Eldorado - Laurent Gaudé

  • OT: Eldorado [franz.]



    Kurzbeschreibung:
    An der Küste Siziliens wird die "Festung" Europa gegen illegale Einwanderer verteidigt. Der Marinekommandant Piracci greift seit vielen Jahren Flüchtlinge aus afrikanischen Staaten auf. Als er unerwartet einer Frau wiederbegegnet, die auf einem der Schleuserschiffe war, beginnt er an seiner Mission zu zweifeln und wird bald selbst zum Flüchtling. Bezwingend erzählt Gaudé von Wagemut, Ausbeutung, Rache und von dem nicht zerstörbaren Traum der Menschen von einem Eldorado.


    Über den Autor:
    Laurent Gaudé, geboren 1972, ist Autor mehrerer Theaterstücke und Romane. Für seine Werke wurde er mehrfach ausgezeichnet. 2004 erhielt er den Prix Goncourt.


    Meine Rezension:
    Immer wieder erreicht uns die Meldung, dass im Mittelmeer ein Schiff voller Flüchtlinge aufgegriffen wurde. Wir nehmen die Meldung wahr, doch das Schicksal der Menschen, ihre Geschichte und das Elend, das sie bis hierhin gebracht hat, ist uns nicht bewusst. Wir ahnen nichts von der Todesangst, den Strapazen, dem Leid und dem Schmerz, der diese Menschen zu der Entscheidung getrieben hat, ihr Land zu verlassen und sich auf einen steinigen und entbehrungsreichen Weg zu machen, der noch lange nicht das Ende des Leides und Schmerzes bedeutet. Hier sind sie - fern der Heimat - anderen Menschen ausgeliefert, Menschen, die nur allzuoft ihren eigenen Vorteil verfolgen, die sie ausrauben, zurück und sich selbst oder dem Tod überlassen. "Eldorado" ist den Flüchtlingen dieser Welt gewidmet. Ihrem Mut und ihrer Verzweiflung und ihrem unbedingten Willen, in Europa ein besseres Leben zu finden. Anhand der Geschichte von Süleiman, der sich aus dem Sudan auf die beschwerliche Flucht begibt und der von Kommandante Piracci, dessen Job es ist, vor der Küste Siziliens illegale Einwanderer aufzuspüren und sie den Behörden zu übergeben, breitet sich vor dem Leser eindringlich das ganze Elend und die unhaltbare Situation der Menschen aus, die von einem Eldorado träumen und die dafür ihr Leben riskieren. Ein Plädoyer für die rund 200 Millionen Menschen, die weltweit auf der Flucht sind und eine Geschichte, die das Bewusstsein des Lesers verändert - hoffentlich über die nächste Meldung eines aufgegriffenen Flüchtlingsbootes hinaus. Möge dieses Buch viele Leser finden, die dadurch gewahr werden, was in ihrer Welt, genau in diesem Augenblick, passiert!


    9 Punkte von mir! :wave

  • Laurent Gaudé – Eldorado


    Meine Rezension:
    Ich zitiere Klappentext und Rückseite:
    „Bezwingend erzähl Gaudé von Wagemut, Aufbruch, Rache und von dem unzerstörbaren Traum der Menschen von einem Eldorado“


    „Bezwingend schildert Laurent Gaudé aus zwei Perspektiven den erbitterten Kampf um die Festung Europa“


    Dieses Bezwingende ergibt sich aus dem Stil und der Thematik, die heute besonders aktuell ist, in Zeiten, in denen Berlusconis Italien den Notstand ausruft, um mehr Mittel und härtere Methoden erbarmungslos gegen Einwanderer anwenden zu können.


    Die überzeugenden Erzählperspektiven sind sehr unterschiedlich und sehr überzeugend.
    Einerseits der Kommandant Salvatore Piracci, bisher aktiv gegen illegale Einwanderer, der nach einer Begegnung mit einem Opfer einen Denkwechsel beginnt und die Seiten wechselt, er wird selbst zum Flüchtling. Diese Initialzündung, die sich aus dem Gespräch mit einer verzweifelten Mutter ergibt, die bei der Flucht ihren Sohn verlor, ist glaubhaft und Piraccis anschließender Wandel gut herausgearbeitet.
    Andererseits der lybische Flüchtling Suleiman, der seinen Bruder Jamal bei der Flucht zurücklassen muss und von einem besseren Leben in Italien träumt.


    Beide Perspektiven sind absolut nachvollziehbar, eine Stärke des Autors, der sonst teilweise auch etwas umständlich und schwierig erzählt. Nur kurz begegnen sich die Protagonisten in einer Schlüsselszene.


    Mein kleiner Einwand gegen diesen unversöhnlichen Roman, der Gewalt und Ausbeutung schonungslos zeigt, besteht darin, dass der Autor der Thematik alles unterordnet.
    So wird die Vergangenheit, der bisherige Lebensweg der Protagonisten bewusst nicht viel betrachtet.
    Meiner Meinung nach resultiert daraus eine Unvollständigkeit, das Thema isoliert die Figuren, es wird nicht das Ganze in seiner Komplexität gezeigt, um sich auf das Thema zu konzentrieren. Leider verliert man dadurch doch sehr viel.


    Doch es verbleibt auf den nur 234 Seiten dieses faszinierenden Dramas noch viel.
    8 von 10 Punkten sind sicher gerechtfertigt.

  • Guten Tag,
    schließe mich Herrn Palomar an - auch meiner Meinung hat das Buch Schwächen... und trotzdem sollte man es gelesen haben, denn auch ich ordne jetzt dem Thema einmal einiges unter.


    Meine Meinung also:
    Ein wichtiges Thema, ein wichtiges Buch, …. gehört gelesen, keine Frage…


    … und trotzdem … irgendwie bleibt ein schale Nachgeschmack, nämlich: Da hätte man mehr machen können. “Der Sturm auf die Festung Europa“ wird von beiden Seiten betrachtet. Aus der Sicht des Verteidigers und aus der Perspektive des Flüchtlings.


    Das Buch ist voll von starken Momenten, zeichnet die Verzweiflung der Menschen nach; der Suchende wird belogen und betrogen, wird schließlich selbst zum Verbrecher und dies sind die eindrucksvollsten Passagen dieses – wie gesagt – wichtigen Buches.


    “Ich werde von Ekel ergriffen. Ich bin hässlich. Ich denke an meinen Bruder, der mir ins Gesicht spucken würde, wenn er davon wüsste. Ich denke an den, der ich war, als wir zusammen im Auto durch unsere Stadt gefahren sind. Das ist erst ein paar Wochen her und ich bin schon so alt geworden. Ich verändere mich vielleicht schneller, als er es tut. Die Krankheit zerstört ihn weniger radikal, als die Reise mich zugrunde richtet. Ich bin hässlich und verdiene nichts Gutes. Die Hunde am Straßenrand wenden den Kopf ab, um mich nicht zu sehen.“


    Was soll man sagen… keine Höchstnote ... aber trotzdem … des Themas wegen … absolute Leseempfehlung…


    liebe Grüße
    David