Samuel und die Liebe zu den kleinen Dingen, Francesc Miralles, Orig.titel Amor en minúscula, Übersetz. Anja Lutter, List Verlag, 2008, ISBN 978-3-471-30004-6
Zum Autor: (lt. Klappentext)
Francesc Miralles, geboren 1968 in Barcelona, studierte Germanistik und arbeitete einige Jahre als Verleger, bevor er selbst zu schreiben begann. Neben Sachbüchern verfasste er sowohl Romane für Kinder und Jugendliche als auch für Erwachsene. 2002 erhielt er den Premio Gran Angular, 2006 den Premio Columna Jove. Frances Miralles lebt als Schriftsteller und Musiker in Barcelona.
Meine Meinung:
Wisst Ihr, was ein Satori ist? Nein? Ich wusste es auch nicht, bevor ich Francesc Miralles „Samuel und die Liebe zu den kleinen Dingen“ gelesen hatte. Ein Satori ist die plötzliche Erkenntnis vom Universellen des Daseins, die nur in persönlicher Erfahrung greifbar wird. Ein magischer Augenblick, bei dem die Zeit stillzustehen scheint. Eine Art Satori erlebt der 37-jährige Samuel, Dozent für deutsche Literatur, als er auf einer belebten Straße Barcelonas Gabriela sieht und sich an eine Szene aus längst vergangenen Tagen wieder sieht, als beide in ihrer Kindheit verstecken spielten, sich gemeinsam unter einer Treppe wiederfanden und Gabriela ihm einen Schmetterlingskuss gab. Und das alles nur wegen Titus, eines alten Lektors in der Nachbarschaft, der ihn beauftragte eine Eisenbahnschiene zu besorgen. Na ja, genaugenommen eigentlich wegen Mishima, einer jungen Katze, die sich nach Neujahr bei ihm einschmuggelt und das Leben des einsamen, verschrobenen Junggesellen Samuel schnell ganz schön durcheinanderbringt. Während er sich vor Mishimas Erscheinen lediglich mit Literatur, Wörtern, die nur in einer Sprache existieren, der Zeitung und Musik beschäftigt hat, lernt Samuel durch Mishima recht schnell interessante Menschen wie Titus, von dem er einen Auftrag erhält, den eigenartigen Valdemar, der plötzlich verschwindet, eine Tierärztin und seine Jugendliebe Gabriela kennen.
Als ich mit dem 303-seitigen, kleinem Büchlein „Samuel und die Liebe zu den kleinen Dingen“ begonnen hatte, war ich nach den ersten Seiten noch nicht allzu sehr angetan, zu sehr erinnerte mich die Handlung an Cleveland Amorys „Die Katze, die zur Weihnacht kam“. Aber sehr schnell durfte ich zu meiner Freude feststellen, dass sich die Geschichte ganz anders entwickelt und die kleine Katze Mishima zwar Anlass, aber nicht Hauptgegenstand des Romans ist. Die von der reinen Inhaltsangabe her gewöhnlich erscheinende Geschichte über Freundschaft und Liebe ist alles andere als gewöhnlich. Francesc Miralles erzählt in seinem Roman über die großen Dinge des Lebens und über die kleinen Dinge des Alltags und öffnet seinen Lesern den Blick für das kleine Glück. Seinen ganz besonderen Reiz erhält das Buch durch eine Vielzahl von literarischen und musikalischen Zitaten und Anspielungen.
„Samuel und die Liebe zu den kleinen Dingen“ ist ein intelligenter, amüsanter, leicht zu lesender inspirierender Roman, den ich in wenigen Stunden verschlungen habe, der aber schwergewichtig genug ist, um ihn in einer Musestunde wieder zur Hand zu nehmen, um die Gedanken von Francesc Miralles anhand der Entwicklung seines Protagonisten Samuel genüsslich zu verfolgen.
P.S.: Natürlich erfährt man bei der Lektüre des Romans, was ein Schmetterlingskuss ist, wenn man das nicht weiß. Und natürlich auch, welchen Auftrag Titus für Samuel hat. Und natürlich vieles über den eigenartigen Valdemar und warum er verschwindet. Und natürlich wie es mit Mishima, Samuel und der Tierärztin läuft. Und natürlich, ob Samuels wiedersehen mit Gabriela von Erfolg gekrönt ist oder nicht...
9 von 10 Punkten