"Ich, Adrian Mayfield" von Floortje Zwigtman (ab 14)

  • Autorin


    Floortje Zwigtman wurde 1974 in Terneuzen in den Niederlanden geboren. Schon als Kind schrieb sie Geschichten. Sie arbeitete einige Jahre als Lehrerin und ist heute als freie Schriftstellerin und Lektorin tätig. Floortje Zwigtman gilt als eine der herausragendsten und eigenwilligsten Stimmen der niederländischen Jugendliteratur.


    Inhalt


    Als der sechzehnjährige Adrian Mayfield von Herrenausstatter Victor Procopius gekündigt wird und auf der Straße landet ist er zunächst einmal überglücklich. Endlich hat er seine Freiheit und seinen Stolz wieder und muss für niemanden mehr arbeiten! Doch schon einige Zeit später wird ihm klar, dass man Stolz nicht essen kann. Er entschließt sich nach langem Überlegen zu Augustus Trops zu gehen. Dieser Herr war vor kurzem Kunde in Procopius' Laden gewesen und Adrian hatte ihn betreut. Als er an seinem Hosenbund herumbastelte, um den optimalen Sitz zu sichern, führte Trops Hand Adrians Hand in seine Hose und sagte, er solle ihn dort mal „etwas kräftig kitzeln“. Empört schubste er ihn von sich weg, doch Trops verkraftete die Abfuhr schnell und hinterließ ihm seine Visitenkarte.
    Als Adrian Mayfield nun bei Trops ankam, war dieser sehr überrascht, aber auch erfreut. Da Augustus Trops ein Maler war, sollte Adrian auch gleich Modell sitzen und das auch noch für einen guten Lohn. Adrian war zufrieden und vergaß für eine Zeit was zwischen ihm und Trops im Laden geschehen war. Doch eines Abends als er wieder den Lohn fürs Modellsitzen bekam, zog Trops noch viel mehr Geld aus seinem Portmonee und sagte, das würde er kriegen, wenn er diese Nacht bei ihm im Bett verbringen würde. Nach langem Zögern war Adrian einverstanden, denn er konnte das Geld gut gebrauchen.
    Ein paar tage später nahm Trops ihn mit zu einem befreundeten Künstler, der ihn auch sogleich als Modell für sein neuestes Gemälde haben wollte. Adrian war überrascht, zögerte aber keine Sekunde für Vincent Farley Modell zu sein.
    Über Trops lernt Adrian später auch noch dessen Freunde des „Purpurnen Hofstaat“, einen „Club“ aus Dichtern, Künstlern und Schriftstellern, kennen. Er ist begeistert zu so einem Kreis Zugang zu haben. Doch der Sommer naht und im Sommer verreist halb London, auch Adrians neue Freunde. Und so ist er wieder allein und ohne Arbeit. Doch als er einem Jungen bei einer Prügelei das Leben rettet, steckt der ihm einen Zettel mit einer Adresse zu. An dieser Adresse schaut er dann vorbei und ist geschockt was er da sieht: Ein mit Vorhängen verdunkelter Raum in dem Jungen auf Männer treffen und zusammen in einzelne Räume gehen. Adrian Mayfield schwört sich dort nie wieder hinzugehen. Doch als er sein Magenknurren nicht mehr ignorieren kann sieht er ein, dass er unbedingt Arbeit braucht. Aber ist DAS seine letzte Rettung?


    Meinung


    Dieses Buch hat mir sehr gefallen, da es mal ein ganz anderes Thema aufgreift. Außerdem kann man mit dem sechzehnjährige Adrian Mayfield genau mitfühlen und überlegt wie man selbst entscheiden würde an einem der vielen kritischen Punkte im Buch. Gut finde ich auch, dass die alle Person richtig real wirken, da keiner perfekt ist und auch die Nebencharaktere detailreich beschrieben sind.
    Doch eine Sache hat mir überhaupt nicht gefallen. Und das waren die ewigen Träume oder Gespräche, die in meinen Augen relativ unwichtig waren und trotzdem im allerkleinsten Detail beschrieben wurden.


