Professor Katsumi hat eine Maschine erfunden, mit deren Hilfe er die Zukunft voraussagen kann. Wir befinden uns in der Zeit des Kalten Krieges und die Maschine Katsumis soll nun dem technologischen Vorsprung der Sowjets, die eine entsprechende Maschine bereits vorgelegt haben, Paroli bieten. Doch das ist gar nicht so einfach, denn die die Politik wünscht sich alles, nur keine politisierten Voraussagen. Daher verfallen Katsumi und sein Assistent Tanomogi mit Hilfe der Maschine auf die Idee, etwas ganz Privates vorauszusagen. Ein Objekt ist schließlich auch schnell gefunden: In einem Cafe treffen Katsumi und Tanomogi auf einen Mann, der vor einem zerschmolzenen Eisbecher sitzt. Er scheint Ihnen ein geeignetes Objekt für die Voraussage zu sein und so folgen sie ihm nach Hause. Der Schock ist groß, als sie am nächsten Tag aus der Zeitung erfahren, dass genau dieser Mann ermordet wurde. Einige Augenzeugen sollen sogar zwei verdächtige Männer gesehen haben, die dem Mann gefolgt sind. Die Wissenschaftler bieten also der Polizei ihre Hilfe an und entlocken der noch warmen Leiche mit Hilfe der Maschine eine unglaubliche Geschichte. Musste der Mann sterben, weil er zu viel über ein Genlabor wusste, das abgetriebene Föten aufkauft, um aus ihnen die Menschen der Zukunft zu züchten? Und wie gefährdet sind sie selber bereits?
Kobo Abe ist einer der wichtigsten Nachkriegsschriftsteller Japans, der beeinflusst von europäischen literarischen und philosophischen Strömungen wie dem Surrealismus und dem Existentialismus sowie ausgestattet mit einer interessanten Biographie, die ihn früh mit den politischen und gesellschaftlichen Problematiken des 20. Jahrhunderts konfrontierten (er wuchs in der von Japan besetzten Mandschurei auf), ein leider auf deutsch nur noch antiquarisch erhältliches Werk vorlegte.
„Die vierte Zwischeneiszeit“ ist ein früher Roman Kobo Abes, in dem er auf trickreiche Weise den schon damals offenbar spürbaren Klimawandel und die aufkommende Gentechnik miteinander in Verbindung setzt. Herausgekommen ist ein Science Fiction-Verwirrspiel, in dem immer weniger klar ist, worum es eigentlich geht und wie die einzelnen Stränge – die Voraussage-Maschine, der Kriminalfall, das von einer Geheimgesellschaft unterhaltene Genlabor – miteinander zusammenhängen. Abe gelingt eine überzeugende Auflösung, seine Zukunftsvision gerät zu einer interessanten Utopie – dem Genre, dem sich gute SF-Romane meiner Meinung nach meistens annähern. Abe diskutiert vor dem Hintergrund seiner Zeit das Recht des Menschen, in die Schöpfung einzugreifen und über das Recht, technologische Entwicklungen auch im Geheimen voranzutreiben, wenn sie zum Wohle der Gesamtheit sind. Was das „Wohl der Gesamtheit“ aber ist, das wird bei Abe schnell klar, ist nicht leicht zu ermitteln. Die Gespräche zwischen Katsumi und den Mitgliedern der Geheimgesellschaft erlauben eine sehr differenzierte Betrachtung des Problems und die anfangs etwas überfrachtet wirkende Verschränkung der Themen, erweist sich für diese Betrachtungen am Ende als großer Glücksfall. Denn auf diese Weise legt Abe den Akzent seines Romans auf die Frage, welchen Stellenwert welche Beweggründe für das persönliche Handeln haben bzw. haben sollten. Rechtfertigt eine unausweichliche Zukunft die Ergreifung drastischer Maßnahmen, um die Menschheit zu retten, auch wenn diese Maßnahmen dem vorherrschenden Moralkodex diametral zuwiderlaufen? Fragen wie dieser weicht Abe an keiner Stelle aus und ihm gelingt so ein wirklich lesenswertes philosophisches Zukunftsszenario, das den Vergleich mit den Größen des Genres nicht scheuen muss.
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