'Die zwölfte Nacht' - Seiten 265 - 364

  • ich bin bisher nur mit der sechsten Nacht fertig und schreib erst zu dem Abschnitt etwas - danke, dass Ihr bei Euren Zusammenfassungen die Kapiteleinteilungen mit drin hat, so kann ich das spoilern vermeiden!



    Generell habe ich dieses Kapital genossen, es enthält so viele wunderschöne Stellen, dass mein Buch vor lauter Zettelchen schon ganz bunt ist.


    zB auf Seite 273 "Wenn dein Gott wollte, dass wir Engel sind, ist Er selbst schuld, denn weshalb hat Er uns als Menschen erschaffen?" - toll!


    kurz darauf diese gruselige Szene, als das Kloster niedergebrannt wird- schrecklich! da habe ich Edward fast gehasst, dass er nicht eingeschritten ist.


    Meine Lieblingsscene ist aber die Kussscene auf Seite 295 - die hab ich bestimmt drei Mal hintereinander gelesen und das sogar laut. wunderschön!




    (google: anglikanische Kirche, das Hohelied Salomons)

  • Zitat

    Original von Paradise Lost


    Beim Turnier steigert Anne sich richtig in Toms Kämpfe hinein, bildet sich sogar ein, er würde für sie kämpfen. Als er jedoch Catherine bittet beim letzten Kampf ihr Ritter sein zu dürfen beschliesst sie eiskalt, dass er sterben muss, koste es was es wolle. Da merkt man erst, wie arg die Wunde durch seine Demütigung noch in ihr schwärt. Ich hatte gleich so ein Gefühl, dass die Szene noch Folgen haben wird. Ich finde Tom war da auch wieder arg unvorsichtig als er plötzlich lustlos aufgab ohne gekämpft zu haben. Da wird doch jeder auf die Beziehung zu Catherine aufmerksam. Er ist ein Mann und ungebunden, aber macht er sich gar kein Gedanken, dass Cathrine da vielleicht mal als Ehebrecherin ins Gespräch kommt und vielleicht mit Strafen rechnen muss?



    Anne ist mir sehr unsympathisch, aber auch unnahbar. ihr traue ich nicht über den Weg und ich fürchte, sie wird noch zu einigem Trubel führen!



    mich wundert, dass wir von Catherine überhaupt nichts zu Toms Liebesleben erfahren. dass er ein Schwerenöter ist, weiß sie ja, sie lebt ja inzwischen in London und bekommt sicherlich alles brühwarm erzählt. aber wie geht es ihr dabei? ich kann mir nicht so recht vorstellen, dass ihr das so gar nichts ausmacht? ist sie tatsächlich so stark?

  • Ich glaub das hat damals einen anderen Stellenwert gehabt. Männer hatten Geliebte und Seitensprünge. Das wurde als normal angesehen und gehörte dazu. Treue hat wohl niemand verlangt, zumindest von den Männern nicht.


    Zudem denke ich, dass er ihr gefühlsmäßig wirklich treu war. Geliebt hat er nur Cathie. Die körperlichen Seitensprünge hat sie ihm da wohl nachgesehen.

  • Dass es ihr nichts ausmacht, glaube ich nicht.
    Aber ich denke, sie hat so viel Schlimmes erlebt und ist sich seiner inzwischen so sicher, dass sie es eben hinnehmen kann.
    Man redet sich die Dinge ja auch schoen, und schliesslich kann sie ja nicht wissen, ob er ihr auch im herkoemmlichen Sinne treu waere, wenn sie mit ihm lebte. (Auf seine Art finde ich ihn, wie gesagt, sehr treu.)


    Aber solche Gedanken moecht' ich euch eigentlich nicht vorsabbeln und meine Figuren erklaeren, sondern dem Leser ueberlassen, was er dazu denkt.


    In der Klosterszene hasst Edward, glaube ich, auch sich selbst.


    Paradises Zusammenfassung finde ich wieder himmlisch.
    Ja, Narde ist aus dem Hohelied, beinahe alle Liebesworte, die die beiden benutzen sind aus dem Hohelied Salomos.


    Ich habe das so gemacht - das ist nicht ganz leicht zu erklaeren - um einen zentralen Konflikt und seine Ueberwindung in der Frage der Bibeluebersetzung zu versinnbildlichen. Das muss natuerlich beim Lesen nicht auffallen! Es ist nur so ein bisschen Unterbau:


    Einer der schlimmsten Vorwuerfe, die Tyndale gemacht wurden, war der, das griechische Wort "Agape" nicht mit "charity", sondern mit "love" uebersetzt zu haben. Die Liebe Gottes und die Liebe unter den Menschen hat Tyndale damit als "aus demselben Material" erklaert (wie Luther uebrigens auf).
    Das ist ein ganz gewaltiger Schritt in ein anderes Denken.


