Pippa Lee - Rebecca Miller

  • Pippa Lee
    Rebecca Miller
    Aus dem amerikanischen von Reinhild Böhnke
    ISBN:978-3-100490124
    Fischer Verlag Frankfurt am Main
    360Seiten, 19,90 Euro


    Die Autorin: Rebecca Milla war Malerin und Schauspielerin, bevor sie Schriftstellerin wurde. Für ihre Verfilmung der Short Stories aus ihrem ersten Buch erhielt sie den Grand Jury Prize at Sundance. Es folgten die Filme „Angela“ und „The Ballad of Jack and Rose“. Auf Deutsch erschienen ihre Short Stories unter dem Titel „Als sie seine Schuhe sah, wusste sie, dass sie ihren Mann verlassen würde“.


    Die Übersetzerin:Reinhild Böhnke wurde 1944 in Bautzen geboren und ist in Leipzig tätig. Sie ist Mitbegründerin des sächsischen Übersetzervereins „Die Fähre“. Reinhild Böhnke übersetzte neben den Werken von J.M. Coetzee u.a. Margaret Atwood und Sarah Emily Miano.


    Klappentext: Ein amerikanischer Traum in Manhattan. Eine ganz normale Familie. Pippa Lee ist glücklich verheiratet, hingebungsvolle Mutter und großzügige Gastgeberin. Ist das wirklich Pippas Traum vom Leben? Denn eigentlich ist sie jemand ganz anderes: Als aufmüpfige Teenagerin tauchte sie in die Sexparties und Drogenexzesse von Soho ab bis sie die Notbremse zog. Aber jetzt in der Normalität, merkt sie, dass das Leben nicht aufgeht, wenn andere die Korken knallen lassen. In einer klaren und kraftvollen Sprache stellt Rebecca Miller die wichtigsten Fragen. Packend und sehr einfühlsam erzählt sie von Pippas Suche nach dem richtigen Leben und der Entdeckung, dass das ganze Glück direkt vor unseren Augen liegen kann.


    Meine Rezension: Dies ist eines der wenigen Bücher, bei denen der Klappentext ziemlich in die Irre leitet. Ich hatte vermutet, es handele sich um ein Frauenbuch über eine Aussteigerin und zweifelte erst, da ich diese Art Bücher nicht so gern lese, doch es wurde mir empfohlen und so beschloss ich es einfach anzulesen. Schon vorweg, ich habe es in einem Zug ausgelesen, denn es ist ein so schön geschriebenes ruhiges Buch, das ich es sofort mochte. Es wird die Lebensgeschichte von Pippa Lee erzählt, einer Frau, die mit ihrem 30 Jahre älteren Mann in ein Haus in einer „Seniorenstadt“ zieht. Pippa ist knapp Fünfzig und sieht hier ihre Endstation.


    In Rückblicken wird von ihrer Kindheit und ihrer Jugend erzählt und man sieht ihr ganzes bisheriges Leben vor sich. Als einziges Mädchen in einer Schar Brüder hat sie ein ganz besonderes Verhältnis zu ihrer Mutter, bis sie herausfindet, dass deren hektische Fröhlichkeit durch dauerhaften Speedkonsum verursacht wird. Sie kann ihr nicht verzeihen und flüchtet zu ihrer lesbischen Tante nach New York, wo sie dann eine Zeit an Sexparties teilnimmt, selbst Drogen nimmt und sich sogar zugedröhnt zu ihrer Mutter fahren lässt, um ihr wütend zu zeigen, dass sie ihrem Beispiel folgt.


    Langsam kristallisiert sich bei dieser Facettenreichen Geschichte das Thema eines Mutter-Tochter-Konfliktes heraus. Auch wenn es viele Nebenstränge gibt, so ist es doch dieser Erzählstrang, der sich durch das ganze Buch zieht. Man erfährt viel über Pippas gestörtes Verhältnis zur Mutter, deren Verhalten ebenfalls auf Problemen mit ihrer Mutter begründet ist und so ist es nicht verwunderlich dass auch Pippa später mit der eigenen Tochter nicht gut auskommt. Pippa wird noch viele Überraschungen in der vermeintlichen Endstation für Senioren erleben und Rebecca Miller hat Mitleid mit ihrer Protagonistin, denn sie nimmt ihr und uns die Langeweile, indem sie noch einiges für sie bereithält. Und auch uns Lesern zeigt sie, dass das Leben erst aufhört, wenn man es – wenn man sich selbst aufgegeben hat. Ich weiß nicht, warum ein Buch über ein so bewegtes Leben und über solch einen schwerwiegenden Konflikt wie ihn die Frauen in Pippas Familie auskämpfen, mich so vergnügt hat lesen lassen. Es muss am Schreibstil der Autorin liegen, die mich das alles mit den Augen von Pippa, mit einem gewissen „milden und mit dem Leben versöhnten Rückblick“ hat sehen lassen.


