Schreibwettbewerb Juli 2008 - Thema: "Zuhause"

  • Thema Juli 2008:


    "Zuhause"


    Vom 01. bis 20. Juli 2008 könnt Ihr uns Eure Beiträge für den Schreibwettbewerb Juli 2008 zu o.g. Thema per Email an webmistress@buechereule.de zukommen lassen. Euer Beitrag wird von uns dann anonym eingestellt.


    Den Ablauf und die Regeln könnt Ihr hier noch einmal nachlesen.


    Bitte achtet darauf, nicht mehr als 500 Wörter zu verwenden. Jeder Beitrag mit mehr als 500 Wörtern wird nicht zum Wettbewerb zugelassen!


    Nur für registrierte Mitglieder mit mindestens 50 Beiträgen!

  • von Voltaire


    Ein Sommerabend. Es ist warm. Die Luft fordert geradezu den entspannenden Spaziergang. Ohne zu wissen warum bewege ich mich in Richtung der Straßen und Wege meiner Kindheit und Jugend; fast fünfunddreißig Jahre habe ich nicht mehr dieses Pflaster getreten.
    Wenig hat sich verändert, auch die Namensschilder an den Pforten und Türen haben sich geweigert neue Namen anzunehmen. Die Gesichter der Namensträger kommen mir bekannt vor, verändert nur durch unzählige Bataillone von Fettzellen, die ihre Angriffe auf straffe Körper erfolgreich abgeschlossen haben.
    Aber auch hier sind Hoffnung und Losigkeit eine nicht mehr auflösbare Verbindung eingegangen, haben sich verheiratet. Selbst die Kalauer schmecken nur fad und ungewürzt. Ein Lächeln scheint sich in diese Gegend nicht mehr zu verirren.
    Das Gartentor der Winklers quietscht immer noch so wie vor Jahrzehnten. Neue Scharniere oder auch nur der Tropfen Öl scheinen zuviel der revolutionären Veränderung.
    Ich trete aus der Szene heraus, beobachte mich beim nostalgischen Spätschoppen. Schaue auf die Pfütze der eigenen Wehmut. Selbstmitleid tropft herunter.
    Wo wären wir jetzt, wenn wir die Vergangenheit in die eigenen Hände genommen hätten? Nachher werde ich in den Spiegel schauen und wahrscheinlich mit Entsetzen feststellen, dass ich wie die Faust aufs Auge in diese Straße passe; dass die sich nicht ändernden Veränderungen auch mich betreffen, gewollt oder ungewollt, wen interessiert das? Siege als verlorene Niederlagen.
    Als ich die Kindheitsstraße verlasse, bleibt ein Teil der Erinnerungen zurück; beim nächsten Mal werden sie mir wohl hämisch den Willkommensgruß entbieten, so ich denn hier wieder vorbeischaue. Zurückschlagende Erinnerungen durchbrechen das halbherzige Abwehrverhalten.
    Ich blicke ein letztes Mal zurück. Die Spazierwege im Erinnerungspark steigen steil bergan; folgt man ihnen, so erreicht man sei Ziel wenn nicht atem- so doch sprachlos.
    Meine Kindheitswege, die Wege zu meinem inneren und äußeren Zuhause, sind ungepflastert und kaum noch begehbar. Niemand da der sie je pflegte und irgendwann wird man nur noch sich selbst begegnen.