    Damit gehoeren erstmals das Hohelied Salomos aus dem alten Testament und das Hohelied der Liebe aus Paulus' Korintherbrief zusammen. Im einen steht Eros und im anderen Agape, aber jetzt heissen sie beide LOVE.


    Tom und Cathie leben beide in einem und benutzen diese Worte.


    Ich bin niemandem boese, wenn er das als karierten Quark empfindet und dazu auch keine Lust hat. Es soll nur eine zusaetzliche Ebene sein fuer die, die es moegen.


    Die Szene mit Catherine und Cranmer hast Du so schoen erklaert!


    Und Toms Leichtsinn sehe ich ebenso. Er ist eben zumeist ein Epimeteus.


    Alles Liebe von Charlie

  • Zitat

    Original von Bouquineur
    Ich glaub das hat damals einen anderen Stellenwert gehabt. Männer hatten Geliebte und Seitensprünge. Das wurde als normal angesehen und gehörte dazu. Treue hat wohl niemand verlangt, zumindest von den Männern nicht.


    Zudem denke ich, dass er ihr gefühlsmäßig wirklich treu war. Geliebt hat er nur Cathie. Die körperlichen Seitensprünge hat sie ihm da wohl nachgesehen.


    So habe ich das auch verstanden.
    Gewundert hat mich nur, daß er da so ohne Geschlechtskrankheiten durchgekommen ist all die Jahre.

  • Bouquineur hat in Zwischenzeit geschrieben.
    Ja, so ist das besser erklaert - da haett' ich mir meins sparen koennen.


    Alles Liebe von Charlie

  • Die Übersetzung in "Liebe" finde ich wesentlich treffender und schöner als in "Barmherzigkeit".
    "Und hätte ich die Barmherzigkeit nicht..."
    Ich kann mir nicht vorstellen, dass das wirklich damit gemeint war. Liebe ist die passendere Übersetzung.


    Das Hohelied Salomos spart ja nicht an Anzüglichkeiten :lache
    Wer vermutet schon erotische Texte in der Bibel *g*

  • Zitat

    Original von JaneDoe


    Beowulf, Du hast nicht richtig gelesen. Ich schrieb, daß im 7. Abschnitt zum ersten Mal die Gaben aus dem Weihnachtslied nicht tatsächlich auftauchen. Sie werden hier erwähnt als diesmal "fehlten die Schwäne im Federkleid in der Speisefolge".


    Tauchen nicht auch zwei Schwäne (ohne Familie) vor dem Treffen von Tom und Cathie auf? :gruebel


    Irgendwie verstehe ich immer weniger deine Leidenschaft für Henry, Charlie... Er wird zunehmend unsympathischer, hässlicher, mürrischer (ich kenne ja noch nicht alles) - ich finde es schön, dass ein so leidenschaftliches Buch daraus entstanden ist, aber ich kann sie nicht nachvollziehen ...


    Zitat

    Original von Bouquineur
    Die letzen Sätze dieses Abschnittes lassen ahnen, dass Anne bittere Rache an Tom nehmen wird. In welcher Form auch immer. So wird aus Liebe (hat sie ihn wirklich je geliebt) und verzehrender Leidenschaft glühender Hass. Wehe dem, der diese Frau zum Feind hat.


    Ich bekomme auch Angst um die beiden - ich geb's zu, Tom ist mir sympathischer geworden. Interessant finde ich diesen "Waschzwang", ist der verbürgt, Charlie?

  • Tom wurde von mehreren Zeitgenossen als auf Koerperpflege versessener Pfau geschildert.
    Daraus habe ich mir erlaubt einen Waschzwang zu machen.


    Ich fand's unwiderstehlich.


    Alles Liebe von Charlie

  • Zitat

    Original von bartimaeus
    Irgendwie verstehe ich immer weniger deine Leidenschaft für Henry, Charlie... Er wird zunehmend unsympathischer, hässlicher, mürrischer (ich kenne ja noch nicht alles) - ich finde es schön, dass ein so leidenschaftliches Buch daraus entstanden ist, aber ich kann sie nicht nachvollziehen ...


    Geht mir ebenso.
    Ich ärgere mich jedesmal mehr über den König, der seine eigene Kirche aus mir unverständlichen Gründen mal zulässt, mal zum Todesgrund macht. Hat er seinen Mut verloren? Warum lässt er sich zum Handlanger seiner Untertanen (Howard, Seymour) machen und wechselt die Fahne, sobald eine neue Frau an seiner Seite schläft? Wieso ist er nicht der unabhängige und stete König, der er so gerne wäre? Und ist es, wie Cranmer fragt, schwer, dieser Mann zu sein? (S. 283) Ich finde keine Antwort. Er hat die Macht, er kann tun, was richtig ist. Er hat Bildung, Überblick, Erfahrung. Warum tut er es nicht?


