Ihr könnt es nicht verstehen, aber im Angesicht von Maheo macht alles einen Sinn, und der Tag wird kommen, an dem ihr durchschauen werdet, warum ihr so große Schmerzen erleiden müsst. (Seite 473)
523 Seiten, Abbildungen, gebunden
Verlag: Schneekluth Verlag, München, 1998
ISBN-10: 3-7951-1434-9
ISBN-13: 978-3-7951-1434-3
Kurzinhalt / Klappentext
“Ich bin Biberfrau, die heilige Frau der Tsis-tsis-tas!“, rief sie über den See. „Der Große Geist hat mein Volk zum Leben erweckt! Ei-e-ya, dies ist ein guter Tag zum Leben!“
In einer Mischung aus Mythen und (historischer) Geschichte erzählt Biberfrau von ihrem Volk, das die Lakota „Shahiyena“ (= “Volk einer anderen Sprache“) nannten, und das uns unter dem Namen „Cheyenne“ bekannt ist. Von den mythischen Anfängen, als die Tsis-tsis-tas (= „Leute unserer Art“, wie sie sich selbst nennen) auf die Erde kamen bis hin zur Schlacht am Little Bighorn.
Aus der wirklichen Welt wandert sie hinüber in die zweite Welt des Volkes, die mythenreiche Traumwelt. Sie führt die Tsis-tsis-tas vom Land der Großen Wasser zum Gelben Fluß und auf die endlose Prärie, zieht mir den Kriegern gegen die Schlangen und die Krähen, begegnet den ersten Vorboten einer neuen Zivilisation und muß mit ansehen, wie die Uferleute in einem langen Krieg gegen die blassen Männer aufgerieben werden.
Über den Autor
Thomas Jeier wurde am 24. April 1947 in Minden/Westfalen geboren und wuchs in Frankfurt/Main auf. Bereits in seiner Jugend begann er, für Zeitschriften zu schreiben. Er absolvierte eine Buchhändlerlehre und wurde Chefredakteur einer Jugendzeitschrift. Manche kennen ihn vielleicht vom Radio - er hat rund zwanzig Jahre lang den „Country Club“ beim Bayerischen Rundfunk moderiert; eine Sendung, an die ich ausnehmend angenehme und gute Erinnerungen habe. Er lebt heute bei München sowie „on the road“ in den USA. Während seiner Amerikaaufenthalte hat er auch eine zeitlang bei den Cheyenne gelebt, an ihren Festen (Pow-wows) teilgenommen sowie ihren Geschichten und Erzählungen gelauscht. Als erstem deutschen Autor gelang es ihm, zwei Romane über den amerikanischen Westen in den USA zu plazieren. Er hat etliche Auszeichnungen bekommen, darunter den Friedrich-Gerstäcker-Preis für das beste Abenteuerbuch des Jahres und eine Auszeichnung der texanischen Regierung.
Seine weiteren Bücher findet man auf der verlinkten Verlagsübersicht sowie auf seiner Homepage.
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Historische Anmerkung
Im Buch wird die Geschichte des Volkes der Cheyenne erzählt, jedoch unter Einbeziehung der indianischen Überlieferungen und Mythen. Im Nachwort wird einiges an weiterführender Literatur (meist in englischer Sprache) aufgeführt. Wer weitere Informationen im Internet sucht, findet dies unter anderem auf diesen Webseiten:
< Klick > Der deutsche Wikipedia Artikel über die Cheyenne
< Klick > Der englische Wikipedia-Artikel
< Klick > Der Artikel im deutschen Indianer-WWW
< Klick > Die offizielle Seite der Cheyenne & Arapaho Tribes of Oklahoma (in englischer Sprache)
< Klick > Eine Site über die Sprache der Cheyenne (in englischer Sprache)
< Klick > Hier noch ein Online „Cheyenne Dictionary“
Ich habe noch mehr Links hier (und auch die CD-Version des Lexikons); alle zu erwähnen, würde den Rahmen hier sprengen. Bei Interesse bitte nachfragen.
Meine Meinung
Wie beschreibt man das Unbeschreibliche? In welches Genre ordnet man ein Buch ein, das in keines paßt? Genau genommen müßte die Buchvorstellung schon an diesen beiden Fragen scheitern. Dennoch will ich einen Versuch wagen.
