Das Leben ist ganz schön verwirrend, wenn man zwölf Jahre alt ist, aber in einem ist sich Mara sicher: in der Familie stimmt etwas nicht! Und Mama ist schuld daran. Sie wirkt verträumt, hört nicht mehr zu und vergißt sogar, Apfelpfannkuchen zu backen, obwohl sie es versprochen hat. Dafür ist Papa gereizt. Die ganze Stimmung ist flöten. Mucki, Maras Schwester, ist zu klein, als daß man ihr Sorgen anvertrauen könnte. Lizzy, die beste Freundin, könnte vielleicht Rat wissen, aber sie hat zwischen Mutter, Stiefmutter und Mutters neuem Mann genug eigene Sorgen. Von Fernando gar nicht erst anzufangen.
In der Schule nervt Sören, den Mara nur eklig findet. Und dann ist da die Sache mit Ilias, der so wunderschöne Augen hat, daß es Mara immer ganz anders wird, wenn er sie anschaut. Kann es sein, daß sie verliebt ist?
Ehe Mara diese Frage noch genauer bedenken kann, wird zuhause eines klar: Mama ist verliebt. Und zwar, nun kommt etwas, das Mara gar nicht fassen kann, in eine Frau!
Das sind die Grundkonstellationen für ein sehr gut erzähltes Mädchenbuch über ein etwas anderes Thema. Mamas neue Beziehung, Olga, wirbelt die Familie ganz schön durcheinander. Dabei steht die Liebe zwischen den beiden Frauen nicht im Vordergrund. Das Buch handelt von vielen unterschiedlichen Formen von Liebe. Die zwischen Schwestern, zwischen Eltern und Kindern, noch dazu in verschiedenen Generationen. zu Tieren, von Tieren, , zu gleichaltrigen Jungen, zur besten Freundin. Man sieht Liebe entstehen und wachsen, vom ersten Blick bis zum Sex, je nach Alter der Figuren. Die Bandbreite ist beträchtlich.
Dölling zeigt aber auch die Kehrseite, Abneigung, Eifersucht, Ablehnung.
Mara reagiert sehr heftig auf Olga und ihren ‚Einbruch’ ins Familienleben. Ihr Wut und Eifersucht führt sie bis zum Diebstahl, der ihr dann schwer auf dem Gewissen lastet.
Eine ähnliche Entwicklung macht Lizzy durch, die lernen muß, mit ihrer Stiefmutter, die sie nur ‚Bolle’ nennt, und zunächst konsequent siezt (!), auszukommen.
Die Sprache ist ‚typisch Dölling’, frech, pointiert, gelegentlich deftig. Sören z.B., rühmt sich einer Popel-Sammlung.
Die rasch wechselnden Stimmungen vor allem Maras sind punktgenau wiedergegeben. Die Reaktionen und Denkweisen aller Beteiligten sind scharf beobachtet und mit wenigen Worten stimmig umgesetzt. Ein wenig störend ist nur der Schluß, er ist sanft rosa gefärbt. So mutig die Entscheidung der Autorin ist, die Familie sozusagen zur Großfamilie zu machen, in der Olga als Mamas Geliebte eben auch einen Anteil hat, überzeugt er nicht ganz. Es fehlt z.B. ein wie immer gearteter Hinweis darauf, ob sich eigentlich in Mamas Umgebung außerhalb der Familie Störungen zeigen, weil sie nun als Familienmutter eine Geliebte hat. Oder ob Olga wirklich bereit zu diesem letztlich offenen Verhältnis ist.
Die Konstruktion ist auch vor allem deswegen möglich, weil sich das im Bereich der freien Berufe abspielt, unter Schriftstellerinnen (Mama), Designern (Papa), Journalistinnen (Olga). Hier wird doch Zuflucht in einem gewissen Freiraum genommen. Am Ende keimt in einem doch die leise Frage, was in einem solchen Fall passierte, wenn die Familienmutter Verkäuferin ist und die Geliebte einen Friseursalon hat.
Das sind aber Fragen von erwachsenen Leserinnen und Lesern, nicht die des jungen Zielpublikums. Und das ist mit diesem Buch ausgezeichnet bedient. Wer etwas über die vielen Schattierungen der Liebe lesen will, mit ihren vertrackten Problemen und verrückten Entwicklungen, die frage bei Dölling nach. Unbedingt.