Endlich Stille - Karl-Heinz Ott

  • In diesem Roman wird ein Philosophieprofessor und Spinoza-Spezialist von einem Unbekannten angesprochen, als er gerade in Straßburg vom Bahnhof auf den Vorplatz tritt. Der Ich-Erzähler will dort nur ein, zwei Tage verbringen. Von dem Fremden gefragt, ob er auch ein Hotel suche, wird der Erzähler diesen nun nicht mehr los.


    Friedrich Grävenich, der Fremde, lotst den Erzähler in ein Hotel und „zwingt“ ihn dann in eine Brasserie, in der er unaufhörlich aus seinem Leben und von Musik erzählt und flaschenweise Wein trinkt. Der Erzähler schafft es nicht, sich aus der Situation zu befreien, obwohl er schon längst genug hat von diesem Friedrich, der ihn nie zu Wort kommen lässt. Seine halbherzigen Versuche, sich Friedrich zu entziehen, ignoriert dieser. Stattdessen heftet Friedrich sich dermaßen penetrant an seine Fersen, dass es spannend werden könnte...


    Leider aber macht der Autor jede Spannung zunichte, indem er immer wieder mehr oder weniger interessante Gedankengänge des Erzählers einschiebt. Die Gedanken Spinozas (mit denen ich mich nicht auskenne) sollen wohl irgendwie im Zusammenhang mit der Geschichte stehen – nicht vorhandener freier Wille und so – aber dieser Zusammenhang ist dermaßen künstlich hergestellt worden, dass der Leser ihn nicht intuitiv erfasst.


    Die Unfähigkeit des Erzählers, seine Meinung zu sagen – stattdessen versucht er ständig, auch in der Beziehung zu seiner Freundin, sich mit Lügen aus einer unangenehmen Situation zu befreien und ist sich dessen auch bewusst – ging mir irgendwann nur noch auf den Wecker.


    Dass er sich einfach nicht wehrt, egal, wie bunt man es mit ihm treibt, war nervlich kaum auszuhalten.Wer mal „Die Blendung“ von Canetti gelesen hat, weiß, was ich meine. Diesen Roman musste ich abbrechen, weil ich dem Protagonisten ständig nur in den Allerwertesten treten wollte. Hier ist es ähnlich, aber ich habe „Endlich Stille“ dennoch zu Ende gelesen. 206 Seiten können ganz schön lang sein und das Ende: sehr schwach, das nimmt man dann mit einem Schulterzucken auch noch hin.


    Ich hoffe, der Autor findet seinen Helden selber bescheuert.


    Da mir ab und zu ein paar Beobachtungen ganz gut gefallen haben, die Figur des Friedrich wunderbar gelungen ist und der Roman auch vielversprechend anfing, gebe ich immerhin noch 6 von 10 Punkten.


    Schön ist übrigens noch, dass ich jetzt ein neues Wort für "pinkeln" kenne: brunzen!


    Gruß, Bell

  • Genervt hat mich die Passivität auch, aber ich habe mich schon in diesem Sog befunden, der einen wie ein Strudel mitzieht, spiralförmig nach unten, der immer weiter auf das Unausweichliche zusteuert.
    Das hat mich ungeheuer in den Bann gezogen.


    Der vergeistigte Feingeist des Professors, der sich nicht in der Lage sieht einer Situation zu entkommen, die er sich letztendlich selber eingebrockt hat und einzig den Weg aus der Falle findet, indem er alles menschliche abstreift und sich
    zu einer Verzweiflungstat hinreißen lässt.


    Das beindruckende an diesem Roman fand ich zuletzt, dass ich ihn als Handelnden voll und ganz verstehen konnte. :cry



    um eben das zu erreichen, was der Titel bereits nennt: Endlich Stille.


    Von der Idee und auch der Umsetzung fand ich es großartig!



    verstörte Grüße von Elbereth :wave

    “In my opinion, we don't devote nearly enough scientific research to finding a cure for jerks.”

    ― Bill Watterson

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  • Ja, Bell ich weiß, ganz klar.


    aber ich kann ihn trotzudem so gut verstehen :cry
    Daher finde ich das schriftstellerisch wirklich gelungen...



    immer noch verstörte Grüße von Elbereth :wave

    “In my opinion, we don't devote nearly enough scientific research to finding a cure for jerks.”

    ― Bill Watterson

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  • Tja, ich war von diesem Buch masslos enttaeuscht. Und hab es abgebrochen, sprich in diesem Fall die ersten 60 Seiten gelesen und dann zum Schluss vorgeblaettert. Letzters tu ich extrem selten und hat mir auch hier nichts gebracht, weil ich mir den Schluss eh schon vom Prolog her so gedacht hatte.


    Dabei hatte ich mir vom Klappentext her doch einiges versprochen. Aber die Spannung kam fuer mich nie auf. Und die Protagonisten nerven einfach nur. Beide. Friedrich, weil er eben eine nervende Person ist mit seinem Dauergerede. Und der Erzaehler, weil er wie hier schon erwaehnt ein Waschlappen ist, der sich nicht durchsetzen kann.


    Und was ich vom Schluss gelesen hab, sieht es ja auch so aus, dass man nichtmal erfaehrt warum Friedrich so ein Nervtyp geworden ist. Seine wahre Identiaet bleibt doch im Dunkeln. Das haette mich ja noch mehr frustriert, wenn ich da das ganze Buch gelesen haette und immer noch nicht mehr erfahren haette :rolleyes

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich