Die Schlafwandler - Jens Lossau

  • Kurzbeschreibung
    Die Schlafwandler von Kultautor Jens Lossau ist eine eindringliche Psychostudie von Tätern und Opfern und dem, was sie verbindet. Im Stil der großen schwedischen Krimiautoren deckt Lossau dabei Schicht für Schicht eines Verbrechens auf, an dem am Ende alle zerbrechen - ein Thriller mit Tiefgang, der die Grenzen seines Genres sprengt!
    Irgendwo zwischen Alzey und Mainz: Bei der Suche nach den Mördern ihres Freundes stößt eine junge Frau auf eine Clique alter Kameraden, die vor allem eines verbindet: Keiner darf erfahren, wie sie die Zeit unter dem Hakenkreuz überlebten. Und wer dafür sterben musste…


    (Amazon)



    Das Problem, welches ich am Anfang mit dem Buch hatte war, dass ich von dem Autor Bücher voller schräger Personen und aberwitziger Geschichte gewohnt bin. Eine solche Erwartungshaltung führt zwangsläufig erst einmal zur Enttäuschung. Auch die Gegend um Alzey sagt mir persönlich überhaupt nichts, während die vorigen Romane in Mainz spielten.
    Der Start, den ich mit dem Buch hatte war also nicht wirklich glücklich, wobei ich betonen muß, dass es an mir und nicht an dem Buch lag.
    Das war nämlich recht gut_ Die Entwicklung der Freundschaft zwischen Ferdinand und Lina wird sehr schön geschildert, auch Ferdinands Abdriften in den Wahnsinn. Aber wer sind denn nun *Die Schlafwandler*? Das sind wir, Leute, die zwar Dinge tun, aber bestimmte Sachen nicht erkennen (wollen). In diesem Fall die Auswirkungen der KZs und der KZ-Bordelle, von denen ich vor der Lekture des Buches nicht wusste, dass es sie gab. Allerdings gehöre ich, was das Thema Nationalsozialismus auch zu den gewissenhaften Ignoranten, nachdem ich damit in der Schule von Klasse 5-13 jedes Jahr aufs Neue zugebeiert worden bin. Sehr ausdrucksstark fand ich das Buch im Buch, in welchen die Erlebnisse dreier Raben im KZ erzählt wird und die Geschichte von Ferdinands Mutter erzählt. Wäre dies als gesonderter Roman oder Comic rausgekommen, hätte das Buch gute Chance Monatshighlight zu werden.


    Alle Figuren handeln sehr logisch, auch wenn dies manchmal erst im Nachhinein klar wird. Gerade im Falle von Linas ehemaligen Chef wird seine Handlungsweise (am Anfang des Buches) erst gegen Ende aufgeschlüsselt. Die Unsicherheit der Figuren war spürbar und nachvollziehbar, sie *atmen* regelgerecht. Einzig mit Linas Eltern konnte ich nicht warm werden, was nicht daran lag, dass man das nicht sollte, sondern auch, dass sie mir überzeichnet erschienen.


    Fazit:


    Wer gerne eine spannende Geschichte über Schuld und Sühne liest und keine vorgefertigten Antworten haben möchte (sinngemäßes Zitat: Jeder ist das Kind seiner Zeit) ist bei dem Buch richtig.


    # Verlag: Societäts-Verlag; Auflage: 1 (August 2007)
    # Sprache: Deutsch
    # ISBN-10: 3797310358
    # ISBN-13: 978-3797310354
    # Größe und/oder Gewicht: 20,8 x 13,4 x 3 cm

  • Meine Rezension:


    Krimischriftsteller Jens Lossau wagt sich in "Die Schlafwandler" an ein offenbar in Vergessenheit geratenes Thema aus dem dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte, von dem ich selbst bislang überhaupt nichts wusste. Anhand der Erlebnisse der beiden Jugendlichen Lina und Ferdinand, die teilweise aus persönlichen Gründen hinter das Geheimnis zu versuchen kommen, teilt der Leser das zunehmende Entsetzen der Hauptfiguren und fiebert von Beginn an mit ihnen mit.