  • von Leserättin


    Über ein halbes Jahrhundert war es her, dass ihre Füße diesen Weg gegangen waren. Nein, derselbe Weg war es nicht, nur die gleiche Strecke. Damals, als sie in ihren Mädchenjahren den von Buchen gesäumten Pfad entlang lief, war der Grund nur festgetretene Erde gewesen, die sich bei Regen in Schlamm verwandelte.
    Jetzt war es eine breite, asphaltierte Straße und die Buchen waren bereits vor langer Zeit gefällt worden. Auch das kleine Haus, in dem einst die Näherein wohnte, die ihr den feinen Petit Point Stich beigebracht hatte, war einem modernen Mehrfamilienhaus gewichen. Alles schien sich verändert zu haben, doch es war immer noch eine kleine Stadt, ohne Hochhäuser, aber dafür mit viel mehr modernen Bauten. Keine Bauernhöfe, keine großen Felder und Weiden und damit auch keine Kühe und Schafe.
    Wenn sie sich nach links wandte, konnte sie den Kirchturm sehen, mit der großen Uhr. Die Zeiger konnte sie nicht erkennen, dazu waren ihre alten Augen nicht mehr in der Lage.
    Sie überlegte, ob sie näher an die Kirche herangehen sollte, um zu sehen, was sich dort verändert hatte. Bestimmt war das Fenster mit dem Riss inzwischen ausgetauscht worden. Und die Bäume, die kurz vor ihrem Weggang gepflanzt worden waren und deren Spitzen gerade an ihr Kinn gereicht hatten, waren nun sicher schon zu mächtigen Eichen geworden.
    Nein, soviel Zeit hatte sie nicht mehr, entschied sie und so setzten ihre Füße langsam den Weg fort, hin zu jenem Haus, in dem sie geboren und aufgewachsen war.
    Es stand noch oder jedenfalls stand ein Haus an der Stelle, an der es einst gewesen war. Sie vermochte nicht zu sagen, ob es sich um dasselbe Haus handelte. Alles hatte sich verändert; die Fenster, das Dach, sogar die Eingangstür. Und es wirkte so kalt und ausgestorben. Nirgends erklang das fröhliche Lachen spielender Kinder oder das durch den schlechten Empfang bedingte unmelodische Gedudel eines Radios.
    Das Haus schien unbewohnt, auch im Garten war schon länger nichts mehr gemacht worden. Das Gras reichte ihr fast bis zu den Knien. Die Tannen, die den Garten umkränzt hatten, waren gefällt worden. An ihrer Stelle stand nun eine kleine Hecke. Nur die kleine grüne Bank inmitten der Lupinen gab es noch.
    Lächelnd schlurfte sie zu der Bank und setzte sich. Es tat gut. Das Sitzen an sich und noch mehr das Gefühl, auf `ihrer` Bank zu sitzen. Sie betrachtete die Lupinen, genoss ihren leichten Duft. Warmer Wind fuhr streichelnd über ihr Gesicht und zupfte an ihrem schlohweißen Haar, das im Nacken zu einem Knoten gesteckt war.
    Müdigkeit breitete sich in ihr aus und sie kämpfte nicht dagegen an, die Augen offen zu halten. Sie war zuhause, nun konnte sie beruhigt einschlafen.


    Sehr früh am nächsten Morgen fand ein Spaziergänger mit seinem Hund die verstorbene alte Frau, die immer noch auf der kleinen grünen Bank saß. Ihr Gesicht zeigte ein glückliches, zufriedenes Lächeln.

  • von churchill


    „Das ist eine einmalige Chance. Die darfst du dir nicht entgehen lassen.“
    Mein Agent ist euphorisiert. Der Focus will eine Homestory mit mir machen. Seitdem sich die beiden ersten Bände meiner Schleswig-Holstein-Saga („Die Deiche des Nordens“ und „Krabbenpulen“) überraschend in die Bestsellerliste katapultiert haben, bin ich eine Person, die für die Öffentlichkeit interessant ist. Ich, Lars Harak, Newcomer in der Autorenszene, Mitte 40, ursprünglich Strandkorbvermieter am Timmendorfer Strand. So steht es zumindest auf dem Klappentext. Okay, ich habe vorher schon ein paar andere Bücher geschrieben, Jugendbücher meist, unter meinem richtigen Namen Christian Ehlog. Aber diese Bücher handelten alle von Fußball („Linksaußen“, „Pfostenschuss“, „Drei Ecken, ein Elfer“ und „Ja gut, ich sach mal“). Fußball und Schleswig Holstein passt aber nicht zusammen, sagen Agent und Verlag. Ich habe in der Saga nicht mal Holstein Kiel erwähnt.


