Adam Soboczynski - Polski Tango

  • Adam Soboczynski - Polski Tango
    Aufbau Verlagsgruppe 2006


    Über den Autoren:
    Adam Soboczynski, geboren 1975 in Torun (Thorn, Anm. der Rezensentin), kam Anfang der 80er Jahre nach Deutschland. Er studierte Germanistik und Philosophie, u.a. in England und Berkeley/Kalifornien. Nach seiner Promotion arbeitete er als Dozent und schrieb für Tagesspiegel und Monopol. Heute ist er Redakteur bei der "Zeit" und erhielt 2005 den Axel Springer Journalistenpreis.


    Über das Buch:
    Berlin - Warschau. Eine Lebensreise. Als Kind hat Adam Soboczynski seine polnische Heimat verlassen. 20 Jahre später kehrt der preisgekrönte Journalist zurück. In Polen wie in Deutschland spürt er Menschen auf, deren Geschichten er voller Poesie, Tiefsinn und Komik erzählt.


    Meine Meinung:
    Da nach dem Urlaub ja bekanntlich schon wieder vor dem Urlaub ist und der nächste wohl doch wieder nach Polen gehen wird, flatterte mir letzte Tage dieses schmale Büchlein des deutsch-polnischen Journalisten Adam Soboczynski ins Haus. Gestern morgen habe ich dann „nur mal eben kurz“ reingelesen, gestern abend hatte ich es schon beendet, obwohl ich den ganzen Tag unterwegs war.


    Worum geht es? Adam Sobocynski ist in etwa mein Jahrgang, jedoch zur Zeit des Eisernen Vorhangs in Polen geboren. Mit 6 Jahren wandert er mit seinen Eltern aus, da seine Mutter ein deutsches Elternteil hat. Die folgenden Jahre beginnt Adam, alles Polnische an sich so weit als möglich zu tilgen, um möglichst viel Deutsches anzunehmen. Selbst die jährlichen Urlaube mit seinen Eltern in Polen macht er zu Teenagerzeiten noch widerwillig, später gar nicht mehr mit.


    Doch dann, mit 31 Jahren, in dem Jahr, in dem Polen gegen Deutschland bei der WM spielen muß, macht er sich auf, um seine Heimat wiederzusehen. Diese Lebensreise verarbeitet er in diesem Buch, Polski Tango: Sein schlechtes Polnisch, das Wiedersehen mit einer alten Freundin, die in Warschau blieb, ein Treffen mit Onkel Tadek, der immer noch trinkt, russische Migranten, Steffen Möller, dem Papst und den deutschen Touristen, alle dies und noch viel mehr spricht Soboczynski in seinem Buch an.


    Seine Reise durch Polen und in die eigenen Vergangenheit, mir hat es wunderbar gefallen. Ein Buch, das in meinen Augen ohne Klischees, dafür aber mit viel Gefühl daherkommt und die heutige Stimmung in Polen, wie ich sie selbst erlebt habe, einfängt und den Leser gefangen nimmt. Ein Buch, das komisch, melancholisch und doch fröhlich daherkommt, das eine Geschichte erzählt, die so sicherlich hunderttausendfach in diversen Variationen und Nuancen passiert ist, das aber auch so manchen Blick gestattet auf die Sichtweise, die die Polen auf die Deutschen haben. Trotzdem bleibt Sobocynski leicht, feinfühlig und bisweilen bissig-ironisch, so dass sich meiner Meinung nach sicherlich beide Völker in diesem Buch hervorragend wiederfinden werden – erst recht so Mischformen, wie ich es bin!


    Mein Prädikat: Dziekuje bardzo, Adam!


    Schlußbemerkung: Ich finde, daß in diesem Buch wesentlich mehr biographisches steckt, als man denkt, daher auch die Einsortierung hier und nicht unter Sachbuch.

    :lesend Anthony Ryan - Das Heer des weißen Drachen; Navid Kermani - Ungläubiges Staunen
    :zuhoer Tad Williams - Der Abschiedsstein