Saxnot stirbt nie - Robert Gordian

  • „Grüße und Heil dem lieben Volbertus, Prior im Kloster N., von seinem treuen Vetter Lupus.
    Die Feder sträubt sich, Dir dieses Abenteuer zu schildern, das Odo und ich, die Kommissare des mächtigen Königs Karl, im Land der Sachsen erlebt haben.“


    Glücklicherweise sträubt sich Lupus’ Feder nicht wirklich und so kommen die LeserInnen in den Genuß des zweiten Abenteuers von Odo von Reims, dem tapfersten aller Ritter, und Lupus, dem Geistlichen und Juristen, der sich nicht minder tapfer der Verderbtheit der menschlichen Seelen entgegenstemmt.


    Dieses Mal geht es mitten hinein ins verrufene Sachsen. Lupus hofft vor allem, endlich Aufschluß über den Verbleib des Missionars Theofried zu erhalten, den er kannte und für dessen Glaubenseifer er schwärmt. Seine Schwärmerei war ja der eigentliche Anlaß dafür, daß sich Lupus vergaß, als König Karl die Aufgaben an die Kommissare verteilte, und er sich freiwillig für Sachsen meldete. Noch aber befinden sich die tapferen, wenn auch wegen des Wetters und der bis dato erbärmlichen Herbergen mißgelaunten Kommissare diesseits der Weser. Zu ihrer Laune trägt es nicht gerade bei, daß ihnen der Fährmann vor der Nase davonfährt.
    Zur Anlegestelle gehört aber auch eine Herberge, und die Frau des Fährmann erinnert Odo doch sehr an seine heißgeliebte Verlobte, Prinzessin Rotraut, Tochter König Karls. Zwar weiß Rotraut nichts von ihrem Glück und auch der König nicht, den Odo im Vorgriff auf spätere familiäre Beziehungen schon liebevoll ‚der Alte’ nennt, aber das tut Odos Überzeugung keinen Abbruch. Noch hemmt es seinen Hang zum weiblichen Geschlecht.
    Eine Gauklertruppe bringt Unruhe in die Herberge, und König Karls wackere Abgesandte müssen sich mit der Frage beschäftigen, ob die Gaukler Diebe sind. Sie erledigen ihre Aufgabe glanzvoll. Dadurch werden sie aber nur mit weiteren Rätseln konfrontiert. Die Gaukler erwähnen einen Priester namens Theofried, der sich allerdings eher im Zustand einer Reliquie zu befinden scheint.


    Von da an ist Odo und Lupus keine ruhige Minute mehr gegönnt. Kaum am anderen Ufer der Weser angelangt, finden sie ihr Empfangskomitee, den edlen Herrn Hatto, erwürgt unter einem Baum. Sein Mörder ist schon gefaßt, es ist Hattos Knecht Erk.
    Die Hintergründe der Tat aber führen tief in die Geschichte der konfliktreichen Beziehungen zwischen Sachsen und Karl dem Großen, zwischen Heiden und Christen. Lupus kann wahrlich die abgrundtiefe Verderbtheit menschlicher Seelen studieren und Odos Nase, deren Größe Lupus nie vergißt, hervorzuheben, hat am Ende doch richtig gewittert. Mistkäfer, wahrhaftig!


    Die Geschichte ist geradlinig erzählt, entsprechend der Zeit müssen Odo und Lupus allein aus dem, was sie aus Gesprächen mit allen, die sie treffen, erfahren, zusammenpfriemeln, was eigentlich passiert ist. Wie war das mit dem früheren Gauvorsteher Umm, der sich nicht hat taufen lassen und seither verbannt ist? Wie ehrlich ist Gozbert, ein alter Freund Odos? Was ist mit dem Priester Wig, dem Bruder Erks? Und wie paßt Nelda, die katzenäugige Schöne und Hattos Tochter, in die Geschichte?
    Daß nicht einmal ein gräfliches Gericht Sicherheit bietet, müssen Lupus und Odo am eigenen Leib erfahren. Hätte Saxnot, gewaltiger Eichbaum und Gott gleichermaßen, der sich in aller Pracht über dem Haus des Grafen Volz erhebt, nicht eingegriffen, hätte es böse ausgehen können für die Kommissare Karls. Oder war es doch Theofried, der aus dem Reliquienschrein winkte und ihnen half, nicht als Moorleiche zu enden?