    Die Redakteurin kommt pünktlich. Dem kleinen Strandhaus sieht man auf den ersten Blick an, dass es zu Lars Harak passt. Ich finde es ganz nett, auch wenn Christian Ehlog nichts mit Wasser, Wind und Wellen anfangen kann. Und schon gar nichts mit Buddelschiffen. Drei dieser Ungetüme stehen in dem für die Story gemieteten Home. Die Redakteurin ist sehr nett und ich bin gut auf die Fragen vorbereitet. Sie interessiert sich für meinen Aufstieg in die erste Liga der Autoren und für meine Ziele für die kommende Saison. Nee, für die kommenden Projekte. Den dritten Band der Saga. Den Titel darf ich ihr schon mitteilen. Sie ist begeistert. Wir trinken Rum und sie flirtet mit mir, Lars, dem Urgestein. Mit Christian, dem verhinderten Fußballprofi würde sie nicht flirten. Da hätten sie höchstens einen Volontär aus der Sportredaktion geschickt. Und die ist beim Focus ja sowieso nicht besonders gut.


    Nach dem Interview gehen wir ins Bett. Wasserbett natürlich. Den Fotografen hat sie vorher heimgeschickt. Darauf habe ich bestanden. Schließlich habe ich einen Ruf zu verlieren. Genau gesagt, mindestens zwei, aber das weiß sie ja nicht. Der Sex ist gut. Wir verabreden uns für ein weiteres Exklusivgespräch, wenn der dritte Band der Trilogie fertig ist. Und der vierte. Es ist manchmal gar nicht so einfach, Lars zu sein.


    Sie hat mich reingelegt. Das merke ich sofort, als ich den Focus aufschlage. Auf Seite 125 steht es: „Fußballer spielt falsch: Der getürkte Friese!“


    Sie macht sich lustig über das Haus am Strand. Sie beschreibt Muscheln, an denen Preisschilder hängen, Buddelschiffe, die aus dem Spielzeugladen stammen und Rum, den kein Einheimischer trinken würde. Sie ist Einheimische. Aus Eckernförde. Das hat sie mir natürlich verschwiegen.


    Sie zitiert Rezensionen meiner Werke. Also der Werke von Lars. Geschrieben von Christian. Oder umgekehrt? Auf jeden Fall macht sie sich lustig über mich. Sie weiß nicht, wie schwer es ein Schriftsteller heutzutage hat.


    Über den Sex schreibt sie nichts. Den dritten Teil der Saga erwähnt sie dann doch noch:
    „In seinem Wasserbett kommen Lars Harak die besten Ideen. So auch der Titel seines nächsten Buchs: ‚Versenkt’. Der wiederum könnte auch von Christian Ehlog stammen. Da schließt sich der Kreis.“

  • von Sinela


    Eine weitere schlaflose Nacht lag hinter ihr. Eine Tasse Kaffee in der rechten, eine vor sich hin qualmende Zigarette in der linken Hand, stand sie vor dem Küchenfenster und schaute dem Morgen beim Erwachen zu. Aber sie sah weder die Morgendämmerung noch hörte sie die Vögel den neuen Tag begrüßen. Ihre Gedanken kreisten um ihre Schwiegermutter. In dem Moment, in dem diese in die Zimmer unter dem Dach ihres Hauses gezogen war, hatte sie ihr Zuhause verloren. Diese undankbare Frau machte ihr das Leben schwer. Alles wusste sie besser, egal ob es um die Lieblingsspeisen ihres Sohnes oder um das simple zusammenlegen der Socken nach der Wäsche ging. Nichts konnte sie ihr Recht machen. Und ihr Mann, der gerade wie jede Nacht lautstark schnarchend den Schlaf des Gerechten schlief, hielt sich aus den Streitigkeiten zwischen ihr und seiner Mutter völlig heraus. „Du machst das schon“, das war sein Standardsatz, wenn sie ihn bat, seine Mutter in ihre Schranken zu verweisen. Er war ihr weiß Gott keine Hilfe. Sie stand allein – aber nicht auf verlorenem Posten. So konnte es nicht weitergehen, sie würde sich nicht von dieser Person ihr Leben kaputt machen lassen. Sie musste unbedingt einen Weg finden, diese Hexe loszuwerden!


