Fehlstart
Es gibt solche Tage, da sollte man lieber im Bett bleiben ... Okay, okay, ich weiß, ein blöder Satz ... nur was für Mutlose.
Heute war so ein Tag für mich und glaubt mir, wenn ich gewusst hätte, was auf mich zukommt, ich hätte schon um 7 Uhr die Decke wieder über die Ohren gezogen, mich rumgedreht und einfach weitergepennt ...
Aber nix – ahnungslos aus dem Bett gehüpft, der Katze auf den Schwanz getreten und erst mal einen 15 cm Striemen von deren Krallen eingehandelt ! Danke sehr !
Laut fluchend ins Bad gehumpelt, die Bescherung betrachtet und den kurzen Rock von der Tagesordnung gestrichen.
Dabei hatte ich die Garderobe schon bereitliegen, denn heute ist Bewerbungsgespräch angesagt. Und hübsche Beine attraktiv zur Geltung gebracht kommen da doch immer gut, oder ?
Also, weitere Flüche unterdrückend in die Dusche gehüpft und – aaaarrrrggghhh – „ Hallo wach „ Wassertemperatur .
Statt Duschschaum den Rasierschaum von Schatzi erwischt, aber zum Glück duftet der auch nicht schlecht * zähneknirsch * kann er den nie hinter sich aufräumen ???
Naja – der Grätsche auf den Fliesen mit nassen Füßen beuge ich dann wissend und grinsend mit einem Handtuch auf dem Boden vor – sicher ist sicher !
Dafür dotze ich mir aber den Ellbogen am Waschbecken und spüre das „Judenknöchelchen“ bis in die Fingerspitzen – schmerzlassnach – soll ich lachen oder weinen ?
Eine knappe Stunde später bin ich tageslichttauglich gestylt und mit einem kleinen Frühstück gestärkt – natürlich, klar, Kaffee schwarz, denn die Milch war ja selbstverständlich sauer – auf dem Weg zur Bushaltestelle um die Ecke.
Dem netten Nachbarn, der um diese Zeit schon widerlich gut gelaunt vor sich hinpfeift und im niedlich rosafarbenen Bademantel die Zeitung vom Rasen klaubt, fröhlich zugewinkt und vom Bus nur noch die Rücklichter gesehen. Na, war das nicht zu erwarten ?
Ich überleg’ noch „Was tun“ als mit quietschenden Bremsen ein Auto neben mir hält, aber es ist natürlich nicht der niedliche Typ aus der Disco von Freitagabend, sondern die Nervensäge Kyle, der mir schon seit Jahr und Tag hinterher steigt und mir mit allen Mitteln das Leben zur Hölle macht.
Aber – er hat einen fahrbaren Untersatz und ich habe es verdammt eilig.
Mit einen zuckersüßen Lächeln blicke ich durch das heruntergekurbelte Fenster und frage : „Fährst du vielleicht zufällig in die Stadt ?“
Tut er natürlich – keine Frage, für mich würde er vermutlich sogar zum Nordpol fahren.
Ich plumpse auf den Beifahrersitz und als er mir beim anschnallen behilflich ist, fummelt er bei der Gelegenheit auch gerade noch an meinem Busen rum – ich beiße nur die Zähne zusammen und verkneife mir ein böses Schnauben und die Worte die mir auf der Zunge liegen sowieso.
Er schwafelt während der Fahrt von wer-weiß-was und ich murmele und nicke und schüttele den Kopf, wobei ich mit den Gedanken schon bei meinem Vorstellungsgespräch weile. So bekomme ich auch nicht mit, das direkt vor uns ein Hund auf die Straße läuft, und Kyle, der mit dem „Ich bremse auch für Tiere“ - Aufkleber auf der Heckscheibe, eine Vollbremsung mit zwei Füßen abzieht.
Meine Nase bekommt es sehr wohl mit, als sie mit Schmackes auf das Armaturenbrett donnert und meine makellos weiße Bluse ein paar hübsche rote Farbtupfer erhält.
Ich fluche schon wieder, nix is’ - von wegen verkneifen - wobei mir der Gedanke von einer sonntäglichen Beichte darüber eilig durch den Kopf saust, und da ich eh’ gerade dabei bin, aufs fürchterlichste zu sündigen , wird Kyle auch noch mit einem deftigen Schimpfwort belegt.
Der Hund jedoch steht mit hängender Zunge an der gegenüberliegenden Straßenseite und – ehrlich !!! - ich schwöre - er grinst, bevor er auf nimmer Wiedersehen im Gebüsch verschwindet.