    Fazit: Ein sehr schönes Buch für die ruhigeren Gemüter.

  • "Ich, Adrian Mayfield" ist ein Jugendbuch, aber auch für jeden Erwachsenen ein tolles Leseerlebnis.


    Der sechzehnjährige Adrian Mayfield ist ein Junge aus dem Londoner Osten, der schon mit vierzehn Jahren die Schule verlassen musste, um zu arbeiten. Der Vater ist Schauspieler und Alkoholiker und oft arbeitslos, daher möchte die Mutter, dass wenigstens Adrian eine gute Anstellung hat und ein geregeltes Leben führt.


    Adrian ist aber ein zu unruhiger und wacher Geist, um sein Leben lang als braver Ladendiener oder Bürogehilfe zu kuschen. Als er infolge einer fröhlich-alkoholischen Partynacht seine Arbeitsstelle in Herrn Procopius Herrenmodepalais verliert, ist er nicht wirklich unglücklich. Eine seriöse Anstellung zu erhalten ist ohne Empfehlungszeugnis aber fast unmöglich. Den Maler Augustus Trops hatte Adrian während seiner Arbeit im Herrenmodepalais kennengelernt, dieser hatte ihm Avancen gemacht, die er natürlich abgelehnt hat.
    Ohne einen Penny in der Tasche, ohne zu wissen, wo er übernachten kann und wie er seine nächste Mahlzeit bezahlen soll, landet Adrian schließlich doch bei Augustus Trops, über diesen findet er einen Job als Maler-Modell und lernt interessante Künstler und Menschen kennen, darunter auch Oscar Wilde und seine Freunde.


    Adrian ist auf den Straßen von Soho des Öfteren einem hübschen italienischen Akrobaten begegnet, der ihm gefiel. Adrian geht einer guten Prügelei nicht aus dem Weg, wenn es sein muss, er kann sie alle unter den Tisch saufen, dann kann er doch nicht "so" sein?


    Adrian erzählt uns seine Geschichte selbst, er ist intelligent, pragmatisch, pfiffig und witzig, und man muss ihn einfach mögen.


    Wir sehen die Handlung durch Adrians Augen gefiltert, Adrian ist zwar nicht gebildet, aber auch bei weitem nicht dumm. Als Leser kann man das Buch auf mehreren Ebenen erleben, verfolgen, was vordergründig in der Handlung geschieht, was Adrian sieht und erlebt und aus seiner Sicht darstellt, aber die Autorin versteht es, dem Leser gleichzeitig viel mehr Informationen zu geben, die Adrian selbst noch nicht einordnen kann.


    Bücher erzeugen Kino im Kopf. Beim Lesen von "Adrian Mayfield" ist auch eine Kunstgalerie an mir vorbeigezogen. Als Teenager hatte ich meine "Art Noveau/Jugendstil" und "Art Déco" "Phase". Ich hatte Poster mit Modezeichnungen von Georges Lepape, Bilder von Gustav Klimt und Alphons Mucha an den Wänden, fand die Karikaturen und Illustrationen von Aubrey Beardsley faszinierend, habe Bücher von Oscar Wilde und Biografien über Wilde und Beardsley gelesen. Aus Museen kenne ich die Präraffaeliten und großformatige Bilder mit biblisch / orientalischen Themen der Zeit, wie ich mir auch Vincents Bild vorstellen könnte. Mit diesem Hintergrund fügte sich die Illustration zu "Adrian Mayfield" perfekt zusammen.


    Aber auch wenn der Leser diese Kunst nicht kennt, hat die Autorin die künstlerische Atmosphäre hervorragend dargestellt. Ein faszinierender Aspekt der Geschichte waren für mich auch die eingestreuten Gedanken "Was ist Kunst? Was unterscheidet einen mittelmäßigen von einem hervorragenden Künstler?" Oscar Wilde erzählt im Café seinen Freunden eine Geschichte, "Was unterscheidet einen Künstler, der nicht raucht, von einem Künstler, der "raucht" und die wunderbarsten Farben auf die Leinwand bringt", dabei geht es natürlich nicht wirklich um das "Rauchen", sondern um die Vorstellungskraft und Originalität eines Künstlers.