    „Ich könnte dieses Weib erschlagen! Weißt du, was sie gestern beim Essen von sich gegeben hat? Sie würde in Zukunft für sich und ihren Sohn kochen, denn ich würde beide vergiften wollen, damit ich sie beerben könnte! Diese alte Kuh hat doch wirklich nicht mehr alle Tassen im Schrank!“
    „Das ja ein Ding.“
    Fasssungslos sah Heidi ihre Freundin, die ihr am Cafe am Rathausplatz gegenüber saß, an. „Bei der Hochzeit machte sie so einen netten Eindruck auf mich.“
    Ulla seufzte.
    „Ja, sie hat alle getäuscht. Als Schauspielerin hätte sie bestimmt großen Erfolg gehabt.“
    Sie lachte kurz auf.
    „Ich hatte deshalb auch keinerlei Bedenken, als Herbert vorschlug, dass seine Mutter nach der Hochzeit zu uns ziehen soll. Platz war reichlich vorhanden in unserem Haus und sie war ja immer sehr freundlich zu mir gewesen. Aber das hat sich inzwischen total geändert. Sie weiß alles besser, schnüffelt in meinen Sachen herum, liest sogar meine Post. Heidi, ich brauche dringend deine Hilfe! Es muss doch eine Möglichkeit geben, diese Frau wieder loszuwerden!“
    „Nun beruhige dich erst mal. Natürlich werde ich dir helfen, so gut ich kann. Dafür brauche ich aber zuerst mal ein paar Hintergrund-Infos über deine Schwiegermutter, damit ihr mir ein Bild über sie und ihr Leben machen kann.“
    Erleichtert atmete Ulla auf.
    „Okay, hör zu.....“


    Ulla könnte Heidi knutschen, weil sie diese glorreiche Idee gehabt hatte. Dass sie da nicht selber darauf gekommen war. Ihre Schwiegermutter war im Grunde ihres Herzens einsam gewesen und wollte deshalb ihren Sohn für sich allein haben. Mit Heidis Hilfe als Kupplerin hatte sie nun einen neuen Schwiegervater und deshalb ihr Haus – und ihren Mann - wieder für sich allein. Mich der Welt zufrieden schaute sich Ulla in ihrem Wohnzimmer um. Ihr Zuhause – endlich wieder!

  • von TheAlice


    Zu Hause. Dieses Wort hat nie für mich exisitiert. Ich wuchs bei Lillian, meiner Tante auf. Sie gab sich redlich Mühe, mir das Leben, soweit das nach dem Tod meiner Mutter und meiner Schwestern noch möglich war, so angenehm wie möglich zu gestalten. Das versuchte auch Rose, meine Cousine. Sie war viel jünger als ich und ich konnte nichts mit ihr anfangen, weshalb nie eine Spielgefährtin hatte. Ich war immer eifersüchtig auf andere, die das Glück hatten, Geschwister zu haben. Doch diese Kinder, die dankbar sein sollten, jemanden zu haben, mit dem sie sich beschäftigen können, mit dem sie Geheimnisse teilen können, waren sich nie über ihr Glück bewusst und schätzten es nicht. Ich vermisse meine Schwestern und meine Mutter so sehr. Genauso wie ich ein Zuhause vermisse. Ein Zuhause, in dem eine Mutter auf ihre Tochter wartet, sie in den Arm nimmt und sie fragt wie es in der Schule war, und nicht wie eine Tante, die auf ihre Nichte wartet. Dieses Glück blieb mir verwehrt. Meinen Vater lernte ich nie kennen, was mich fast noch mehr als der Tod meiner Mutter und meiner Schwestern bedrückt. Ich kannte sie, ich wusste , dass sie großartige Menschen waren, und dass sie mich liebten. Aber ich weiß rein gar nichts über meinen Vater. Und deswegen sitze ich im Zug nach Stuttgart, um das Haus in dem ich geboren bin zu besuchen. Ich hoffe, dass ich hier mehr erfahren werde. Doch kurz vor Stuttgart, packt mich das Entsetzten. Was wenn ich gar nicht wissen will, wer mein Vater war? Was, wenn ich mich davor fürchte die Wahrheit herauszufinden? Was, wenn es besser wäre weiterzuleben wie bisher? Schließlich hat sich mein Vater nie für mich interessiert! Er kann kein guter Mensch gewesen sein, wieso also will ich etwas über ihn wissen? Nicht mal nach dem Tod meiner Mutter, als ich niemanden mehr hatte, hat er sich gemeldet! Ich war alleine, meine Familie tot, aber er hat sich nicht mal die Mühe gemacht bei meiner Tante anzurufen und sich über mich zu erkundigen! Oh nein, über so einen Mann will ich nichts wissen. Plötzlich überkommt mich ein schlechtes Gewissen! Gott, wie verletzt und entäsucht muss nur meine Tante sein, die für mich sorgte, als es mir schlecht ging? Sie hat mich, ein kleines Mädchen völlig uneigennützig bei sich aufgenommen, ohne wenn und aber! Sie hat mich geliebt, wie ihre richtige Tochter. Auch Rose, hat mich immer als Schwester akzeptiert, warum nur verspürte ich den Wunsch einen Vater, der all das nicht tat, zu suchen? Hatte ich sogar den heimlichen Wunsch bei ihm zu leben, wenn ich ihn fand? Ich schäme mich so! Sofort nachdem ich Stuttgart erreichte, setzte ich mich in den Zug, der mich zurück nach Augsburg bringen würde. Nein, nicht nach Augsburg! Nach Hause. Er bringt mich nach Hause. Ich habe ein zu Hause! Ich muss nicht auf andere neidisch sein! Mein zu Hause sind Lillian und Rose. Sie lieben mich und ich liebe sie. Ich habe eine Mutter und eine Schwester.

