Chris Cleave - Lieber Osama

  • Titel: Lieber Osama
    Autor: Chris Cleave
    Verlag: rororo (2008)
    Seiten: 299
    Sprache: Deutsch


    Kurzbeschreibung
    Beim wichtigsten Fußballspiel des Jahres explodieren mitten im Londoner Arsenal-Stadion mehrere Bomben. Tausend Menschen sterben. Massenpanik. Paranoia. Die Stadt ist im Ausnahmezustand. Eine junge Frau verliert bei dem Terroranschlag ihren Mann und ihren Sohn. Nach wochenlangem Krankenhausaufenthalt und Schockzustand macht sie sich in einem Brief an Osama bin Laden persönlich Luft. Und sie lässt dabei nichts aus …


    Über den Autor
    Chris Cleave, 1973 in London geboren, verbrachte seine Kindheit in Kamerun, wo sein Vater eine Brauerei betrieb. Später studierte er in Oxford Experimentelle Psychologie, segelte im Auftrag reicher Leute Yachten durchs Mittelmeer, arbeitete einige Zeit als Barmann in Australien, dann als Journalist beim "Daily Telegraph" und schließlich als freier Schriftsteller. "Lieber Osama" ist sein erster Roman, der gerade mit Michelle Williams und Ewan McGregor verfilmt wird.


    Meine Meinung
    Ich habe "Lieber Osama" an nur zwei Tagen durchgelesen, da es schnell und flüssig lesbar ist. Das ganze Buch ist aus der Sicht der Hauptperson erzählt, die, nach dem sie ihren Mann und ihren Sohn bei einem Attentat verloren hat, einen Brief an Osama Bin Laden schreibt. Zu Beginn haben mir die Idee und auch die Sprache des Romans eigentlich ganz gut gefallen, aber mit der Zeit wurde es mir dann doch etwas zu Klischeebeladen und Metaphern wie „Junge als Geruch ist ein guter Geruch, irgendwo zwischen Engel und Tiger“ konnten mich nicht wirklich begeistern.


    Es gab zwar immer wieder witzige oder auch berührende Momente, aber an manchen Stellen erinnerte mich das Buch – der Polizist, der ein dunkles Geheimnis hat; der Journalist, der zum Kokser wird – dann doch eher mehr an eine Gesellschaftssatire und es wirkte überzogen.


    Fazit: nettes Buch für zwischendurch, für mich war es aber nicht mehr.

  • Danke für die Rezi, das Buch steht schon eine ganze Weile auf meiner Wunschliste. Obwohl du nicht so richtig überzeugt bist (so richtig schlecht fandest du es ja auch nicht :grin), bleibt es da vorerst, ich bin einfach zu neugierig *g*


    Allerdings hab ich das Metapher-Beispiel von dir nicht kapiert :gruebel

  • Nein, richtig schlecht nicht - ist halt die Frage, welche Erwartungen man an Literatur hat. Mir waren es halt zu viele Klischees und Stereotype.


    Zitat

    Original von milla
    Allerdings hab ich das Metapher-Beispiel von dir nicht kapiert :gruebel


    Vielleicht war Metapher das falsche Wort, aber wer würde denn den Geruch seines Sohnes irgendwo zwischen "Engel und Tiger" einordnen? Solche Sätze kamen mir beim Lesen einfach manchmal doch etwas komisch.

  • Lieber Osama ist eine erschreckt realistisch beschriebene Geschichte um eine Frau die ihren Mann und ihr Kind verliehrt, und anschließend verrückt wird.


    Grausig beschrieben ist der Terrorangriff auf das Stadion, dieser Einblick wird einen noch etwas länger begleiten fürchte ich. Das zählt aber nur zu der Klasse dieses Buch.


