Ralf Husmann: Nicht mein Tag

  • Anfangs lässig, dann nervt es nur noch


    Till Reiners ist Ende dreißig, trägt langweilige Klamotten und einen Seitenscheitel, arbeitet bei der Dresdner Bank und träumt davon, mit seiner jungen, leicht merkbefreiten Kollegin Jessica nach Paris durchzubrennen. Zu Hause, in der fast bezahlten Eigentumswohnung am Rande von Osthofen, warten Miriam, mit der Till nur noch selten Sex hat, und Nico, dessen Geburt den Anfang vom Ende des Glücks markierte. Folgerichtig unterteilt sich die Geschichte des Ehepaars in die Zeit vor und nach Nico. Vor Nico spielte Till Gitarre, nach Nico hört er nur noch Rolf-Zuckowski-CDs. Mit Nico.


    Dann betritt Nappo die Bank, ein junger Prolet mit riesiger Sonnenbrille auf der Nase und einer Waffe in der Hand. Nappo überfällt die Bank, Till sieht die Chance, sich vor Jessica zu beweisen, und drängt sich quasi als Geisel auf, bevor er den Gedanken in aller Konsequenz zu ende denken kann. Es beginnt eine seltsame Odyssee, die das ungleiche Paar in eine Kleingartenkolonie, später nach Holland und schließlich nach Frankreich führt, und während dieser Tour de Force entdeckt Till nach und nach ungeahnte Charaktereigenschaften an sich selbst, sogar den Hang zur Gewalttätigkeit. Aber zu Hause, in Osthofen, wächst gleichzeitig der Verdacht, dass Till mit dem Überfall etwas zu tun haben könnte. Schlimm wird es, als die dusselige Jessica ihre Chance wittert, das unerwartete Medieninteresse für sich zu nutzen.


    Der Roman beginnt lässig und amüsant, ist sehr lesbar, spannend und wirklich komisch. Es sind die kleinen, manchmal gemeinen Wahrheiten über das Leben, die liebevolle Figurenzeichnung und der immerwährende Vergleich zwischen Realität und fast vergessenen Träumen, die die Geschichte interessant und bemerkenswert gestalten. Zudem bereitet Husmanns flockige, sehr authentische Erzählsprache großes Vergnügen. Aber irgendwo in der Mitte stolpert der Autor in die Falle, die er sich selbst gestellt hat: Tills Veränderung darf nicht so weit gehen, dass es kein Zurück mehr gibt, und diese dramaturgische Vorgabe wirkt sich in fataler Weise auf den zweiten Teil aus. Irgendwann gehen Husmann die plausiblen Gründe dafür aus, warum der immer apathischer werdende Till nicht einfach abhaut, während die Daheimgebliebenen (Miriam, Jessica, ein Kommissar) im Dutzend billiger Klischees einsammeln, bis hin zu den Nacktfotos, die Jessica für eine Boulevardzeitung schießen lässt. Die Geschichte beginnt, zu nerven, weil sie sich kaum mehr entwickelt, und wenn, dann in absolut vorhersehbarer Weise. Das ziemlich fade Ende verbraucht den Rest vom Vorschuss, den der Anfang erzeugt hat, und schließlich ist man froh, das Buch weglegen zu können. Schade, weil es wirklich originell und überzeugend begonnen hatte.

  • Ich kann Deine Rezi vollumfänglich unterschreiben :write Am Anfang fand ich sehr unterhaltsam, es waren ja auch einige gute Sprüche und scharfsinnige Alltagsbeobachtungen dabei, aber zum Schluss fand ich es nur noch seicht und albern. Wie so oft: geschwächeltes Ende.

  • Das war ja mal was Nettes!


    Ein leicht und flockig zu lesender Roman über einen Loser-Typ, der in eine fast unglaubliche Geschichte reinschlittert, die aber doch hautnah am Leben liegt.


    Und zwar deshalb, weil der Autor die menschlichen Schwächen seiner Protagonisten so gekonnt darstellt. Ständig geht es um nicht gelebte Träume und unerfüllte Wünsche und im ewigen Kontrast dazu, um die Wirklichkeit, so wie sie nun mal ist und man ja doch nichts dran ändern kann.


    Dieser intelligente(!) Roman lässt den Leser richtig mitfiebern bei der Odysee des Antihelden Till Reiners, und man schmunzelt über seine Schwächen und Abgründe, die den vom Pech verfolgten und vom Alltag gebeutelten Loser zu einer unfreiwilligen Metamorphose zum coolen Typen, "der was drauf hat", zwingen.


    Im Gegensatz zu Tom fand ich das Buch durchgängig gut und unterhaltsam, und ich empfand die "Entwicklung" des Till Reiners auch nicht nervig.
    Ganz im Gegenteil. Für mich war das alles plausibel und nachvollziehbar.


    Fazit:
    Eine außergewöhnliche Odysee gespickt mit intelligentem Humor, der einen schmunzeln und oftmals laut lachen läst.

  • Bin jetzt bei der Hälfte vom Buch und finds sehr, sehr lustig.
    Stelle mir bei Till Reiners immer "Der kleine Mann" vor, von dieser Serie, die gerade auf Pro7 angelaufen ist. Und Nappo passenderweise als Florian Luaks, der ja auch in der Serie mitspielt.

  • Habs nun durch und stimme voll und ganz Anton zu.


    Eine sehr unterhaltsame Geschichte, über die Wandlung eines Antihelden. Sympathisch, sehr humorvoll, manchmal absurd aber trotzdem nachvollziehbar. Auch wie sich die einzelenen Charaktere entwickeln finde ich sehr gut gemacht. Jede Figur wirkt authentisch, als hätte man sie selber schon mal kennengelernt.
    Auch das Ende ist stimmig. Alles läuft auf einen Countdown hin, der sich dann elegant auflöst. Einfach lebensnah.


    Empfehle es als entspannte, aber anspruchsvolle Lektüre für den Sommer.

  • Von Beginn an fand ich das Buch recht langweilig. Nicht so langweilig, dass ich es gleich wieder auf die Seite gelegt habe, aber doch so langweilig, dass ich einen Monat hatte, um richtig rein zu kommen.


    Till hat mich manchmal sogar recht wütend gemacht mit seiner Weltanschauung und besonders damit, wie er mit seinem Sohn umging. Wegen den vielen guten Kritiken die ich sonst gelesen habe, habe ich mich entschieden, dass es an meinem Alter und meiner Naivität liegt, dass ich das Buch nicht gut fand.



    Doch trotz all den "bösen" Worten habe ich mir eine Menge Textstellen markiert, die ich recht lustig und gut geschrieben fand. Im allgemeinen hat mir sein Schreibstil gefallen. Und doch würde ich mir kein zweites Buch von ihm kaufen.

  • Ich hab das Buch gerade noch da liegen, aus der Bücherei ausgeliehen. Hab aber eigentlich vor, jetzt dann alles zurückzugeben und meine eigenen Bücher erst mal zu lesen, wo ich auch schon zwei angefangen habe.


    Nach euren Meinungen werde ich nun erst mal meine eigenen lesen, und sollte die Leihfrist dann noch nicht abgelaufen sein, kann ich es ja noch lesen, ansonsten geb ich es halt wieder ungelesen ab! :-)