  • von Ushuaia


    Flackernder Kerzenschein, der Tisch gedeckt, im Hintergrund leise Musik, nur übertönt von dem leisen Klappern der Töpfe in der Küche, dampfende Schüsseln stehen bereits in der Mitte des Tisches. Einer ihrer Überraschungsabende. Unvorhersehbar, unangekündigt, aber immer hochwillkommen.


    Gleich wird sie herauskommen, die letzte Schüssel in der Hand, die schlanke Gestalt im engen Kleid, die Haare hochgesteckt, ein sanftes Lächeln auf den roten Lippen.


    Alles perfekt. Einfach perfekt.


    Wie alles, was sie anpackt. Das Studium hatte sie in Rekordzeit gepackt, danach erfolgreich in den Beruf eingestiegen. Nach der Heirat die zwei Kinder, nichts hätte besser laufen können. Seit Jan und Feline aus dem Haus sind und studieren, ist das Haus viel wohnlicher geworden. Keine herumliegenden Schuhe, Rucksäcke, Klamotten mehr, es herrscht Ordnung in den neu eingerichteten Räumen. Sie hat sich Mühe gegeben, hat ihre freien Tage auf die Einrichtung verwandt, Möbelhäuser auf der Suche nach den passenden Stücken abgeklappert, liebevoll arrangiert und dekoriert.


    Ein warmes Zuhause war das Ergebnis. Ein Haus, in das man jederzeit gerne kam. Freunde, Bekannte, Verwandte. Aber das Candlelight Dinner nur für sie beide, das bereitete sie am liebsten vor.


    Feste Männerschritte auf dem Parkett zerstören seine Illusion.


    Hatte. Wäre. Würde. Wenn.


    Auf der Kommode stapeln sich immer noch die Briefe. Weiße Briefe mit schwarzem Rand.


    Schnell war es gegangen. Viel zu schnell. Völlig unerwartet. Innerhalb weniger Wochen hatte es sie dahingerafft. Aus. Vorbei. Tot.


    Er wandte sich vom Fenster ab, durch den er auf den inzwischen etwas verwachsenen Garten gestarrt hatte und in dem die Rosen sich in ihrer Blühkraft übertreffen. Der Entrümpler, den er beauftragt hatte. Nicht in der Lage es selber anzupacken sein Zuhause zu zerstören. Es auseinander zu nehmen. Es war schon zerstört. Ohne sie.


    Die Kommode mit den Briefen darauf stand noch im Esszimmer. Im leeren Esszimmer. Der Tisch, die Stühle, die Blumen, die Bilder, alles war weg.


    Ohne sie war es kein Zuhause mehr. Ohne sie konnte er hier nicht leben. Er hatte eine Zweizimmerwohnung in der Stadt gemietet und sich billige neue Möbel gekauft. Nur weg von hier und der Überlast der Erinnerungen an die glücklichen Jahre.


    Er ging hinüber und unterschrieb das Papier, das ihm vorgelegt wurde. Das Haus war bereits verkauft. Sein Zuhause. Nun waren auch alles andere weg.

  • von Xania


    Sarah und Tim schlendern händehaltend durch den Stadtpark. Sie sind beide bester Laune. Heute abend werden sie gemeinsam die Koffer packen und morgen früh das Flugzeug nach Mallorca nehmen.