Kyle, etwas eingeschüchtert wegen meiner Unflätigkeit ( so kennt er mich nämlich noch nicht ) kramt im Handschuhfach nach Tempos, die er mir zuerst auf die Nase, und dann nach einem bösen Blick meinerseits, in die Hände drückt.
Ich bin froh (Kyle vermutlich auch) als unsere Fahrt vor dem Büro der kleinen lokalen Zeitung endet, bei der ich mich beworben habe und die ich nun mit bluttriefender Bluse, ja ja , ich übertreibe maßlos, betrete. Vielleicht steigert das ja meine Chancen und ich komme in die Abteilung für kleinkriminellen Klatsch ?
Ich konsultiere erst mal die Toilette – nein, kein Angstbächlein vor Aufregung - sondern ich versuche zu retten, was noch zu retten ist, und meine Bluse hat dank meiner Bemühungen nun hübsche rosa statt roter Flecken, was mir aber auch nicht besser zu Gesicht steht.
Egal, Kopf hoch und durch, sage ich mir, marschiere zu der Tür auf der mit schwarzen Lettern „REDAKTION“ steht und bin etwas verdattert, als diese auf meinen Druck hin keinen Zentimeter nachgibt, denn durch die Glastür kann ich dahinter reges Gewusel entdecken und fange so manchen belustigten Blick auf, als ich nun etwas heftiger und energischer dagegen rüttele und drücke.
Endlich erbarmt sich jemand und weil ich nicht blond bin lerne ich zum Glück schnell : Ziehen - nicht drücken !!!
Nun muss ich nur noch lernen, wie man seine Gesichtsfarbe beherrscht, den dieses tomatenrot, mit dem ich nun an den amüsierten Gesichtern vorbeilaufe, ist trotz gesenkten Kopfes doch recht auffällig.
Ich wende mich an einen gutaussehenden jungen Mann - klar, warum sollte ich mich auch mit diesem faltigen Graukopf daneben abgeben, der erhält erst mal einen herablassenden Blick von mir, und seine mir entgegengestreckte Hand übersehe ich geflissentlich und fast schon hochnäsig – und frage nach Herrn Seibert, mit dem ich einen Termin habe.
Der schnuckelige Kerl nickt mit einem Grinsen zu dem Graukopf und ich schlucke erst mal. Na toll – sag bloß ! Wer hat es geahnt ???
„ Lauren Cole, ich – wir – ähm, entschuldigen Sie, wir hatten einen Termin für ein Bewerbungsgespräch und ... „
Herr Seibert unterbricht : „ ... welches bereits gestern stattfinden sollte !“
Der Blick durch seine dicken Brillengläser mustert mich und meine getupfte Bluse abschätzig und ich würde am liebsten im Boden versinken.
Er führt mich netterweise trotzdem noch zu seinem Büro und lässt mich noch ca. 15 Minuten in einem Stuhl vor seinem Schreibtisch schmoren, bevor er mir mitteilt, das er sich bei mir melden wird, wenn es für soweit ist für die Vergabe der offenen Stelle.
Ich weiß nicht wie, aber schließlich stehe ich wieder draußen vor dem hübschen Bürogebäude auf der Straße und bin mir fast sicher, das ich dieses Objekt meines zu kurz währenden Traumes zumindest als Angestellte wohl kaum irgendwann betreten werde.
Wie in Trance bewege ich mich auf katzenzerkratzten Beinen zu einem Cafe ein paar Häuser weiter und sinke müde und resigniert von diesem beschissenen Tag in einen Stuhl. Gedankenverloren reibe ich mir den gerade erblühenden blauen Fleck an meinem Ellbogen und schniefe laut durch meine lädierte Nase. Gerade als ich mich fast blind vor Tränen in meinem Elend und meinem Selbstmitleid versinken lassen will, erscheint eine Bedienung und als sie sich zu mir runterbeugt kann ich an ihrer duftigen weißen Bluse ihr Namensschild erkennen „HOPE heißt dich willkommen“ !
Wider Willen muss ich lächeln und denke : „Naja, das schlimmste habe ich für heute wohl hinter mir, oder ?“
Dann bestelle ich bei der grauhaarigen, zerknitterten alten Dame mit den hübschen veilchenblauen Augen und dem aufmunternden Lächeln einen Cafe au Lait und harre der Dinge, die da heute noch auf mich zukommen mögen.