Ein irischer Landarzt - Patrick Taylor

  • Ein irischer Landarzt, Patrick Taylor, Orig.titel „The Apprenticeship of Doctor Laverty“ bei Insomniac Press, Toronto, „An Irish Country Doctor“ bei Forge, New York, Übersetz. Sabine Schulte, Rowohlt, 2008


    Zum Autor: (lt. Klappentext)
    Patrick Taylor, Doktor der Medizin, wurde 1941 in Bangor Country Down in Nordirland geboren und wuchs dort auf. „Der irische Landarzt“ basiert auf seinen Kolumnen, die er aus seinen Anfangszeiten als Arzt im ländlichen Irland schrieb und sammelte. Um dem Nordirlandkonflikt zu entfliehen, emigrierte er mit seiner Familie Anfang der 70er Jahre nach Kanada, wo er seither in der medizinischen Forschung tätig ist. Patrick Taylor lebt heute auf Bown Island, Vancouver, British Columbia.


    Meine Meinung:
    Ich gebe zu, dass mir der Roman „Ein irischer Landarzt“ von Patrick Taylor aufgrund meiner beständigen Suche, etwas ähnliches wie James Herriots Lebenserinnerungen zu finden, in die Hände gefallen ist. Ähnlichkeiten zu James Herriots Reihe vom Doktor und dem lieben Vieh besteht lediglich darin, dass Patrick Taylor das ländliche Leben allerdings nicht in Yorkshire sondern in Ulster, Irland, beschreibt und schrullige, exzentrische Originale in seinen Geschichten in den Mittelpunkt stellt.


    Irland, Anfang der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts: Der Weg nach Ballybucklebo, das auf keiner Landkarte eingezeichnet ist, erweist sich für den jungen Arzt Barry Laverty Anfang bereits als erste Herausforderung beim Antritt seiner neuen Stelle. Bräuchte er nicht dringend das Geld, um Brunhilde, seinen Käfer, zu bezahlen und von etwas zu leben, wäre er wohl schon angesichts des schlammigen Weges in den abgeschiedenen Ort umgekehrt. Als er bei der Ankunft noch erleben muss, dass der alteingesessene, raubeinige Landarzt Dr. Fingal Flahertie O’Reilly einen Patienten zur Praxis hinauswirft, gibt dies Barry beinahe den letzten Rest. Die ersten Tage mit seinem neuen Chef gestalten sich dann auch mehr als schwierig. O’Reilly wendet in seiner Praxis eigene unkonventionelle Methoden an, die Barry sehr in Frage stellt. Dennoch empfangen die Dorfbewohner den forschen Städter und auf dem neuesten Stand der Wissenschaft ausgebildeten jungen Arzt nicht mit offenen Armen und der Umgang mit deren Schrulligkeiten und abergläubischen Ansichten stellt Barry vor eine ungeahnte Herausforderung. Ganz allmählich schleicht sich die kleine skurrile, aber äußerst liebenswerte Dorfgemeinschaft von Ballybucklebo in sein Herz und als er Patricia , einer jungen Ingenieurin aus dem Nachbardorf begegnet, beginnt die Vorstellung dauerhaft auf dem Lande zu leben, gar nicht mehr so schlecht auszusehen...


    Die Lektüre des Romans „Ein irische Landarzt“ ist zweifellos vergnüglich und unterhaltsam, ideal wenn Stress überhand nimmt, denn in Ballybucklebo ticken die Uhren noch anders. Verglichen mit James Herriots Geschichten fallen die von Patrick Taylor jedoch um einiges ab. Sie haben nicht die gleiche Tiefe, sind weniger Zeitzeugnisse und in etlichen Punkten sehr idealisiert. So ist das Raubein O’Reilly schon fast ein Übervater für den jungen Barry Laverty. Die Landschaft und das Landleben in Irland wird nur angerissen, die Erzählungen sind auf die Patienten der Praxis gerichtet und zwar insbesondere die exzentrischen Originale. Die Methoden von O’Reilly sind teilweise wirklich fragwürdig, da wird die Schweigepflicht verletzt, denunziert und bedroht, frei nach dem Motto „der Zweck heiligt die Mittel“. Allerdings sind die Geschichten menschlich, warmherzig und humorvoll und so hatte ich einigen Spaß mit dem irischen Landarzt. Den Abschluss des Buches macht ein Nachwort von Mrs. „Kinky“ Kincaid, O’Reillys treuer und weiser Haushälterin und Köchin, in dem sie einige ihrer Rezepte preis gibt.


    Mittlerweile habe ich entdeckt, dass die Originalausgabe auch sprachlich interessant ist, da Patrick Taylor den Dialekt von Ulster einbringt und in einem Glossar erklärt. Im englischen Original sind bereits zwei weitere Bücher erschienen, mit den Titeln „An Irish Country Village“ und „An Irish Country Christmas“ und ich fürchte, an denen werde ich nicht vorbei kommen...

  • Ich hab mir das Buch auch gekauft und lese es gerade. Bin ganz begeistert von dem wunderbaren Schreibstil, der Autor hat einige tolle Formulierungen drin, schreibt sehr warmherzig und humorvoll.
    Barry ist am Anfang so herrlich naiv. Und allein die Szene, als er und O´Reilly vor dem wildgewordenen Schwein davon laufen ist schon klasse.