    Ausgelassen läuft Tim ein paar Tauben hinterher. Sarah wirft den Kopf lachend nach hinten und stockt. Das Lachen bleibt ihr im Hals stecken.


    "Tim, schau." ruft sie voller Panik und deutet nach Westen.


    Wie auf Kommando spurten beide los. Allen Vorschriften zum Trotz jagen sie über den gepflegten Rasen auf den Parkausgang zu. Vor dem hübschen Blumenbeet zögert Sarah. "Komm schon", keucht Tim und zerrt sie rücksichtslos mittendurch.


    Eine Parkwächter, der sie beobachtet hat, läuft ihnen schimpfend hinterher. Als das Paar den Park verlassen hat, gibt er die Verfolgung kopfschüttelnd auf.


    "Es kommt immer näher ", schnauft Sarah.
    "Lauf schneller", treibt Tim sie an.


    Tim und Sarah rennen weiter. Schon von weitem sieht Tim ein altes Rentnerpaar das mit Gehstöcken den ganzen Bürgersteig blockiert. Ein paar Damen sind unschlüssig, wie sie an den beiden vorbeikommen könnten. "Weg da, weg da" schreit Tim, schnappt sich Sarahs Hand und stürmt mitten durch die Herrschaften. Laut fluchend bemüht sich das alte Pärchen nicht zu stolpern und gleichzeitig die Rempler mit ihren Stöcken zu hauen. Sarah und Tim sind längst weiter.


    "Ich kann nicht mehr", keucht Sarah.
    "Gleich haben wir es geschafft", antwortet Tim, um Atem ringend. Sarah stolpert fast vor Erschöpfung, doch Tim zieht sie erbarmungslos weiter.


    Mit letzter Kraft erreichen sie ihr Ziel. Hastig will Tim die Tür zu öffnen, doch seine zitternden Hände lassen den Schlüssel zu Boden fallen. Wie ein Blitz hebt Sarah ihn auf und entriegelt im allerletzten Moment die Tür.


    Todmüde stolpern sie hinein und schmettern die Tür hinter sich zu.


    Erschöpft und lachend lässt Sarah sich auf das Sofa fallen. "Jetzt kann es Gewittern so viel es will, wir sind zuhause."

  • von Buchmatz


    Valerie war im Kino gewesen. Sie hatte sich den Gruselfilm angesehen, zu dem sie eine Kritik schreiben sollte. Sie schrieb gerne Kritiken, vor allem schlechte. Und so zerriss sie jede Woche mit größtem Vergnügen einen Film. Besonders beliebt machte sie das nicht. Aber so war nun mal ihr Job.


    Sie fand sich in einem kalten, dunklen Verlies. Wie kam sie hier her? Es roch nach Schimmel und Feuchtigkeit und das Quieken und Rascheln in den Ecken ließ sie erschaudern.


    Sie mahnte sich, ruhig zu bleiben und überlegte, was passiert war: Sie erinnerte sich an das Kino und den Film mit dem heimlich kommenden Tod. Dann daran, dass sie hier aufwachte.


    Auf einmal war alles Quieken und Rascheln um sie herum verstummt.
    Sie das Gefühl, als würde sie beobachtet werden. Das Herz schlug ihr bis zum Hals und mit rauer angstvoller Stimme krächzte sie: „hallo? Ist da jemand?“ Ihr Atem ging schneller, und sie erschrak, als sie hörte, dass erst ein Streichholz und damit eine Kerze angezündet wurden. Langsam gewöhnten sich ihre Augen an den flackernden Schein und sie sah sie den großen dunklen Schatten, der langsam auf sie zuzuschweben schien.


    Eine dunkle Stimme kicherte böse: „willkommen in meinem zu Hause, Valerie. Ich hoffe, du fühlst dich wohl, hier in diesem schmucken Heim und dieser gemütlichen Atmosphäre“.


    Sie keifte: „wo bin ich? Wie komme ich hierher? Wer bist du? Lass mich sofort frei, du du…“. „Nana, wer wird denn hier ausfallend werden?“, hörte sie die Gestalt flüstern. Valerie hatte das Gefühl, sie müsse sich übergeben als er nun ganz nah bei ihr stand und sie seinen fauligen Atem roch.


