Verlag: Suhrkamp, 2008 erschienen
Gebundene Ausgabe: 400 Seiten
Briefwechsel
Mit den Briefwechseln zwischen Paul Celan und Max Frisch sowie zwischen Ingeborg Bachmann und Gisèle Celan-Lestrange
Herausgegeben und kommentiert von Bertrand Badiou, Hans Höller, Andrea Stoll und Barbara Wiedemann
Über die Herausgeber:
Barbara Wiedemann, Dr. phil., Literaturwissenschaftlerin, Lehrtätigkeit an der Universität Tübingen, Herausgeberin von Werken und Briefen Paul Celans.
Bertrand Badiou, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der École normale supérieure (Paris), Herausgeber von Werken und Briefen Paul Celans in Deutschland und in Frankreich, betreut zusammen mit Eric Celan den Nachlaß des Dichters.
Andrea Stoll, Dr. phil., arbeitet als Autorin und Dramaturgin für Verlage, Filmproduktionen und Fernsehsender. Veröffentlichte mehrere Bücher und zahlreiche Aufsätze zu Ingeborg Bachmann, eine Biographie für den Insel Verlag ist in Vorbereitung. </P< div>
Hans Höller, Dr. phil., Professor für Germanistik an der Universität Salzburg, Verfasser zahlreicher Bücher zur zeitgenössischen Literatur, Mitherausgeber der Thomas-Bernhard-Werkausgabe und der Jean-Améry-Ausgabe.
Kurzbeschreibung:
»Laß uns die Worte finden.«
»Du warst, als ich dir begegnete, beides für mich: das Sinnliche und das Geistige.« Paul Celan an Ingeborg Bachmann
Die Liebesbeziehung zwischen den beiden bedeutendsten deutschsprachigen Dichtern nach 1945 beginnt im Wien der Nachkriegszeit. Bachmann studiert dort Philosophie, für Paul Celan ist Wien eine Zwischenstation. Im Mai 1948 lernen sie einander kennen, Ende Juni geht er nach Paris. Ihr Briefwechsel nach der Trennung ist zuerst schütter, verläuft zögernd, dann setzt er sich fort in immer neuen dramatischen Phasen. Jede dieser Phasen hat ihr eigenes Gesicht: ihren besonderen Ton, ihre Themen, ihre Hoffnungen, ihre Dynamik, ihre eigene Form des Schweigens. Ende 1961 brechen das briefliche Gespräch und die persönlichen Begegnungen ab, als sich Celans psychische Krise auf dem Höhepunkt der >Goll-Affäre< zuspitzt.
Der Briefwechsel zwischen 1948 und 1961 (ein letzter Brief Celans datiert aus dem Juni 1967) ist ein bewegendes Zeugnis: zunächst als das Gespräch einer Liebe nach Auschwitz mit allen symptomatischen Störungen und Krisen aufgrund der so konträren Herkunft der beiden und ihrer schwer zu vereinbarenden Lebensentwürfe als Frau und als Mann und als Schreibende. Aber es ist auch ein Ringen um Freundschaft oder um wenigstens irgendeine Beziehung. Ergänzend zu den beinahe zweihundert Zeugnissen ihrer Korrespondenz wurden die Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann und Gisèle Celan-Lestrange sowie zwischen Paul Celan und Max Frisch in den Band aufgenommen
Über die Autoren:
Ingeborg Bachmann, geboren 1926 in Klagenfurt, zählt zu den bedeutendsten Schriftstellerinnen der deutschsprachigen Nachkriegsgeneration. Ihr Werk umfaßt Romane, Kurzprosa und Lyrik, aber auch Übersetzungen aus dem Italienischen. 1964 wurde ihr der Georg-Büchner-Preis verliehen. Sie starb 1973 in Rom.
Paul Celan, geboren 1920 in Czernowitz in der Bukowina, entkam durch Flucht dem Holocaust und lebte seit 1948 in Paris. 1960 erhielt er den Georg-Büchner-Preis für sein lyrisches Werk und seine meisterhaften Übersetzungen.1970 wählte er den Freitod.
Rezension:
Zwischen Paul Celan und Ingeborg Bachmann gab es eine kurze Liebesbeziehung und so sind diese Briefe zum Teil Liebesbriefe, später (nach 1951) mehr Briefe zwischen Freunden, aber größtenteils und im Mittelpunkt steht das dichterische Werk, mehr das von dem 6 Jahre älteren Paul Celan, das von Ingeborg Bachmann hochgeschätzt wird. Doch 1948 ist Paul Celan noch unbekannt, sein erster Gedichtband erscheint in diesem Jahr, die Todesfuge ist schon geschrieben.
Paul Celan, der Dichter der Todesfuge, und Ingeborg Bachmann, die 1971 Malina schrieb sind so unterschiedliche Autoren.
Dieser wundervoll zu lesende Briefwechsel beginnt 1948 mit dem Ingeborg gewidmeten Gedicht In Ägypten von Paul Celan.
Auch andere Autoren werden von Paul und Ingeborg erwähnt: Heimito von Doderer, Heide Spiel, Hans Magnus Enzensberger, Peter Huchel, Günter Grass, Martin Walser, Eich, Walter Jens, Erich Fried, und dann wird sogar über eine Einladung zur Gruppe 47 geschrieben. Eine Postkarte mit der Einladung von Hans Werner Richter ist abgedruckt. Wie ein alter Profi berät Ingeborg Paul bei der Auswahl des zu lesenden Textes, gibt Ratschläge zur Länge der Lesung und viele organisatorische Tipps, bis hin zur Reiseroute. Doch bekanntermaßen vertrugen sich Paul Celan und die Gruppe 47 nicht sehr gut.
Lange ist es nur Ingeborg, die schreibt und Paul um Briefe und Gedichte bittet. Und tatsächlich kommen Gedichte von Paul Celan, die berühren, wie „Allerseelen“, „Ein Tag und noch einer“ oder „Eine Hand“.
Ein Gedicht beginnt titelgebend für dieses Buch:
Herzzeit, es stehn
die Geträumten für
die Mitternachtsziffer
oder
In Mundhöhe, fühlbar:
Finstergewächs.
…
Paul Celan ist wirklich nicht einfach zu verstehen, doch dieses Buch schafft es, den Dichter näher zu bringen.
Und immer wieder widmen sich die beiden Autoren gegenseitig ihre Bücher.
Max Frisch, der spätere Lebenspartner von Ingeborg spielt auch eine Rolle.
Es gibt Szenen, die nicht ohne Witz sind, z.B. wenn Paul Celan wegen einer schlechten Kritik tödlich beleidigt ist und sich nicht von Max Frisch in Schutz genommen sieht, kündigt er nahezu die Freundschaft auf und bittet, dass Ingeborg ihm keine Briefe mehr schreibt.
Doch schon 5 Tage später, bittet er sie: bitte schreib!
Und wenig später stehen sie wieder gemeinsam auf einer Linie, als der Bremer Senat Günter Grass den Bremer Literaturpreis wieder aberkennt, der bekannte Skandal 1960. Beide schreiben sie heftige Protestbriefe an den Bremer Senat.
Es folgen als Ergänzung noch die kürzeren Briefwechsel Paul Celan mit Max Frisch und Ingeborg Bachmann mit Gisele Celane-Lestrange, die beide die Beziehung von Paul und Ingeborg zusätzlich reflektieren.
Das Buch ist ausführlich und intelligent kommentiert, aber ich habe die Kommentare nicht so stark gebraucht, da der Briefwechsel für sich selber steht.
Dieses Buch zu lesen ist beglückend. Schön, dass es diesen Briefwechsel jetzt gibt.