    Meine Empfehlung: Keine ganz große Literatur, aber eine ruhige und schön erzählte Geschichte für gemütliche Leseabende (und vielleicht einem anschließendem Telefonat mit der Mutter), deren Inhalt wohl eher nicht die die ganz jungen Leserinnen ansprechen wird, sondern der man ein Etikett „geeignet für Töchter ab 30“ aufdrücken könnte…



    Edit: Tippfehler

  • Hallo Eskalina,
    deine Rezension ist echt klasse!
    Ich habe das Buch auch gelesen und für mich war es eines der Bücher, die ich erst im Nachhinein gut fand. Nachdem ich den letzten Satz gelesen hatte, habe ich gedacht: "Das war gar nicht so schlecht." Während des Lesens plätscherte die Handlung ein wenig vor sich hin. Der Schreibstil hat mir gefallen, nur die Handlung hat mich zunächst nicht so gefesselt.


    Ich persönlich würde den Mutter-Tochter-Konflikt auch nicht so in den Mittelpunkt stellen. Aber da kann jeder Leser für sich entscheiden, welcher Aspekt für ihn in den Fokus rückt. Natürlich spielt dieser Konflikt ein wichtige Rolle. Weitaus interessanter war für mich aber der Rahmen, der die Handlung umgibt. Es beginnt ja damit, daß Pippa mit ihrem sehr viel älteren Ehemann in diese Seniorensiedlung zieht. Im Verlauf des Buches wird dann ihre Lebensgeschichte erzählt und damit ja letztendlich auch die Geschichte, wie es zu dieser Situation gekommen ist. Zum Schluss ist sie dann wieder in der Ausgangssituation und doch hat man ein ganz anderes Bild von dieser Situation, nachdem man ihre Lebensgeschichte kennt. Deshalb konnte ich auch erst hinterher sagen, daß es mir gefallen hat.


    Wo ich dir zustimme ist die Empfehlung für nicht ganz junge Leser, auch wenn das peppige Cover vielleicht etwas anderes suggeriert.


    Von mir gibt's 7 von 10 Punkten.

  • Meine Rezension
    Pippa Lee ist Mitte 30, ihr Mann ca. 60, als sie in die Seniorensiedlung Marigold Village, das „Runzeldorf“ ziehen. Jetzt ist sie in den 50ern und ihr Mann ist … alt geworden. Sie scheint zu meinen, hier wäre nicht nur für ihren Mann, sondern auch für sie Endstation.


    In Rückblicken erfahren wir über ihr bisheriges Leben als einzige Tochter unter Söhnen, aufgezogen von einer Mutter mit einem ernsten Drogenproblem. Das nicht immer einfache Verhältnis der beiden zueinander nimmt einen großen Raum im Buch ein, obwohl viele Nebenstränge so ganz unaufdringlich noch viele, kleine weitere Geschichten über Pippa und ihre Familie erzählen.


    Unaufdringlich geschrieben schleicht sich die Geschichte in den Leser ein und man blättert gerne weiter um zu erfahren, wie alles endet. Erstaunlich fand ich dabei, wie ein Buch, das ein doch so bewegtes Leben erzählt, dennoch immer ruhig und gelassen dahinfließt. Ich fand diesen Gegensatz beruhigend – hektisches Leben UND hektische Schreibe wären mir hier zuviel des Guten gewesen.


    Die Rückblenden sind nicht explizit als solche gekennzeichnet und so verhedderte ich mich schon das eine oder andere Mal in den Zeiten, bis mir klar wurde, wo ich mich nun eigentlich befinde – ernsthaft gestört hat mich das aber nicht, da es eigentlich schon recht schnell ersichtlich war.


    Wie Eskalina schon sagte, ist das Buch eher nichts für die ganz jungen Leserinnen – aber ab ca. 30 würde ich das auch empfehlen.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Meine Meinung:


    Millers Roman ist in drei Teile gegliedert.
    Im ersten Teil lernt der Leser Pippa Lee als ruhige, ausgeglichene Frau in den Fünfzigern kennen, die mit ihrem Gatten, einem 80 jährigen, namhaften Verleger in eine beschauliche Wohnsiedlung für Senioren zieht und ihre Tage mit Besorgungen und Ausrichtung von Abendessen im Freundeskreis verbringt.
    Dieser erste Teil kommt sprachlich derart hölzern daher, dass ich versucht war, das Buch nach den ersten 50 Seiten wegzulegen.
    Vor allem sollte Miller bei künftigen literarischen Produktionen auf Metaphern gänzlich verzichten, denn diese erzeugen bestenfalls unfreiwillige Komik, schlechtestenfalls Magenschmerzen:
    (...) und überlegte, ob sie wohl schwanger sein könnte, trotz der Spirale, die sich noch in ihrem Unterleib befand wie von Astronauten auf dem Mond zurückgelassener Müll.