    Kann das Buch auch sehr empfehlen, ist so richtige Wohlfühllektüre.

  • ...und paßt ideal beim aktuellen irischen Wetter...


    Ich finde auch die "Beigaben" nett, Lady Macbeth die Katze und Arthur Guiness den Labrador.


    Ich gebe ja auch zu, daß es da oder dort ein bißchen kitschig ist. Für mich war's diese Woche aber ein idealer Stresskiller.

  • Pelican : Wenn Dir der irische Landarzt gefiel, dann schau mal in Antiquariaten nach den Finlay of Tannochbrae-Geschichten von A. J. Cronin; das ist das ganze dann auf schottisch. :-)
    Auch sehr warmherzig erzählt, mit vielen skurilen Gestalten und tollen Geschichten.
    Man bekommt die Bücher ganz gut noch über amazon-marketplace, ebay, Tauschticket und in Antiquariaten.
    Auf deutsch sind es diese drei:


    Der neue Assistent
    Doktor Finlays Praxis
    Ein Held im Schatten

  • Endlich habe ich dieses Buch gelesen und es war haargenau das Richtige für diesen tristen, trüben Tag.


    Natürlich stimmt das Buch nicht so wirklich mit der Realität überein, auch nicht mit der Realität im Irland der 60er Jahre. Aber es ist voller schelmischer, anrührender und unterhaltsamer Momente.


    O'Reilly, der abgefeimte Landarzt, der schon dafür sorgt, daß ihm seine Patienten nicht rund um die Uhr auf der Nase herumtanzen und dabei doch stets menschlich und fürsorglich ist, ist schon eine ganz eigene Marke.


    Und Barry Laverty, der junge Arzt, hat noch viel zu lernen. Medizinisch ist er top, aber über die Eigenheiten der Landbevölkerung und die Schwierigkeiten einer Landarztpraxis kann er sich noch einiges von seinem Chef abgucken.


    Gerade am Anfang, als er noch ganz streng nach Lehrbuchmethoden vorgehen will hat er oft noch Schwierigkeiten mit O'Reilly, der seine Fälle eben nicht nach Lehrbuch abhandelt, sondern auch zu Tricks zum Wohle seiner Patienten greift...


    Ein ganz wunderbar menschlisches und warmes Buch, eine entzückende irische Geschichte, die mich einfach nur gut unterhalten hat.


    Das einzige, was ich zu bemängeln habe ist, daß sich die gelesenen 380 Seiten nach viel weniger anfühlten, so schnell war ich damit durch. :grin


    Wer also mal wieder nette leichte, aber dennoch wunderbar erzählte Unterhaltung genießen möchte, der greife zu diesem Buch.


    Einziger Wermutstropfen: Ich hatte es nur geliehen. Aber das Buch fand ich so nett, daß ich mir das TB garantiert noch für die Sammlung zulegen werde. :-]

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Zitat

    Original von Leserättin
    Pelican : Wenn Dir der irische Landarzt gefiel, dann schau mal in Antiquariaten nach den Finlay of Tannochbrae-Geschichten von A. J. Cronin; das ist das ganze dann auf schottisch. :-)
    Auch sehr warmherzig erzählt, mit vielen skurilen Gestalten und tollen Geschichten.


    Danke für den Tip, Leserättin, danach werde ich sicher schauen. Weißt Du zufällig auch die Originaltitel?

  • Aufgrund dieser Rezension lese ich jetzt auch Ein irischer Landarzt, nachdem ich es endlich aus der Bibliothek ausleihen konnte.


    Obwohl ich noch nicht sehr weit bin, gefällt mir das Buch auf Anhieb.
    Natürlich werden einige Landarztklischees nicht vermieden, die man auch schon durch manche Filme oder Bücher (ich denke da auch an A.J.Cronin) kennt, aber das macht nichts, der Text an sich wirkt frisch.


    Und ich mag die Leichtigkeit, mit der Patrick Taylor schreibt. Das ist gekonnt! :anbet

  • Ich habe es jetzt nach der Hälfte abgebrochen. Die gleichen Figuren wie in "Der Doktor und das liebe Vieh" von James Herriot, nur dass ich sie eindimensional und klischeehaft fand... Irgendwann war es mir egal, wie es weiter geht.
    Genervt hat mich auch, dass der Autor ein paar Mal mitten im Absatz ein paar Stunden oder Tage weiter gesprungen ist. Z.B. an einer Stelle überlegt Barry, wie er die Zeit in Belfast tot schlägt bis sein Zug um 22 Uhr fährt und im nächsten Moment verpasst er ihn auch schon fast.

  • Barry ist schon anders als James und eher ein Kind seiner Zeit.


    In der Tat finde ich Barry und seinen Chef im ersten Band auch recht eindimensional, was mich aber wenig gestört hat, da ich die knorzigen Leute aus dem Ort mochte.


    Barry und sein Chef bekommen erst im dritten Band mehr Tiefe und werden auch erst da näher beleuchtet.