    Die Handlung von "Ich, Adrian Mayfield" ist abgeschlossen, es gibt aber noch einige lose Enden und mögliche Verbindungen zu Entwicklungen, die aus der historischen Realität bekannt sind, so dass ich sehr stark hoffe, dass wir Adrian bald in einer Fortsetzung wieder begegnen werden.

  • Zitat

    Original von bartimaeus
    Dieses Buch wird auch bei mir bald auf dem SUB landen :-]


    Uta
    Auf niederländisch gibt es schon eine Fortsetzung: "TEGENSPEL"
    Insgesamt soll es anscheinend eine Trilogie werden.


    Danke für die Info, bartimaeus! :wave
    Die 508 Seiten habe ich an einem Tag gelesen.


    Also bitte alle fleißig das Buch kaufen und lesen, damit der Gerstenberg Verlag bald die Fortsetzung herausbringt. :-)


    "Wolfsrudel" von Floortje Zwigtman habe ich mir auch schon bestellt.

  • Zitat

    Original von Uta
    Also bitte alle fleißig das Buch kaufen und lesen, damit der Gerstenberg Verlag bald die Fortsetzung herausbringt. :-)


    Ist ja gut, habe es eh gemerkzettelt pflichtschuldigerweise. Klingt aber wirklich nicht uninteressant. Hübsche Rezension, Uta! Vor allem durch die Kunstbezüge. Bin da zwar vollkommen unbeleckt, klingt aber aber interessant.
    Wobei mir einfällt, daß ich dringend auch mal was von Oscar Wilde lesen sollte.

  • Bin bald fertig. Zum Buch, wenn es beendet ist.


    Aber ich habe mir, vom Buch inspiriert, den Film gekauft, weil ich ihn endlich mal wieder sehen wollte. Mal abgesehen davon, daß es ein großartiger Film ist, bin ich da über einige aus "Adrian" bekannte Namen gestolpert, von Wilde und Douglas natürlich abgesehen: Robbie Ross und, was mich überrascht hat, Alfred Taylor und Charles Parker. Schau an. Dann hat die Autorin die offenbar nicht erfunden.
    Peinlich, daß ich mich an Robbie aus dem Film überhaupt nicht erinnern konnte.

  • Fertig! Das Buch hat mir ausgesprochen gut gefallen. Hat sich komplett von selbst gelesen, war dabei ein reines Vergnügen, interessant und schön geschrieben. Adrian Mayfield ist ein sehr sympathischer junger Held (oder, Anti-), der mir sehr ans Herz gewachsen ist und dem man schon sehr wünscht, daß es ihm gelingt, die Halbwelt verlassen zu können.
    Ich würde, im Gegensatz zu würmchen, an diesem Buch keine Zeile ändern.
    Träume sind mir nicht viele aufgefallen, aber gerade die Gespräche des purpurnen Hofstaats fand ich besonders interessant - nicht zuletzt wenn der arme Adrian von diesen Intellektuellen in die Mangel genommen wurde.


    Was dieses Buch zum Jugendbuch macht, außer daß es einen jugendlichen Hauptkontrahenten hat, verstehe ich immer noch nicht wirklich. Kann mich jemand aufklären? Aber das ist wohl auch eine Frage der Definition. Die klugen Menschen, die die Autorin zu Recht mit (Jugendliteratur-)Preisen ausgezeichnet haben für dieses Buch, werden schon wissen, was sie tun.


    Sehr abgeschlossen finde ich es eigentlich nicht. Das Ende ist wunderbar, aber doch sehr offen. Von daher begrüße ich, daß Adrians Geschichte fortgesetzt werden soll.