    Allerdings finde ich den weiteren Verlauf des Buches eher Befremdlich. Es ist klar was das Buch sagen möchte, und auch wenn ich öfter gelesen habe das es ganz lustig sein soll. Gelacht hab ich selten!
    Jedenfalls ist der weitere Verlauf keiner leih entwicklung bzw die entwicklung ist sehr negativ. Klar ist, man es kann nicht nur ein Happy End geben. Aber ich finde Bücher wie Lieber Osama sollten Opfern und generell betroffenen Trost und Hoffnung spenden. Sie sollten zum Mut aufrufen. Dies tut für mich Lieber Osama nur teilweise. Denn einerseits können sich sowohl betroffene als auch nicht betroffene Leser gut in die Person und das Geschehen einlesen. Andererseits aber finde ich vor allem für betroffene das Buch nicht als Hilfe. Es gibt keinerleih hoffnung.


    Die Aussage ist die Welt ist schlecht und wir sind mitten drin und können nichts tun. Oder auch Macht die Augen auf "Sie wussten es", sie tun alles mögliche um uns zu disziplinieren und zu unterwerfen. Gewagte Worte, aber nichts anderes sagt dieses Buch. Es ist wohl eher weniger die Kritik oder gar ein Brief an Osama, sondern versteckte Kritik an unserer Welt. Doch diese ist für mich viel zu Spekulant und zu schlecht recherchiert.


    Hier wird wild spekuliert und mit Storywendungen um sich geworfen, irgendwann verfallen die Figuren dem Zwanghaftem Drang des Autoren noch mehr Kritik wie möglich in das Buch zu packen. Von dem so überall gepriesenem Sarkasmus konnte ich nur wenig lesen.
    Jedenfalls ist für mich Lieber Osama von Chris Cleave kein Meisterwerk, aber auch nicht schlecht. Trotzdem erwarte ich von so einem Thema einfach mehr recherche, mehr Kritik und einfach generell mehr. Ein Hoffnungsschimmer hätte dem Buch auch nicht geschadet. So bleibt Lieber Osama ein Buch mittlerer Klasse, das man nicht unbedingt gelesen haben sollte.

  • Meine Rezension:


    Als ihr Mann und ihr 4jähriger Sohn bei einem Terroranschlag auf das Arsenal-Stadion in London ums Leben kommen, ist im Leben der jungen Johanna nichts mehr wie es vorher war. Um mit diesem Schicksalsschlag fertig zu werden, beginnt sie einen Brief an Osama bin Laden zu schreiben, den Drahtzieher des Anschlags. In diesem Brief macht sie ihrer Trauer, ihrem Ärger, ihrer Hoffnungslosigkeit, ihrer Sehnsucht nach ihrem Sohn und ihrer tiefen Verzweiflung Luft. Trotz oder vielleicht gerade wegen ihres sozialen Stands und ihres eher schlichten Gemüts ist ihr Brief aber nicht nur eine Anklage einer Mutter gegen den Terror, sondern auch gegen die sozialen Unterschiede in der westlichen Welt und zugleich Ausdruck des schlimmsten Verlusts, den eine Mutter wohl erleiden muss und der verzweifelte Versuch, irgendwie weiterzuleben. Wie viele Traumatisierte "wählt" auch Johanna einen Weg, mit der Tragödie fertig zu werden, der ihr jedoch gleichzeitig den Weg zurück in ein normales Leben versperrt. Von vielen wird sie unverstanden und gemieden, nur wenige Freunde bleiben ihr, die jedoch alle selbst mehr oder minder mit der Katastrophe leben müssen und ihr eigenes Päckchen zu tragen haben.
    Chris Cleave hat mit seinem Debütroman einen sehr bewegenden Roman vorgelegt, der vor allem durch seine Hauptfigur besticht. Ihre Gedanken und Gefühle sind für den Leser absolut nachvollziehbar, so verrückt sie auf den ersten Blick auch scheinen mögen und so teilt er ihre Verzweiflung und Trauer voller Empathie und hofft wider besseren Wissens in seinem tiefsten Herzen, dass so eine Situation möglichst vielen Menschen erspart bleibt.


    8 Punke von mir!