    Trotz der sensiblen Thematik handelt es sich um einen echten Thriller, bei dem Lossau mit den Ängsten des Lesers spielt, so dass dieser - ebenso wie die Romanfiguren - schon bald an den anderen Personen und ihrer Integrität zu zweifeln beginnt. Ausgehend vom höchsten Spannungspunkt wird die Geschichte rückwärts erzählt bzw. Gegenwart und Vergangenheit vermischen sich und unaufhaltsam rückt das dramatische JETZT näher. Stück für Stück enthüllt sich dem Leser, wie es zu dieser Ausgangs- oder Endsituation kommen konnte. Nicht nur der spannungsgeladene Erzählstil sondern auch das Thema selbst sorgen für ein brisantes und spannendes Lesevergnügen, bei dem die Vergangenheit die Gegenwart einholt und für jeden Einzelnen massive Auswirkungen auf die Zukunft hat.
    FAZIT: Nachhilfestunden in deutscher Geschichte auf höchstem Spannungsniveau, mit der nötigen Sensibilität erzählt, um viel mehr als ein Thriller zu sein.


    9 Punkte von mir! :wave

  • "Die Schlafwandler" ist eine andere Art der Auseinandersetzung mit Geschichte!
    Was geschieht, wenn das Verdrängen der Opfer die nachfolgenden Generationen verfolgt? Wenn sie bei der Suche nach der Wahrheit erfahren, das Opfer manchmal auch Täter sind? Man nicht weiß, wem man noch trauen kann?


    Jens Lossau ist ein überaus spannender Thriller gelungen, der diese Fragen zu beantworten versucht und den Leser nicht so leicht los lässt. Und , wenn auch nicht wirklich von belang, ein überaus gelungenes Cover!

  • Zitat

    Original von Joschi
    Und , wenn auch nicht wirklich von belang, ein überaus gelungenes Cover!


    Ich finde das durchaus von Belang, denn zum einen ist es wirklich schaurig-schön gestaltet und zum anderen PASST es inhaltlich total (was ja nicht immer der Fall ist). Ich habe mir vorher darüber keine Gedanken gemacht, aber während des Lesens immer wieder das Cover hervorgeholt und mich ein bisschen gegruselt....

  • Mir hat das Buch auch gut gefallen. Der Anfang war etwas zäh, aber dann war es richtig interessant.


    Ich vergebe auch 9 Punkte!

    Gruss Hoffis :taenzchen
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    :lesend Der fünfte Tag - Jake Woodhouse
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  • Schlafwandler ist ein gelungener Thriller. Hier finden sich alle Elemente versammelt, die ich gern bei einem Thriller vorfinde. Einerseits ein spannender Schreibstil, der mich gut in die Geschichte führt und mitreißt. Aber auch eine Erzählweise, die ohne Effektheischerei wirkliche Spannung erzeugt. Das gelingt Jens Lossau in sehr vielen starken Szenen perfekt.


    Beeindruckt hat mich auch, dass viele Handlungen sehr lange in mehrere Richtungen zu deuten sind. Man darf sich als Leser ein eigenes Bild machen, darf Handlungen und Aussagen der Figuren deuten und interpretieren und ist auch oft unschlüssig, wer den nun die Wahrheit sagt. Dabei wird man als Leser nicht mit falschen Hinweisen auf eine ungewisse Reise geschickt, sondern der Autor gibt die nötigen Informationen an den Leser weiter.


    Auf der thematischen Ebene steht vor allem der Umgang mit der Vergangenheit im Vordergrund. Dieses Thema wird umfassend und von vielen Seiten beleuchtet, ohne belehrend zu sein. Zudem wird dadurch ein eher unbekanntes Faktum der KZ-Bordelle dargestellt.


    Ein gelungener Thriller, der sich viele Leser verdient hat. Ich vergebe 8 Punkte.

  • Was passiert, wenn man die Vergangenheit nicht ruhen lässt?


    Lina und Ferdinand, ein junges Paar aus Alzey, sind mit einem Comic über Raben im KZ über Nacht berühmt geworden, nicht wissend, dass sie mit der Story und den damit verbundenen Recherchen in ein Wespennest gestoßen und ein Kapitel der deutschen Geschichte aufgedeckt haben, was bis dato eher totgeschwiegen wurde. Einige der damals Beteiligten leben noch und somit beginnt für Lina und Ferdinand eine Hatz um Leben und Tod.


    Jens Lossau gelingt es wirklich, den Leser von der ersten Seite an in die Geschichte hineinzuziehen und ihn erst nach der letzten Seite atemlos aus der Geschichte wieder zu entlassen. Die unterschiedlichen Zeitebenen, die mit der Gegenwart beginnen, uns in die Vergangenheit führen und uns am Schluss wieder in die Gegenwart katapultieren, lassen einen das Buch nicht aus der Hand legen. Besonders gut haben mir auch die Einschübe aus der Rabenwelt gefallen, des Comics, der in diesem Buch die schrecklichen Ereignisse auslöst. Ebenso genial fand ich ein Kapitel, das nur aus einem einzigen Wort bestand.


