Grabesgrün - Tana French

  • Originaltitel: In the woods (2007)
    Scherz Verlag, 672 S.


    Umschlagtext:
    Wer bringt ein kleines Mädchen um und bahrt es auf dem Opferaltar einer Ausgrabungsstätte auf? Jede Spur, die die beiden jungen Dubliner Ermittler Rob und Cassie verfolgen, führt sie nur tiefer in ein Dickicht, in dem sich alle Gewissheiten in ihr Gegenteil verkehren. Und keiner darf erfahren, dass Rob vor vielen Jahren selbst etwas Furchtbares erlebt hat – im Wald bei ebenjener Ausgrabungsstätte …


    Über die Autorin:
    Mit der jungen irischen Autorin Tana French betritt ein außergewöhnliches Erzähltalent den Tatort. Sie wuchs in Irland, Italien und Malawi auf und lebt seit 1990 in Dublin. Tana French machte eine Schauspielausbildung am Trinity College und arbeitet für Theater, Film und Fernsehen. »Grabesgrün« ist ihr erster Roman; sie schreibt an ihrem zweiten Krimi mit der Ermittlerin Cassie Maddox in der Hauptrolle.


    Meine Meinung:
    Mit seiner Kollegin Cassie Maddox bildet Detective Rob Ryan ein eingespieltes Team. Zwischen den beiden hat sich im Laufe ihrer Zusammenarbeit eine tiefe Freundschaft entwickelt. Die beiden ermitteln in dem Mordfall an der 12-jährigen Schülerin Katy Devlin, die auf einer archäologischen Ausgrabungsstätte tot aufgefunden wird. War es ein Ritualmord oder ein Sexualverbrechen? Die Familienmitglieder benehmen sich seltsam, hat einer von ihnen mit der Tat zu tun? Oder war es doch ein Denkzettel für Katys Vater, der sich in einer Bürgerinitiative engagiert, die sich gegen den Bau einer Schnellstraße durch das Ausgrabungsgebiet wehrt? Im Laufe der Ermittlungen wird Rob immer häufiger an seine eigene Vergangenheit erinnert. Denn vor vielen Jahren sind in einem Wald ganz in der Nähe zwei seiner Freunde spurlos verschwunden.


    Rob profitiert von der Stärke seiner selbstbewussten Partnerin. Mit ihm konnte ich während des ganzen Romans nicht warm werden, manchmal tat er mir leid. Cassie dagegen war mir sehr sympathisch.


    Dieser Roman ist nicht nur ein Krimi, sondern auch eine Geschichte über die Freundschaft.
    Das Buch ist in einem äußerst ungewöhnlichen Erzählstil geschrieben. Stellenweise fast tagebuchartig lässt die Autorin Rob Ryan in der Ich-Form seine Version der Geschichte schildern. Auch dank der guten Übersetzung gelingt hier das Kunststück, den Leser über viele viele Seiten bei der Stange zu halten, obwohl gar nicht viel passiert, was die Story vorantreibt. Polizeiarbeit ist mühsam, wenn der Mörder nicht innerhalb der ersten 24 Stunden gefasst werden kann und genau das erleben wir hier im Detail. Der Krimi kommt ohne brutale Szenen oder Actioneinlagen aus, denn das Böse schleicht sich lautlos und daher um so unfassbarer ein. Man liest und liest und es geschieht ja eigentlich nicht viel, doch dann geht es allmählich weiter und weiter hinab in die dunklen Tiefen der menschlichen Psyche.

    Ab und zu gibt es geheimnisvolle Andeutungen, die die Geschichte aber zunächst nicht durchsichtiger machen. Zwei Drittel des Romans vergehen, bevor die Sache langsam in Fahrt kommt und noch immer hatte ich keine Ahnung, worauf es hinauslaufen würde. Der tolle Erzählstil der Autorin bewahrte mich vor der Langeweile. Endlose polizeiliche Ermittlungen, die immer wieder ins Leere laufen, wechseln sich ab mit Rückblenden, die nach und nach auch Licht in Robs Vergangenheit bringen. Die Auflösung führt schließlich tief hinab in die erschreckenden Abgründe der menschlichen Psyche und ließ mich fröstelnd zurück. Das Ende ist der glaubwürdige Abschluß einer Geschichte, von der ich mir dringend wünsche, dass sie wirklich nur reine Fiktion ist.
    Von mir gibt es 9 Punkte.