In diesem Buch werden Mythos, Legende und Geschichte zu einer Symbiose vereint, die die Grenzen dazwischen verwischt und so die tiefe Wahrheit hinter den Worten zum Vorschein bringt. Deshalb habe ich das Buch unter „Belletristik“ einsortiert, weil dies der allgemeinste und umfassendste Begriff ist (und außerdem die Jahreseinteilungen bei "Historische Romane" nicht passen). „Umfassend“ ist auch die treffende Charakterisierung für das Buch, das uns die Geschichte der Cheyenne erzählt. “Das Wissen der Bäume“ erzählt die ganze Geschichte dieser Menschen, von ihrer Schöpfung bis hin zu ihrem Niedergang nach der Schlacht am Little Bighorn (...)“, so schreibt der Autor im Nachwort. Dabei hat er nicht nur auf bloße historische Daten und Fakten, sondern auch auf die reiche indianische Überlieferung, Legenden und Mythen zurückgegriffen, und diese auf über fünfhundert Seiten zu etwas Neuem verwoben.
Hilfreich, und das sind meine einzigen Kritikpunkte, wären ein paar „technische“ Beigaben gewesen. Als da sind eine Landkarte, Verzeichnis der indianischen Worte oder ein Personenverzeichnis. Es wurden konsequent deutsche Entsprechungen verwendet. Ich habe denn doch eine Weile gebraucht, bis ich die mir bekannten (historischen) Gestalten wiedererkannt habe. Black Kettle, Little Wolf, Red Cloud oder Crazy Horse sind mir ein Begriff. Bei „Schwarzer Kessel“, „Kleiner Wolf, „Rote Wolke“ oder „Wildes Pferd“ habe ich doch erst mal gestutzt und erst die Übersetzung ins Englische half weiter. Sinnvoll wäre auch eine Zeittafel mit den wichtigsten Ereignissen gewesen.
Vor langer Zeit kamen die Tsi-tsis-tas, wie die Cheyenne sich selbst bezeichnen, aus der Erde. In deren Mythen wird davon berichtet. Genau mit diesem Anfang beginnt auch das Buch. Zusammen mit den Tsis-tsis-tas kommt auch Biberfrau aus der Erde. Sie ist die heilige Frau des Volkes, gesegnet mit immerwährender Jugend, die mit den Geistern und mit Maheo, dem Schöpfer, in Kontakt steht. Die Frau, die zwischen den Welten wandert, immer wieder mit ihrem Schutzgeist, dem weißen Biber, spricht und dazu ausersehen ist, ihr Volk in die Zukunft zu begleiten. Biberfrau ist eine fiktive Gestalt, wenngleich sie unter anderem Namen in den Mythen und Sagen der Cheyenne auftaucht. Das Buch ist fast überwiegend aus ihrer Sicht, und damit konsequent „indianisch“, geschrieben. Wir bekommen so einen tiefen Einblick in die indianische Denkweise, die sich von der unseren bisweilen doch sehr unterscheidet, und viel natur- und schöpfungsverbundener als die unsere ist. Durch die Jahrhunderte hindurch lebten die Tsi-tsis-tas mit, nicht gegen die Natur.
So erfahren wir von den Anfängen hier auf dieser Erde, von der Zeit, als die Hunde zu den Tsi-tsis-tas kamen, und diese zu Nutztieren wurden. Wir lesen von den verschiedenen Arten zu leben, der nomadischen, der seßhaften als Pflanzer, schließlich wieder der nomadischen als Jäger, die den Wanderungen der Büffel folgen und von der Jagd leben. Wir hören vom ersten Auftauchen des weißen Mannes und wie die Ansichten darüber (und Konsequenzen daraus) das Leben der Stämme veränderten. Und so ganz langsam wird auch deutlich, warum die Lebensweise und Kultur der Indianer zum Untergang verdammt war. Es war nicht nur die schiere Masse der Einwanderer, es war nicht nur der ständige Wortbruch der „weißen Häuptlinge“ (und nicht nur der), letztlich war es die mutwillige Vernichtung der Lebensgrundlagen der Indianer durch die Weißen, war es die unbeschreibliche Gier (z. B. nach Gold) und die Überheblichkeit gegenüber den „Wilden“, deren Kultur und Art zu Leben so verschieden waren, und die anzuerkennen man nicht bereit war. Der Kreis des Lebens wurde durchbrochen, das Rad angehalten. Dinge, die heute natürlich ganz anders geworden sind. ... Oder etwa nicht?