    Der Leser muss am Ende genau wie die Protagonisten entscheiden, wer Opfer und wer Täter ist, ob es überhaupt eine klare Grenze zwischen beiden gibt und dass ein Opfer schnell selber zum Täter werden kann, wenn es um das eigene Leben geht. Aber wird man auch mit der Schuld fertig, die man dadurch auf sich lädt?


    Jens Lossau beleuchtet in diesem Buch ein Kapitel in der deutschen Geschichte, das lange verschwiegen wurde, weil die Opfer aus Scham nicht darüber gesprochen haben. Mauthausen hat dem Thema KZ-Bordelle im Jahr 2006 eine eigene Ausstellung gewidmet, um es dem Vergessen zu entreißen.


    Fazit: unbedingt lesen!


    Von mir gibts auch neun Punkte.

  • Ab der ersten Seite hat das Buch mich in seinen Bann gezogen. Es war sehr spannend geschrieben. Ab und zu habe ich sogar eine Gänsehaut bekommen. Das lag vielleicht auch an der Thematik. Ist mir sozusagen "unter die Haut" gegangen.


    Zitat

    taciturus :


    Auf der thematischen Ebene steht vor allem der Umgang mit der Vergangenheit im Vordergrund. Dieses Thema wird umfassend und von vielen Seiten beleuchtet, ohne belehrend zu sein. Zudem wird dadurch ein eher unbekanntes Faktum der KZ-Bordelle dargestellt.


    :write


    Ich vergebe 10 Punkte.

  • Meine Rezension:
    Lina Kessler und Ferdinand Kersky sind ein junges Paar, das zusammen den erfolgreichen Comic „Rabenwelt“ veröffentlicht haben, in dem Ferdinand anscheinend ein paar Dämonen seiner Vergangenheit – seine Mutter beging Selbstmord, als er noch sehr jung war - eingearbeitet hat. Postwendend verliert Lina ihren Job und es dauert nicht lange, bis ihr Auto in Flammen aufgeht. Doch warum? Wem sind sie mit dem Comic und mit ihren Aktionen nur so derart auf die Füße gestiegen? Doch sie kommen an eine Mauer des Schweigens. Und dann wird eines Tages Ferdinand ermordet und Lina sinkt in ein tiefes Loch…. Wird es ihr gelingen, herauszufinden warum all das passiert ist?


    Eine Geschichte die nur langsam an Tempo gewinnt, zum Schluß häufen sich die Ereignisse aber Schlag auf Schlag. Abgründe tun sich auf: Die Hintergründe liegen lange zurück. Es geht um KZ-Bordelle zur Zeit des 2. Weltkrieges und auch noch danach. Die Hintermänner von damals leben heute noch angesehen, gutsituiert und mit anscheinend weißer Weste in Alzey und sind bemüht, ihren Ruf auch heute noch mit allen Mitteln zu wahren.


    Ein sehr interessantes Thema, das hier literarisch aufbereitet wurde und von dem ich bisher erstaunlicherweise nie wusste – dabei habe ich schon sehr viel über diese Zeit gelesen bzw. an Dokus gesehen.


    Meine Kritikpunkte: Für meinen persönlichen Lesegeschmack hat es einfach zu lange gedauert, bis die Handlung an Rasanz zunahm. Und was wirklich nicht mein Fall war, war diese Personalisierung der Stoffraben. Ich mochte es nicht besonders, wie Lina (aber auch Ferdinand) mit den Stoffraben schmusen, mit ihnen reden und sie überall mit hin nehmen. Das war in meinen Augen ihrem Alter völlig unangemessen. Aber wie gesagt – das ist nur mein persönliches Empfinden gewesen.


    Die Geschichte selbst hat ein sehr interessantes Thema als Grundlage und wurde flüssig und sehr spannend erzählt.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Ich war mehr als positiv überrascht von dem Buch.


    Anfängliche Bedenken ob das Buch in meine Leseschema passt, verflogen sehr rasch. Nach ein paar Seiten schon hatte mich die Geschichte.


    Die Rabengeschichte in dem Roman gefiel mir auch außerordentlich gut. Sehr schön gemacht. Davon hätte ich gerne mehr gelesen. Ich mag solche Fabeln, besonders weil ich Raben auch sehr mag.


    Die Thematik ist eine schwierige. Wie geht man mit Opfer um, die zu Tätern werden? Wie geht man damit um, wenn man auf eine Mauer des Schweigens stößt?


    Ein tolles Buch, was ich bedenkenlos empfehlen würde. Von mir gibt es 9 Punkte.