    Ach ja: Es wird eine Fortsetzung geben und die steht ganz sicher auf meiner Wunschliste.

  • JaneDoe, deiner Meinung kann ich mich nur anschließen.
    Vielleicht ist es von der reinen Krimihandlung nicht so superspannend. Das hat mich persönlich aber überhaupt nicht gestört, weil ich eigentlich immer das Drumherum und die Personenzeichnung interessanter finde als die Frage nach dem Täter.
    Und dieser Krimi ist einfach gut geschrieben und die Personen werden sehr überzeugend dargestellt.
    Von mir gibt's ebenfalls 9 von 10 Punkten.
    Hoffentlich lässt die Fortsetzung nicht allzu lange auch sich warten.


    Edit: Habe gerade gesehen, daß der zweite Teil auf Englisch im August erscheint.

  • Sabine_D ,
    ja, die meisten Bücher sind bei mir 8er oder gar 7er Kandidaten. 10 Punkte vergebe ich ganz, ganz selten.
    Und hier war es so, daß ich am Anfang nur 7 Punkte vergeben hätte. Aber das Buch steigert sich enorm. Und als ich dann durch war, war klar, im Rückblick verdient es glatte 9 Punkte.

  • Meine Meinung:


    Eigentlich ist es fast schade, diesen Roman bei den Krimis/Thrillern einzusortieren (was natürlich dennoch richtig ist), für mich gehen die Qualitäten von Grabesgrün weit über das hinaus, was in diesem Genre größtenteils anzutreffen ist.
    Zum einen ist dieser Kriminalroman auch sprachlich ungeheuer schön und reizvoll. Frenchs Stil ist schnörkellos, klar, die Bilder sind unverbraucht und intensiv. Hier wird nicht einfach nur erzählt, um die Handlung auszubreiten und darzulegen, Grabesgrün hat auch literarisch durchaus etwas zu bieten.
    Besonders beeindruckt hat mich, dass es der Autorin gelingt, eine wirklich unverwechselbare, beklemmende, authentische Atmosphäre zu erzeugen.
    Großen Raum innerhalb des Romans nimmt Robs Vergangenheit ein, die möglicherweise in unmittelbarem Zusammenhang mit dem aktuellen Fall steht, sowie dessen Beziehung zu seiner Partnerin Cassie.
    Auch als am Ende der eigentliche Fall gelöst, der Täter gestellt und somit das Buch eigentlich weggelegt werden könnte, um vergessen zu werden, bleibt da etwas, das nachklingt, das einen über die Lektüre hinaus beschäftigt. Ein Gefühl für das Innenleben der Figuren, ein Interesse an deren Schicksal über das Ende des Romans hinaus. Deshalb bin ich hoch erfreut, dass es einen Nachfolger geben soll, diesmal wohl aus Cassies Sicht erzählt, den ich auf jeden Fall ebenfalls lesen werde.
    Grabesgrün ist für mich innerhalb dieses Genres etwas besonderes, weil es mich wirklich berührt und bewegt hat.
    Wer nervenzerfetzende Spannung im Stile der unzähligen 08/15-Thriller erwartet, wird vermutlich enttäuscht sein, wem der Sinn nach psychologisch-literarischer Spannung steht, kann ich Grabesgrün nur ans Herz legen.
    Und weil ich mich nicht erinnern kann, in den letzten drei Jahren einen besseren Krimi gelesen zu haben, gibt es 10 Punkte.

  • Ich habe eben mit meiner Mutter telefoniert, der ich "Grabesgrün" vor ein paar Tagen aufs Aug gedrückt habe ...
    Sie war hellauf begeistert und meinte, es sei "genial".
    Dazu muss man wissen, dass die Bücher, die ich mag, bei meiner Mam eigentlich nie auf Gegenliebe stoßen und umgekehrt ...
    Deshalb bin ich jetzt grade zu dem Schluss gekommen, dass "Grabesgrün" fast jedem gefallen muss, wenn wir beide es mögen :lache

  • Nachdem ich so begeistert war und immer noch bin, habe ich mir jetzt den zweiten Roman von Tana French, der aus Cassies Sicht geschrieben ist, auf englisch bestellt :-]
    Morgen kriege ich ich es, mal sehen, ob ich dann immer noch so erfreut bin, ich habe schon ewig kein Buch mehr auf englisch gelesen ... :lache

  • Danke für die tolle Rezi. Ich werde mir das Buch wohl auch besorgen...aber erst, wenn ich meinen SUB wieder unter 100 habe :-].