    Im zweiten Teil bessert sich der Stil, wird flüssiger, ist allerdings weit entfernt von sprachlicher Eleganz und wirkt den gesamten Roman hindurch bemüht.
    Kindheit und Jugend Pippas, die den zweiten Teil des Romans einnehmen, werden als richtungsweisend für Pippas zukünftiges Leben, für ihr Selbstverständnis als Ehefrau und Mutter, präsentiert.
    Ich wage zu behaupten, dass jeder dritte Jugendliche, und sei er in Hinterdupfingen aufgewachsen, auf ausschweifendere Sex-, Drogen- und Alkoholexzesse zurückblicken kann, als Pippa Lee sie während ihrer Zeit in New York erlebt. Hier fehlt das Zwingende, Unausweichliche, schlichtweg Stringenz. Statt dessen plätschert die Handlung so vor sich hin, wie auch im dritten Teil des Romans, der den Leser wieder in die Seniorensiedlung holt und zeigt, wie Pippa Lee letztendlich aus ihrem alten Leben ausbricht.


    Einiges hat mich an diesem Roman gestört:
    Zum einen der meines Erachtens flache Stil, die blutleeren, zum Teil regelrecht hohlen Figuren, die munter Klischees bedienen und nicht zuletzt die dümmlichen Kapitelüberschriften, die wirken, als hätte eine Schülerin die Aufgabe bekommen, die Inhalte einzelner Passagen in jeweils einem Wort zusammenzufassen.
    Eines dieser Kapitel, das mit Hopper überschrieben ist und allegorischen Bezug auf ein Hopper-Gemälde nimmt, verdeutlicht das eklatante Manko dieses Romans:
    Hopper braucht wenige Pinselstriche, um beim Betrachter seiner Bilder Gefühle oder wenigstens Ahnungen zu evozieren,
    Rebecca Miller vergeudet tausende von Worten, ohne auch annähern Atmosphäre zu erzeugen.

  • Wißt ihr, dass Rebecca Miller die Tochter von Arthur Miller und Inge Morath, der Fotografin, ist?


    Über Inge Morath haben wir uns schon in der Leserunde "Die Liebenden des Lichts" unterhalten.
    Eines meiner Lieblingsfotos von ihr ist das Kamel, das seinen Hals aus einem New Yorker Taxi rausstreckt. :anbet
    (Ich werde versuchen, euch dieses Foto hierher zu verlinken)


    Die Geschichte liest sich unaufgeregt, trotz Sex und Drogen und familiärer Zerwürfnisse.
    Ziemlich überrascht war ich allerdings dann doch über die Entwicklung der Pippa Lee, v.a. als ich mich in einschlägigen Lokalen wiederfand, der Text plötzlich eine Kehrtwende nimmt und von der Handlung in einer Seniorenresidenz in die Niederungen der New Yorker Sexszene abdriftet.


    Bisher hätte ich mir anderes erwartet, nämlich die Höhen und Tiefen der Pippa Lee in der "Endstation" Seniorienresidenz, durchzogen von punktuellen Rückblenden.


    Tatsächlich ist es eine Aneinanderreihung von Zeitblöcken, die der Leser dann zu einem Ganzen zusammensetzen und seine Schlüsse daraus ziehen kann.


    Aber noch bin ich nicht fertig mit dem Buch...

  • Titel: Pippa Lee
    Originaltitel: The Private Lives Of Pippa Lee
    Autorin: Rebecca Miller
    Verlag: S. Fischer
    Erschienen: Juli 2008
    Seitenzahl: 368
    ISBN-10: 3100490126
    ISBN-13: 978-3100490124
    Preis: 19.90 EUR


    Rebecca Miller ist die Tochter des amerikanischen Dramatikers Arthur Miller. Bevor sie Schriftstellerin wurde war sie Schauspielerin und Filmemacherin. Sie gehört in die Gruppe der „neuen amerikanischen Autoren“ in der sich beispielsweise auch Jonathan Frantzen und Siri Hustvedt tummeln.


    Worum geht es in ihrem Roman „Pippa Lee“?