    Anna dagegen gefällt mir, gerade weil sie so anders ist, als die Vorstellungen des Hofes es wünschen. Das der Maler beim Portrait geschummelt hat amüsiert mich. War das nicht übliche Praxis, bzw. wird das nicht heute digital genauso getrieben?
    Anna ist nach der Hochzeit eine gemachte Frau, darf die Trennung überleben und besitzt nachher ein eigenes Heim und ihre Ruhe. Vielleicht hat sie sich diese Unabhängigkeit immer gewünscht.


    Interessant ist Cathies Gedanke, es sei nicht das Böse, das versucht. (S. 288). Obwohl auch von Bösem, bzw. Verbotenem große Verlockungen ausgehen, ist es gerade das Schöne, dass man haben muss. Was tatsächlich Böse oder Schön ist wird ja weitgehend von der Umwelt oder einem selbst festgelegt. In Bezug auf weiblichen ausserehelichen Umgang ist das heute bedeutend lockerer geregelt als damals.


    Dudley ist ein weiterer der Herren, die ich grundsätzlich verabscheue und doch, sein Erlebnis in der Kindheit ist zu brutal, als dass ich ihn nicht ohne Milde betrachten kann (S. 301).


    Am beeindruckensten war für mich der Satz über die Floskeln (S. 304). Es ist schon so, dass der banalste Satz mehr Hilfe bringt als tiefes unsicheres Schweigen. Eine spontane Umarmung mehr, als ein weicher Händedruck.


    Amüsiert hat mich auch das erste Groupie, dass mir in einem historischen Roman untergekommen ist (S. 308). Fehlt nur, dass das Mädel sich den bewunderten Ritter aus Lederfetzen zusammen genäht an die Kammerwand hängt. Tom als Starschnitt. Darunter das Bord mit den erbeudeten Erinnerungsstücken :grin

  • Das ist kein bisschen abwegig, Liesbett.
    Bei diesen Turnieren sollen sogar reihenweise Damen in Ohnmacht gesunken sein.


    Doch, ich glaube, es war sehr schwer, Henry zu sein. Von Anfang an. Es war schwer, der zu sein, der einen hochgezuechteten Wunderprinzen (Arthur! Das ist in England kein Name, sondern ein Programm) ersetzen und diese wacklige Tudor-Dynastie pfahlgleich in den Boden rammen musste. Es war schwer, zweite Wahl zu sein und beweisen zu muessen: Ich bin die allererste. Es war schwer, niemandem trauen zu duerfen, von niemandem zu wissen: Ist der mein Freund oder der Freund meines Titels?
    Ich will ja meinen Heini nicht entschuldigen, ansonsten haett' ich, fuercht' ich, ein ganz anderes Buch schreiben muessen.
    Nur sagen: Wenn's schwer war, Heini zu ertragen - Heini musste es 24 Stunden am Tag.


    Anna von Klewe ist die Lieblings-Henryehefrau meines Mannes, er findet sie auch so richtig herzerfrischend, die "deutsche Stute", wie Heini sie charmant betitelte.
    Ich glaube auch, sie hat sich am Ende - zu Recht - die Haende gerieben: Den dominierenden Bruder war sie los und den Heini auch. Es sei ihr von Herzen gegoennt!


    Alles Liebe von Charlie

  • Ich habe mal die Bilder von Anna von Kleve und ihrer direkten Nacfolgerin verglichen- also sooo schlecht sah die Anna nun auch wieder nicht aus, selbst wenn man Malern unterstellt sie hätten geschummelt- dazu finde ich den Beitrag bei Wiki übrigens überdenkenswert. Wäre es ein sehr starkes schummeln gewesen hätten die Herren Brautwerber wohl keinen Sonnenaufgang nach der Nakunft überlebt...., aber manchmal liegt es eben nicht am Aussehen, sondern an der "Chemie".

  • Mein kleiner Sohn (5) erzaehlt ja jedem mit Begeisterung: "Die mochte der Henry nicht, weil die gestunken hat."


    Mein Mann wuerde Dich glatt zum Bier einladen, Beo. Er findet auch: Die Anna sieht klasse aus.


    Sagen wir's so: In jedem Fall war der ihrer harrende Braeutigam nicht huebscher, stimmt's?

