe lesen. Die Lösung der Fälle allerdings, darf man sich erst in den nächsten Bänden erhoffen, denn der Mörder wird dem Leser hier logischerweise noch nicht präsentiert. Aber ich finde gerade dieses feine Spinnennetz, das die Bücher untereinander und miteinander verwebt so interessant. Auch in den beiden folgenden Teilen werden Figuren, die bisher am Rande erwähnt wurden oder auftraten schließlich den Erzählstrang übernehmen und wie die olympische Fackel weitertragen. Ich hoffe sehr, dass sich am Ende aus allen 4 Büchern ein großes Gesamtbild für den Leser ergibt, dass auch Sinn macht und nicht ebenso ratlos zurücklässt wie das Ende dieses Bandes (zumindest das aus Whiteheads Sicht).


    Ich habe das Buch sehr gerne gelesen, wenn es auch ziemlich hart ist und man dazwischen manchmal einfach was anderes zur Auflockerung braucht, aber es hat mich ganz einfach gefesselt. Man hat förmlich das Gefühl selbst in diesem Sumpf von Gewalt und Korruption zu versinken. Hat mich die übermäßige Gewaltdarstellung (vor allem die durch Polizisten ausgeführte) im ersten Teil noch erschreckt, so bin ich bei diesem Band bereits relativ abgestumpft dagegen. Ist schon erschreckend, wie schnell man sich daran gewöhnt. Mag aber auch daran liegen, dass ich die Bücher unmittelbar nacheinander gelesen habe. Allein das Ende war ein wenig seltsam und der Hang beider Erzähler zu "Visionen" (zum Teil von Dingen die sie zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht wissen konnten), war stellenweise doch recht verwirrend.


    Der Autor klärt in einem Mini-Nachwort noch darüber auf, dass einige der geschilderten Morde auf tatsächlichen Fällen beruhen. Nämlich auf den Morden des echten Yorkshire-Killers Peter William Sutcliffe (Wikipedia-Artikel).
    Es werden im Buch häufiger Dinge am Rande erwähnt, die man als Deutscher vermutlich nicht auf Anhieb zuordnen kann, am Anfang dachte ich noch, es würde sich um Fälle handeln, die es im Buch gab und die vielleicht mal irgendwann noch eine Rolle spielen werden, aber meist ging es da nur um die aktuelle Zeitgeschichte in England: Bombenangriffe der IRA, andere Serienmörder oder "normale" Kriminelle, etc. War aber auf jeden Fall interessant, nebenher etwas zu recherchieren. Denn ich muss ehrlich zugeben, dass ich über England in diesem Zeitraum (Mitte der 70er bis Anfang der 80er) so ziemlich gar nichts weiß.


    Zum Titel der Reihe, "Red Riding" sei noch angemerkt, dass es sich um eine Anspielung sowohl auf die ehemalige Aufteilung Yorkshires in die drei sogenanten Ridings (North-, East- und West-Riding) als auch auf den englischen Titel des Märchens Rotkäppchen (Red Riding Hood) handelt.


    Vermutlich habe ich bereits viel zu viel geschrieben und könnte doch noch so viel hinzufügen, daran merkt man wie sehr mich das Buch beschäftigt hat. Natürlich habe ich gleich im Anschluss mit dem dritten Band begonnen in dem man den ehemaligen internen Ermittler Peter Hunter bei der Ripper-Jagd begleitet...


    8 von 10 Punkten.


    Edit: Rechtschreibung

    „Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass. Hass führt zu unsäglichem Leid.“

    - Meister Yoda

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