    Im Schein der Kerze sah sie den Totenkopf, den langen schwarzen Umgang und die Sense. Ihre Stimme überschlug sich und sie schrie: „oh mein Gott! Du bist… du bist…“. Weiter kam sie nicht, sie wurde ohnmächtig. Mit dem Kopf landete auf dem harten Gestein.


    Langsam erwachte Valerie. Ihr Kopf dröhnte. Sie lag in ihrem Bett. Die Luft war frisch und roch nach Winterabend. Das Fenster stand weit auf, sie konnte sehen, wie sich die Vorhänge bauschten.
    Vorsichtig setzte sie sich auf und schlagartig war die Erinnerung da: das finstere Loch, der Gestank, die dunkle Gestalt. Schnell stand sie auf. Mein Gott, sie hatte das alles nur geträumt? Sie schalt sich „Valerie, du schaust zu viel Gruselfilme! Das ist nicht gut für dich.“ Leise über ihren dummen Traum kichernd, schlurfte sie ins Bad. Das kleine Licht im Flur genügte ihr, um zu sehen, wo ihre Tabletten standen. Die Türe zum Flur offen lassend, nahm sie sich eine und schluckte sie.
    Als sie aufsah und ihr Spiegelbild erblickte, sah sie eine große Platzwunde, das Blut verkrustet in den Haaren. Fassungslos stand sie dort minutenlang und starrte sich an, als sie die Hand hob, um die Stelle am Kopf zu berühren, sah sie im Spiegel eine Bewegung.


    Als sie sich umdrehte, stand er dort und sagte „ich bin gekommen, dich zu holen, Valerie. Willkommen im Alptraum, willkommen zu Hause“.

  • von beowulf


    Sie machen das schon, fahren Sie zum Flughafen und schreiben Sie mir einen Bericht- mit viel Gefühl, unsere Leserinnen wollen keine politische Lageanalyse, sondern Tränen der Erleichterung weinen, meinte mein Chef.
    Der hat gut reden, überhaupt woher will der wissen was Frauen lesen wollen- aber wo kämen wir den dahin, wenn „der“ Herausgeber eine Frau wäre..aber ich schweife ab. Ich mache mich also auf zum Flughafen um die Ankunft des Fliegers abzupassen, neben mir achtzig Fernsehstationen mit Livekameras, hunderte von Fotografen, Papparazzi und Agenturen wild durcheinander. Der Staatspräsident mit seiner unvermeidlichen Ehefrau ist auch dabei- könnte ja die Verkaufszahlen für die nächste CD in die Höhe treiben, wenn man sich mit so einem Medienstar zeigt und für seine Umfragewerte ist das sicher auch nicht schlecht, so tief wie die im Keller sind. Ein Gedränge, ein Geschiebe, jeder will das beste Bild bei der Landung. Sie merken ich schweife ab, ich schwadroniere. Mir fehlt das Gefühl. Ich weiß einfach nicht wo ich es finden soll. Heute wird sie durch die Medien gejagt, morgen Ritter der Ehrenlegion- und wer weiß übermorgen noch wie sie hieß?
    Da landet die Maschine- hübsch hat der Pilot noch eine kolumbianische und eine französische Flagge angesteckt. Am Arm ihrer Kinder verlässt Madame den Flieger- der Innenminister tritt ihr fast in die Hacken, damit er ja aufs Bild kommt- aber das Gefühl, wo bleibt das Gefühl?
    Der Staatspräsident verwendet Worte, die gefühlvoll sein sollen, aber was immer ihm sein Redenschreiber da zusammen geschrieben hat, Gefühle bringt die Eismaschine besser rüber. Madame selbst antwortet brav , la douce France hat sie wieder- ja sie ist wieder daheim- aber ist sie damit auch zu Hause? Sie ist ja nicht der Papst, Boden küssen steht ihr nicht zu, sie ist doch bloß Politikerin und wenn man jetzt die Leute fragen würde wofür steht diese Frau wäre vermutlich Verblüffung und Unverständnis die Reaktion- für Wiederkehr, glückliche Rettung nach sechs gestohlenen Jahren, für unwahrscheinlich viel Gefühl nach Heimat. Warum nur wird mir kalt statt warm, warum merke ich nur Gefühlsduselei? Gefühl? Hier geht es um Macht, um Strategie- weder um die kleine Frau da vorn, noch um das was sie politisch will noch um ihre Gefühle, die ihrer Kinder oder ihres Mannes. Ich gehe auf die Toilette- kotzen.
    Dann hole ich mir das Lob meines Chefs ab, toller Bericht, besonders das Gefühl beim Betreten der Heimaterde haben sie hervorragend herübergebracht - unsere Leserinnen werden begeistert sein- auch ich kann lügen wenn es um Macht geht, auch meine Miete muß bezahlt werden, damit ich ein warmes Zuhause habe. Scheissgefühl.