  • Zitat

    Original von beowulf
    Ich habe mal die Bilder von Anna von Kleve und ihrer direkten Nacfolgerin verglichen- also sooo schlecht sah die Anna nun auch wieder nicht aus, selbst wenn man Malern unterstellt sie hätten geschummelt- dazu finde ich den Beitrag bei Wiki übrigens überdenkenswert. Wäre es ein sehr starkes schummeln gewesen hätten die Herren Brautwerber wohl keinen Sonnenaufgang nach der Nakunft überlebt...., aber manchmal liegt es eben nicht am Aussehen, sondern an der "Chemie".


    Irgendwie sehen sich doch alle sechs auf den Gemälden ähnlich :grin

  • Na ich weiss nicht ... es gibt in Hampton Court einen herrlichen Pub, in dem wir oft mit Leuten, die uns bei der Recherche halfen, anschliessend sassen, darin haengen alle sechs nebeneinander. Und da ging mein kleiner Sohn staendig lang und erklaerte: "Die ist schoen, die hat gestunken, die ist gar nicht schoen, die ist haesslich, die ist die schoenste ..."


    Sehr zur Belustigung von Pubgaesten und Personal.


    Alles Liebe von Charlie

  • Nicht so sehr anders als der von Henry, muss ich gestehen ... am schoensten findet er Anne Boleyn und ueberhaupt nicht gefaellt ihm Catalina von Aragon.

  • Fangen wir bei der hohen Politik an. Henry schwenkt also um. Was mir nicht ganz klar ist, war das eine Reform innerhalb der anglikanischen Kirche oder war es wirklich eine Rückkehr zur katholischen Kirche? War Henry eigentlich religiös?


    Bei der Gründnung der Kirche stehen ja eher politische Gründe im Vordergrund und die inhaltlichen nimmt er halt mit, weil er jene, die diese vertreten braucht, um seine Kirche zu behaupten. Die Exkommunikation scheint ihn nicht wirklich gestört zu haben. Insofern keine große Überraschung, dass der zu diesen Punkten auch nicht steht, weil sie rein aus Pragmatismus seinerseits geboren wurden.


    Obwohl der neuerliche Schwenk für mich im Vergleich zum ersten keine rationalen Gründe mehr zeigt, sondern nur mehr auf Einflüsterung beruht. Um auf die Frage aus dem vorigen Thread zurückzukommen, ob der Grund auch in einer Krankheit liegen kann. Für mich deutet dieses Szenario auf einen König, der sich von seinen Beratern treiben läßt und selbst mit den Entscheidungen seiner Macht nicht zurande kommt. Wobei die daraus ressultierenden Folgen auch wieder schwer einzuordnen sein: deswegen dann gleich Vertraute von gestern aufs Schafott zu schicken, ist eben auch ein Extrem, bei dem unser heutiges Denken nicht mit kann.


    Mir drängt sich da momentan immer ein Vergleich zu einem Kanzler auf, der in einer fundamentalen politischen Frage einen Schwenk mit einem Leserbrief macht, der auch schon eine gewisse Distanz zur Realität zu haben scheint.


    Für mich bleibt daher momentan für Henry beim Resümme eines wankelmütigen, willkürlichen Herrschers, der seinem Amt nicht gewachsen ist. Schaun wir einmal, wie es sich noch entwickelt.


    Bei Canmer gefällt mir sein Pragmatismus. Er ist kein Fanatiker, der versucht mit dem Kopf gegen die Wand zu gehen, sondern versucht aus der vorhandenen Situation das Beste für seine Sache zu machen. Dabei hat er vor allem auch einen Zugang, dass man nicht alles radikal ändern muss, sondern auch den Menschen Rituale lassen kann, wenn es ihnen in ihrem Verhältnis zu Gott hilft.
    Gegen Ende geht er aber auch immer härter mit sich selbst ins Gericht. Aber was würde es helfen, wenn er jetzt brennen würde und ihm einer der Gegenpartei folgen würde.


    Aufgefallen ist mir, dass Tom Kate und Catherine bei der Planung ihrer Bibelleserunde vor Anne Hertford warnt. Ihm scheint daher die Gedankenwelt der Anne etwas deutlicher zu sein, als den anderen aus seinem Umfeld.


    Das Turnier aus der Sicht Annes war aufschlußreich. Vor allem, weil man dabei merkt, dass sie nahezu besessen von Tom ist. Da spielt die Entjungferung mittlerweile schon fast eine untergeordnete Rolle, da scheint es mir mehr um das Jetzt zu gehen, dass sie ihn nicht haben kann und mit Edward vorlieb nehmen muss, wo sie jetzt sogar schon das Verhalten gegenüber den Kindern gewandelt hat. John wollte sie allein noch zu einen Großen erziehen und Edward jr. läßt sie in den Händen der Erzieherin zurück.


    Im Umgang mit Edward wird sie auch deutlich distanzierter, aber er merkt gar nichts, obwohl ihre letzte Antwort zu ihm schon mehr als deutlich war.