    Der Klappentext sagt dazu folgendes:


    „Ein amerikanischer Traum in Manhattan. Eine ganz normale Familie. Pippa Lee ist glücklich verheiratet, hingebungsvolle Mutter und großzügige Gastgeberin. Ist das wirklich Pippas Traum vom Leben? Denn eigentlich ist sie jemand ganz anderes. Als aufmüpfige Teenagerin taucht sie in Sexparties und Drogenexzessen von Soho ab – bis sie die Notbremse zog. Aber jetzt in der Normalität merkt sie, dass das Leben nicht aufgeht, wenn andere die Korken knallen lassen. Pippa nimmt ihre Sachen und bricht ein weiteres Mal aus.“


    Dieser Klappentext wird dem Buch leider nicht gerecht. In einer wunderbar klaren, nicht verklausulierten Sprache erzählt Rebecca Miller die Geschichte der Pippa Lee. Aus dieser Geschichte spricht zum einen ein resignativer Optimismus und eine Resignation die aber immer noch Raum für jedwede Hoffnung lässt. Rebecca Miller muss sich hinter niemand verstecken. Sie hat ein kraftvolles, ein sehr intensives Buch geschrieben. Ihr Realismus ist teilweise verblüffend. Es wäre aber völlig falsch, Rebecca Miller an ihrem Vater Arthur Miller zu messen – beide stammen aus völlig verschiedenen Zeiten und haben wahrscheinlich auch eine völlig unterschiedlichen Intention bezüglich des Schreibens. Arthur Miller wäre sicher stolz auf seine Tochter gewesen – einfach jetzt mal so behauptet.


    Die moderne Literatur lebt! Rebecca Miller schreibt nicht Mainstream, sie setzt eigene Duftmarken, sie imitiert nicht – sie ist einfach nur Rebecca Miller. Endlich mal ein Buch das nicht aus dieser unsäglichen Thriller-Maschinerie oder diesem peinlichen Biss-Gedöns der USA kommt. Wirklich lesenswert. Mich hat dieses Buch begeistert, ganz einfach aus dem Grunde weil es die Dinge so bezeichnet wie sie heißen. Es wird nicht um den heißen Brei herumgeredet. Klar, realistisch – und ohne Scheuklappen.


    Gelungen, flüssig geschrieben, gut lesbar.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Ich habe es jetzt nach ca. 100 Seiten abgebrochen.
    Der Stil ist einfach zu lesen, aber nicht literarisch, was prinzipiell ja nicht schlimm ist.
    Pippa zieht mit ihrem weitaus älteren Mann nach Runzelhausen einer Siedlung für Rentner, oder aber Menschen in ihrem letzten Lebensabschnitt.


    Er erfolgreicher Verlagsbesitzer und Lektor, sie liebende Hausfrau und Mutter, deren Kinder aus dem Haus sind. Mit den richtigen Freunden (intellektuell, erfolgreich, etabliert, wohlhabend) und dem richtigen Häuschen.


    Dann erfolgen die Rückblenden in Pippas Leben und mich haben sie nicht im mindesten interessiert. Auf gut Deutsch war mir das echt wumpe, was sie da so erlebt hat :-( ich scheine irgendwie nicht die Zielgruppe zu sein.


    Auf jeden Fall habe ich es jetzt zur Seite gelegt und es mir in den Kalender geschrieben, dass ich es zur richtigen Zeit noch einmal zur Hand nehme 2018 oder so :lache



    gestrichene Segel grüße von Elbereth :wave

    “In my opinion, we don't devote nearly enough scientific research to finding a cure for jerks.”

    ― Bill Watterson

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Elbereth ()

  • Ich weiß jetzt nicht so recht, was ich jetzt sagen soll. :gruebel


    Ihr habt völlig Recht, das Buch liest sich problemlos.


    Der Inhalt ist weniger gefällig, Teil eins bis drei variieren sehr stark voneinander und sollten letztendlich doch eine gedankliche Einheit ergeben.


    Interessant finde ich, das das Thema der Persönlichkeitsfindung auch gleichzeitig eines der Hauptthemen eben dieser Gruppe, der "neuen amerikanischen Autoren" ist, von der Voltaire geschrieben hat.
    Franzen und auch Hustvedt sind dabei geradezu klassische Vertreter der Selbstfinder.


    Interessant wäre auch zu wissen, ob es irgendeine Rolle spielt, dass die Autorin die Tochter von Arthur Miller und (für mich persönlich interessant, weil mir die Fotografien so gut gefallen) Inge Morath ist.


    Ich glaube, ich werde einfach noch ein weiteres Buch von Rebecca Miller lesen...Bis dann! :wave


    p.s. Das Cover finde ich nicht sehr gelungen.