    Nun fülle ich, inspiriert von Zwigtman, eine klaffende Bildungslücke und lese endlich meinen ersten Wilde, "The picture of Dorian Gray".

  • Zitat

    Sehr abgeschlossen finde ich es eigentlich nicht. Das Ende ist wunderbar, aber doch sehr offen. Von daher begrüße ich, daß Adrians Geschichte fortgesetzt werden soll.


    SEHR abgeschlossen fand ich es auch nicht, aber es hätte zumindest ein Ende. Du wusstest beim Lesen jetzt ja auch schon, dass es eine Trilogie werden soll. :-]


    Zitat

    Nun fülle ich, inspiriert von Zwigtman, eine klaffende Bildungslücke und lese endlich meinen ersten Wilde, "The picture of Dorian Gray".


    "The picture of Dorian Gray" nochmal zu lesen hatte ich eigentlich spontan auch vor, wollte aber Oscar Wilde nicht überstrapazieren. Allmählich könnte ich aber auch beginnen. :wave

  • Zitat

    Original von Uta
    SEHR abgeschlossen fand ich es auch nicht, aber es hätte zumindest ein Ende. Du wusstest beim Lesen jetzt ja auch schon, dass es eine Trilogie werden soll. :-]


    Weniger das, sondern weil schon recht deutliche Andeutungen auf Oscars Verhängnis gemacht wurden. Und ich vermute mal stark, daß Adrian davon mitgezogen werden könnte.


    Aber, stimmt schon, das Ende könnte so stehenbleiben. Schön genug ist es bei aller Offenheit.


    Doch umso schöner, wenn es nicht ganz so offen bleibt.


    Zitat

    "The picture of Dorian Gray" nochmal zu lesen hatte ich eigentlich spontan auch vor, wollte aber Oscar Wilde nicht überstrapazieren. Allmählich könnte ich aber auch beginnen. :wave


    *lock*

  • So, ich hab es jetzt endlich auch gelesen. :-]


    Das Buch hat mir sehr gut gefallen und ich hab jetzt irgendwie Lust, gleich mehr über die auftretenden Figuren zu lesen. Entweder über Oscar Wilde oder die Biographie von Lord Alfred Douglas, die ich noch im RUB habe.


    Ich weiss gar nicht, ob ich unbedingt noch eine Fortsetzung brauche. Ok, die Verurteilung Oscar Wildes wäre noch ganz interessant. Was die Liebesgeschichte angeht, finde ich ja, dass oft...



    Zitat

    Orginal von Grisel
    Aber ich habe mir, vom Buch inspiriert, den Film gekauft, weil ich ihn endlich mal wieder sehen wollte. Mal abgesehen davon, daß es ein großartiger Film ist, bin ich da über einige aus "Adrian" bekannte Namen gestolpert, von Wilde und Douglas natürlich abgesehen: Robbie Ross und, was mich überrascht hat, Alfred Taylor und Charles Parker. Schau an. Dann hat die Autorin die offenbar nicht erfunden.


    Ich hatte bei einigen Szenen im Buch das Gefühl, dass ich die original so im Film gesehen habe. Zum Beispiel als sie erzählen, das sie versucht haben, Oscar Wilde mit einem seiner Liebesbriefe zu erpressen und er ihnen einen winzigen Betrag angeboten hat. Ich frag mich, ob die Autorin sich da vom Film inspirieren lassen hat, oder ob das Bestandteil irgendeiner Anekdotensammlung über Oscar Wilde ist. :gruebel
    .

  • Zitat

    Original von Delphin
    Ich frag mich, ob die Autorin sich da vom Film inspirieren lassen hat, oder ob das Bestandteil irgendeiner Anekdotensammlung über Oscar Wilde ist. :gruebel


    Vermutlich eher letzteres, denn der Film soll auf u.a. Buch beruhen, das ich fälschlicherweise für einen Roman gehalten habe, weil das dämlicherweise so auf meinem DVD-Cover steht. Aber lt. Amazon ist es eine Biographie. Also war die vielleicht auch eine der Quellen Zwigtmans.