    Das zweite Abenteuer von Lupus und Odo ist eine recht komplizierte Geschichte, sorgfältige Lektüre empfiehlt sich. Man kann wieder mitraten, der Autor macht es einem aber nicht leicht, dahinterzukommen, wie Vergangenheit (Aufstand gegen Karl und die nachfolgende Welle der (Zwangs)Bekehrungen) und Gegenwart (Sachsen als fränkische Kolonie) ineinanderspielen. Es geht um Betrug und Selbstbetrug. Glaube in unterschiedlichsten Ausprägungen, von dem an höherer Mächte bis zu dem an die eigenen Rechte sind das Thema.
    Aber kann jemand im Reich der Franken ein Großer werden, wenn er nur auf dem Pfad der Tugend wandelt?’ fragt Lupus gramvoll seinen Vetter Volbert. Nur um rasch hinzuzufügen (Diese Stelle zeige bitte nicht Deinem Abt!)


    Ein klassischer Krimi, die Spannung entsteht vor allem beim Sammeln der Hinweise, aus denen sich das die Lösung des Rätsels ergibt. Es ist witzig geschrieben, grenzt zuweilen ans Deftige, wobei der gute Geschmack stets gewahrt bleibt, schließlich spricht hier ein Geistlicher! Manche Szenen sind richtig packend, darunter der Auftritt der Gaukler. Die Figuren sind erstaunlich lebendig, ein Namensverzeichnis am Ende hilft, den Überblick zu bewahren. Odo und Lupus wachsen einem schnell ans Herz.
    Der historische Hintergrund ist unaufdringlich, aber sehr solide. Die Schilderungen sind nie belehrend, Gordian schafft eine, wenn auch zunächst fremdartig anmutende, eigene Realität.
    Zum echten ‚Cozy’ fehlt etwas Entscheidendes, die Liebesgeschichte. Am Ende gibt es tatsächlich ein Paar, aber es ist ein sehr überraschendes. Von daher gesehen, knüpfen die Krimis von Gordian an die ältere Krimi-Tradition an.


    Für die, die es ein wenig gemächlicher mögen, eine wirklich gute Empfehlung.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Eine sehr interessante Buchvorstellung; sie verführt wirklich zum Kauf. Oder wäre es besser mit dem ersten Buch dieser Serie zu beginnen? Wie lautet denn dessen Titel? :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Der erste ist Demetrias Rache
    scroll runter bis zu meinem Eindruck davon.


    Die erste und eigentliche Rezi ist ein wenig im Tanzmäusischen Überschwang untergegangen.
    :grin


    edit als PS.:


    beide Krimis haben mir ganz gut gefallen, es ist, wie gesagt, ein gemächliches Lesen.
    Offenbar sind aber nur die beiden ersten Bände als TB erschienen. Die Reihe stammt aus den 90ern, es waren gebundene Bücher, in schöner Aufmachnung. Ich habe die TBs antiquarisch gekauft. Die gebundenen sind auch antiquarisch ziemlich teuer. Deswegen ist erst mal Schluß.
    So lustig ich Odo und Lupus finde, bin ich doch nicht bereit, um die 20 Euronen für ihre Abenteuer auszugeben.


    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

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  • Danke dann mal für die Auskunft. :wave
    Und wieder ist Geld wäächh..... :-)

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Nach etlichen Jahren habe ich dieses Buch endlich aus dem SUB befreit - und bin angenehm überrascht worden von dem passend altertümlichen, jedoch sehr gut lesbaren Schreibstil.


    Gekauft hatte ich mir diesen Band, natürlich ohne zu ahnen, dass es sich um eine Reihe handelt, weil das Cover ja einen Ausschnitt einer Burne-Jones Malerei zeigt, und ich war vor 10 Jahren (und bin es noch) eine begeisterte Anhängerin der Präraffaeliten. Da war ich einfach anfällig und musste das Buch mitnehmen.


    Als ich dann noch feststellte, dass die Geschichte sich in einem mir sehr vertrauten Landstrich abspielt (wobei die örtliche Benennung genauer hätte sein dürfen; zwischen Weser und Aller ist ja doch ein ziemlich dehnbarer Begriff), war ich natürlich noch begeisterter bei der Sache.


    Alles in allem hatte ich also ein paar vergnügliche Lesestunden mit Lupus, dem Mönch in seiner etwas naiven Art, und Odo, dem Kerl für´s Auge.


    Keine Ahnung, ob ich mir den erste Teil noch zulegen soll. Es gibt ihn ja recht günstig zurzeit. Mal sehen...

    „An solchen Tagen legt man natürlich das Stück Torte auf die Sahneseite — neben den Teller.“