    Mir fällt leider kein guter Spruch für eine Signatur ein, aber wenn ich keine habe, stehen die Verlinkungen zu Amazon immer zu dicht unter der letzten Zeile meines Beitrages :rofl.

  • Also, das wurde auch in der neuen bücher hoch gelobt! Kommt auf meine Wartewunschliste fürs TB-Erscheinen! :-)

    ...der Sinn des Lebens kann nicht sein, am Ende die Wohnung aufgeräumt zu hinterlassen, oder?


    Elke Heidenreich


    BT

  • Meine Meinung: Ein unglaublich gutes Debüt hat die Autorin Tana French mit diesem Buch vorgelegt und damit die Erwartungshaltung auf alles, was sie in Zukunft schreiben wird, sehr hoch gesetzt. Sprachlich brillant schafft sie es, eine düstere und knisternde Spannung zu erzeugen, die die gesamte Geschichte hindurch anhält. Ihre Protagonisten sind absolut gut durchdacht, und man erschrickt nicht nur über die beschriebene Psyche von Opfer und Täter, sondern gerät auch in die undurchsichtige Erinnerungswelt von Kommissar Ryan, der zusammen mit seiner Kollegin Cassie den Fall lösen soll.


    Ryan, der als Kind zusammen mit zwei Freunden im Wald des Ortes, an dem nun die Leiche eines Mädchens gefunden wurde, verschwand und ohne seine Freunde wieder auftauchte – verwirrt, ohne Erinnerungen und mit Blut in den Schuhen, soll ausgerechnet hier ermitteln. Seine Flashbacks sind es, die neben den eigentlichen Ermittlungen eine große Rolle spielen und die die Geschichte bis zum Schluss und darüber hinaus beeinflussen, denn neben der Frage nach dem Täter, steht auch die Frage nach dem, was damals mit den Kindern geschah und ob es eine Verbindung zur Vergangenheit gibt. Alle Fragen werden nicht geklärt und so warte ich voller Ungeduld auf den nächsten Band, der hoffentlich genauso beeindruckend ist, wie dieses Buch.

  • Zitat

    Original von Sylvi
    Hört sich ja echt gut an deine REZI :wave kommt gleichmal auf meine WL


    :write
    Den Weg auf meine WL hat das Buch jetzt auch gefunden.

    Versuche zu kriegen, was du liebst, sonst bist du gezwungen, das zu lieben, was du kriegst
    :lesend"Herren der Unterwelt;Schwarzer Kuss" Gena Showalter

  • Ich kann mich den Lobeshymnen nur anschließen. Selten hab ich ein Buch gelesen, in dem die Protagonisten so lebendig sind. Ob man sie mag oder nicht, sie sind wie aus dem Leben gegriffen und bekommen sehr viel Kontur.
    Das alles wirkt so authentisch, das es wahr sein könnte, jedes Wort kann ich der Autorin glauben.


    Wie schon gesagt wurde, ist der Roman einfach unglaublich gut geschrieben und aufgebaut. Rückblickend aus Robs Sicht geschrieben, der schon zu Beginn das Wissen um das Ende hat. Dazu seine eigene traumatische Vergangenheit, bei der noch viele Fragen offen bleiben zum Schluß. Die privaten Verstrickungen und Verwirrunen der Figuren, die nicht nerven und weit davon entfernt sind, so schematisch-problembehaftet zu sein wie viele andere Polizisten in Büchern. Der Autorin gelingt es unglaublich gut, eine feine interessierte Spannung aufzubauen, den Leser im Dunkeln tappen zu lassen, Polizeiarbeit zu zeigen und zugleich soviel Augenmerkt auf innere Zerrissenheit und psychologische Aspekte zu legen. Und die Auflösung hat es auch in sich.


    Ich kann mich ebenfalls nicht erinnern, einen derart unglaublichen Thriller in den letzten Jahren gelesen zu haben. Und da er als Nicht-Thriller ebenso gut funktioniert, bekommt er von mir 10 Punkte. Wer Lust auf ein wirklich gutes Buch hat, das einiges zu bieten hat und obendrauf noch eine Krimihandlung sollte sich "Grabesgrün" nicht entgehen lassen.


    Ich bin schon gespannt aufs nächste Buch. Das Tana French diesmal aus Cassies Sicht schreibt, finde ich genial. Sie wechselt die Perspektive. Ich kanns kaum erwarten!