Es gibt in einigen Gegenden den Brauch, zur Geburt eines Kindes eine „Pinkelparty“ zu feiern. Dazu lädt in der Regel der frisch gebackene Vater Freunde und Verwandte ein. Eigentlich eine Sauerei, dass die Hauptakteure dieses Spektakels bei diesem Event meist ausgeschlossen werden, aber das Leben ist ja voller Ungerechtigkeiten. So habe ich die Feten anlässlich der Geburt meiner ältesten Tochter auch alle verpasst. Die Schoten aus diesen heißen Tagen werden bei passender Gelegenheit immer noch zum besten gegeben.
Meine Schwiegereltern haben die Gelegenheit der Geburt ihres ersten und heiß ersehnten Enkelkindes sofort beim Schopfe gepackt und die Nachbarn an einem höllisch heißen Julitag zum geselligen Umtrunk gebeten. Nun waren die ja nicht mehr die Jüngsten und es war auch wirklich heiß an diesem Tag. Meine Schwiegermutter ist immer sehr besorgt, wenn es darum geht, ihre Gäste anständig zu bewirten. Also hat sie ihr Augenmerk als erstes darauf gerichtet, dass die Gäste eine zum Wetter passende leichte Kost bekommen. Biersuppe und leichte Salate! Ging schon um 11:00 los, man weiß ja nicht, wie heiß es wird. Genug gekühlte Getränke waren auch vorhanden und so haben sie dann meine Tochter ausreichend pinkeln lassen, damit das Kind einem üblen Aberglauben gemäß nie im Leben Nierenprobleme bekommen wird. Da haben sie auch keine Rücksicht auf die eigene gesundheitliche Konstitution genommen und ordentlich gefeiert. Angesichts der höllischen Außentemperaturen hatten alle wenig Appetit, dafür aber umso mehr Durst. Im Gartenpavillon stieg die Stimmung gleichzeitig mit den Außentemperaturen. Die Damen ergingen sich bei selbstgemachtem Eierlikör in erinnerungsschwangeren Erzählungen über die Geburt ihrer eigenen Kinder während die Herren dann mutig zu den Aufgesetzten griffen. Man will ja nichts umkommen lassen. Die Party war vorbei, als sie in der zunehmenden Dunkelheit und wohl eher unter erheblichem Alkoholeinfluss ihre Gläser nicht mehr fanden. Auch den Gartenausgang hat ein Nachbar nicht mehr gefunden. Offensichtlich hatte die Fete ihn so nachhaltig in frühere Feiern versetzt, dass er glaubte, den Jägerzaun im Sprung meistern zu können. Hat leider nicht ganz funktioniert. Er blieb hängen und durchpflügte das Staudenbeet dahinter. Seither hat der Nachbarzaun einen deutlichen Knick und erinnerte auch lange Jahre danach noch an diese tolle Feier.
Bei uns zuhause tobte zeitgleich die Fete im Freundeskreis unterstützt durch das Schwiegermuttercatering. Das sah neben einer enormen Portion diverser Salate eben auch den beliebten Eierlikör in Großhandelsmengen vor. Man hat mir später von 5 Flaschen Eierlikör berichtet, die an diesem Abend in unserem Haus geleert wurden. Über die genaue Gästezahl und die Anzahl der Bierkästen schweigt man sich bis heute aus.
Als ich mit meiner Tochter aus dem Krankenhaus nach Hause kam, konnte ich nur noch erahnen, was da passiert sein musste. Als erstes fielen mir die Wasserflecken am Küchenfenster auf. Komisch, die waren vorher noch nicht da gewesen. „Och, es muss wohl unbemerkt etwas geregnet haben, als wir gefeiert haben.“ erklärte mir mein Mann. Ach? Bisschen Regen? Ich hatte da eher ein heftiges Gewitter in Erinnerung. Der Gefrierschrank war völlig vereist. So wie es aussah, hatte irgendjemand wohl die Tür geöffnet und längere Zeit nicht mehr geschlossen. Entweder haben sie ihn als Klimaanlage umfunktioniert oder aber die Schnäpse gekühlt. Es gab da gewisse Erinnerungslücken. Irgendwann war zum Leidwesen der Gäste der Eierlikör alle. Nur ein Freund meines Mannes hatte noch Reste in einem Riesenglas hinter dem Sofa gebunkert. Die Fete endete in den frühen Morgenstunden und soll für ganz gute Umsatzzahlen im örtlichen Taxigewerbe gesorgt haben.
PS: Meine Tochter ist jetzt 13 und hat prima funktionierende Nieren, obwohl ich ja nicht glaube, dass das am selbstlosen Einsatz der Gäste liegt.