  • von Quetzalcoatlus


    Am Anfang schuf Gutt* Himmel und Erde. (*Name geändert)
    Also, natürlich nicht ganz am Anfang. Zuerst schuf er für sich einen schönen großen Liegestuhl, damit er bei all den Schöpfungsvorgängen auch mal eine entspannende Pause einlegen konnte und es dabei bequem hatte. Anschließend schuf er wie gesagt den Himmel, die Erde, ziemlich viel Wasser und eine ansehnliche Menge Gestein.
    Aus diesen Materialien formte Gutt viel versprechende Landschaften und Gebilde. Und als die Würze dieser Mischung, als den Sahneklecks auf dem Eisbecher, als die Figürchen auf der Hochzeitstorte, als den Stern auf dem Limousinen-Kühlergrill, äh, ja, also eben als die Krönung des Ganzen erdachte und konstruierte er eine stattliche Anzahl von Kreaturen und setzte sie in sein Werk.
    Und er sprach zu ihnen: „Ein jeder suche sich ein Heim in der Welt; einen Lieblingsplatz, an dem es ihm behagt und an dem er verweilen möge.“
    Die Kreaturen zogen los und suchten sich mit erstaunlicher Kreativität die verschiedensten Heimstätten. Kein Ort blieb unbevölkert. Ja, einige Wesen erwählten gar das Innenleben von Mitgeschöpfen zu ihrer Heimat.
    Nur der Mensch war mit keinem von Gutt geschaffenen Ort zufrieden und begann alsbald damit, Materialien nach seinen eigenen Vorstellungen zusammenzusetzen. Als er dies sah, zeigte Gutt sich außerordentlich beleidigt. Schließlich hatte er sich viel Mühe gegeben und war eigentlich der Meinung gewesen, der Mensch könne problemlos in seinen prachtvollen Wäldern leben, anstatt sie zu unästhetischen Kästen umzuformen. In einem Anfall von Zorn öffnete Gutt seinen Giftschrank – aus dem er ursprünglich keine einzige Zutat für die Wesen seiner Schöpfung verwendet hatte – und stattete den Menschen mit dem Bewusstsein über die eigene Vergänglichkeit aus.
    Danach wandte er sich den übrigen Geschöpfen zu. Er betrachtete das unkontrollierte Gewimmel eine Zeit lang mit kritischem Blick.
    Und Gutt sah, dass es zwar für den Anfang nicht schlecht, aber trotzdem an allen Ecken und Enden verbesserungswürdig war. Dem Menschen aber teilte er mit, es sei gut, da er der Ansicht war, seine wahre Meinung könnte den Menschen in seiner Eigenschaft als Teil der Schöpfung kränken. Weil sämtliche Erdenwesen von seiner Aufforderung so reichlich und vielgestaltig Gebrauch gemacht hatten, blieb schließlich nicht mal mehr ein Platz übrig, um den Liegestuhl aufzustellen. Jedenfalls kein besonders reizvoller.
    Also erschuf Gutt den Mond, um seine Schöpfung von einem Ort aus beobachten zu können, wo weder Moskitos um ihn herumschwirrten noch Zeugen Jehovas vorbeikamen und ihn fragten, ob er Interesse daran habe, ein wenig über sich zu plaudern.
    Als der Mensch es schließlich schaffte, mit einer obskuren Maschine auf dem Mond zu landen, versteckte Gutt sich bis zu dessen Abreise und streute anschließend unter der Menschheit das Gerücht, jene Mondlandung habe in Wirklichkeit gar nicht stattgefunden.
    Nach diesen Problemeindämmungen konnte er alles in allem doch recht zufrieden mit sich sein.