Manche Ereignisse werden bekannt vorkommen, zum Beispiel die Expedition von Lewis und Clark, die bei den Cheyenne Station macht. Wehalb Sacajawea keine Erwähnung findet, ist mir nicht so ganz klar, da sie zu diesem Zeipunkt eigentlich schon bei der Expedition dabei sein mußte.
Ich habe etliche Bücher über Indianer gelesen, doch eines wie dieses ist mir noch nicht begegnet. Nicht nur, daß es verschiedene Ebenen in sich zu einer geschlossenen Geschichte vereint, auch die Sprache ist anders, ungewohnt. Meist nicht allzu lange, direkte Sätze, ohne weitschweifigen Beschreibungen. Lediglich die wörtlichen Reden so, wie „man“ sich die am Ratsfeuer vorstellt. Allerdings hat Thomas Jeier gründlich recherchiert, so daß ich annehmen darf, daß auch dies korrekt dargestellt ist. Wie schon in „Die Sehnsucht der Cheyenne“ hatte ich das Gefühl, abends irgendwo in der Prärie unter dem weiten Sternenhimmel an einem Lagerfeuer zu sitzen und einem Geschichtenerzähler zu lauschen. Der jedoch kein Märchen oder Legende, sondern die Geschichte des Volkes erzählte. Es ist etwas schwer zu beschreiben; da mir das aber auch schon bei Robert J. Conleys „Der Wind rief seinen Namen“ so ergangen ist, gehe ich davon aus, daß der Autor seinen Stil der indianischen Erzählweise angepaßt hat (Robert J. Conley ist Indianer vom Stamm der Cherokee, Thomas Jeier hat mit den Cheyenne gelebt und ausführlich dort recherchiert).
Nach fünfhundert Seiten Geschichte der Tsis-tsis-tas, aus deren Sicht geschrieben, ist es etwas schwierig, wieder in mein „weißes“ und „modernes“ Denken zurückzufinden. So werde ich vermutlich nie mehr ein Gewitter einfach nur als ein Gewitter, eine physikalische Naturerscheinung, erleben können. Zu oft wurde das Bild vom Donnervogel beschworen, zu sehr hat es sich bildhaft in mir festgesetzt. Wie in wenigen Büchern hat der Autor es verstanden, indianisches Denken nahezubringen, zu erklären. „Medizin“, „Geister“ - so langsam beginne ich zu verstehen, was darunter zu verstehen ist.
Auch fand ich interessant, daß es verschiedene Gestalten und Motive gibt, die anscheinend überall auf der Welt zu allen Zeiten auftauchen. Wihio der Koyote erinnerte mich sehr an die Figur des Trickster oder auch an den nordischen Gott Loki. An Motiven seien die Jungfrauengeburt (im Zusammenhang mit Süße Medizin, dem heiligen Mann der Cheyenne), oder Tod und Auferstehung erwähnt; mythische Motive, die auch uns wohlbekannt sein sollten.
Das Buch endet mit dem Sieg der Cheyenne und Sioux am Little Bighorn über General Custer. Dem letzten, und wohl auch einzigen großen, Sieg über die Weißen. Noch heute denken die Nachkommen der Beteiligten mit Stolz daran, denn es hilft ihnen, die Depression in den (heutigen) Reservaten zu ertragen.
So hat Biberfrau schließlich ihre Aufgabe erfüllt, und auch uns ihre Geschichte erzählt. Vom Anbeginn der Tsis-tsis-tas hier auf dieser Welt hat sie sie begleitet bis hin zur letzten großen Schlacht, durch Höhen wie Tiefen, gute wie schlechte Zeiten.
“Du hast getan, was der Große Geist von dir verlangt hat, deine Aufgabe ist erfüllt.“
„Ex-e-ya, dies ist ein guter Tag.“
Kurzfassung:
Die Geschichte des Volkes, das wir unter dem Namen Cheyenne kennen, vom Anfang bis zur Schlacht am Little Bighorn, erzählt aus der Sicht der heiligen Frau der Cheyenne. Eine gelungene Mischung aus Legende und Geschichte. Eines meiner Jahreshighlights.
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