"Ich, Adrian Mayfield" von Floortje Zwigtman (ab 14)

  • Rezension:
    Dieses Buch erzählt die Lebensgeschichte des jungen Adrian Mayfield, der im viktorianischen London 1884 aufwächst und sich mehr oder weniger allein durchs Leben schlagen muss. Nachdem er bei seinem bisherigen Arbeitgeber gefeuert wurde, landet Adrian auf der Straße, wo er sich zunächst mit "Modellsitzen" über Wasser hält. Bald schon aber bemerkt er, dass sein verdientes Geld nicht zum Leben reicht und er beginnt sich zu prostituieren.


    "Ich, Adrian Mayfield" ist ein Buch über Freundschaft, Liebe, Ansehen und Vertrauen. Floortjie Zwigtman beschreibt wunderbar das Leben zu dieser Zeit und scheut sich auch nicht bei pikanten Szenen ihre natürliche Wortwahl beizubehalten. Es war interessant und unterhaltsam, doch leider für meinen Geschmack nicht fesselnd oder gar brisant.

  • Meine Meinung:


    Manche Bücher hinterlassen bei mir ein absolutes "Wow"-Gefühl. "Ich, Adrian Mayfield" ist genau so ein Buch. Adrian erzählt in der Ich-Perspektive über sein Leben im London des Fin de Siècle, man erlebt mit seinen Augen wie er sich einerseits in Armut durchschlagen muss,andererseits die Gesellschaft reicher und bedeutender Männer, die in ihrem dekadenten Lebensstil vollkommen aufgehen, genießt.


    Man ist sofort drin im Geschehen: Adrian verliert nach einer Prügelei seine Anstellung in einem Herrenmodepalais und muss fortan sehen wie er sich durchschlägt. Er versucht es zunächst auf den Londoner Theaterbühnen, erfolglos, weil das negative Bild seines alkoholabhängigen Vaters ihm zu sehr anhängt. In seiner Verzweiflung und seinem Hunger wendet er sich an Augustus Trops,dessen Adresse er erhielt als selbiger als Kunde an seiner früheren Arbeitsstelle auftauchte. Trops ist Künstler und führt Adrian in den erlauchten Kreis der Künste ein. Adrian wird Modell-für Trops und seinen befreundeten Maler Vincent Farley, mit dem Adrian von Anfang an so was wie Freundschaft verbindet.


    Adrian muss jedoch schnell erkennen,dass die Künstlerkreise um Oscar Wilde auch nicht unbedingt das richtige für ihn sind. Als im August die High Society die Stadt verlässt, steht Adrian wieder vor dem alten Problem: Er braucht dringend Geld. Er landet in der Little College Street 13, einem Kreis aus männlichen Prostituierten.


    Es kostet Adrian viel Kraft und Stolz, aber er schafft rechtzeitig den Absprung aus dieser Szene und entscheidet für sich, nicht länger käuflich zu sein. Dies wirkt wie eine Versinnbildlichung des ganzen Buchs auf mich: immer wieder steht Adrian unter Druck,muss Entscheidungen treffen,denen er mit seinen 17 Jahren vielleicht noch gar nicht gewachsen ist, dazu immer die Gefahr entdeckt und für seine Liebe zu Männern für Jahre ins Gefängnis gesteckt zu werden. Dabei will Adrian eigentlich nur eins: jemanden,der ihn wirklich liebt.


    Doch der Weg dahin ist sehr lang und steinig. Als Leser leidet man mit Adrian mit, hofft immer wieder,dass der Zustand des Glücklichseins diesmal etwas länger anhält,bevor man wieder enttäuscht wird und sich neue Probleme auftun. Dabei benutzt die Autorin eine sehr fesselnde, poetische Sprache,die mich von der ersten Seite in ihren Bann gezogen und nicht mehr losgelassen hat.


    Auch die Charaktere sind alle liebevoll gezeichnet,mit Ecken und Kanten und Problemen, die sie sehr ehrlich und authentisch erscheinen ließen. Dazu kommt,dass viele historisch existierende Personen wie Oscar Wilde und Lord Alfred Douglas ebenfalls wichtige Rollen spielen, was auf mich einen großen Reiz ausgeübt hat.


    Zwar hat das Buch ein paar Längen, manche Sachen hätte man vielleicht etwas kürzer fassen können,insgesamt tut das dem Lesevergnügen aber absolut keinen Abbruch. "Ich, Adrian Mayfield" ist ein Buch, an das ich mit hohen Erwartungen herangegangen bin, zumal es in London spielt und Oscar Wilde drin vorkommt,was für mich alleine schon ein Grund ist, ein Buch zu kaufen. Glücklicherweise wurde ich nicht enttäuscht und freue mich nun schon auf die Fortsetzung "Adrian Mayfield- Versuch einer Liebe". 9 von 10 Punkte und für mich mein absolutes Monatshighlight.

  • Camero, ich kann deinen Post genau so unterschreiben! Besonders dieser Aspekt ist schuld, dass ich das Buch so sehr mag:

    Zitat

    Original von Camero
    Als Leser leidet man mit Adrian mit, hofft immer wieder,dass der Zustand des Glücklichseins diesmal etwas länger anhält,bevor man wieder enttäuscht wird und sich neue Probleme auftun.