Was darf Literatur?

  • Zitat

    Original von caro


    Jeder kann allerdings selbst entscheiden worauf er aufmerksam gemacht werden will. Die Mehrheit lässt sich leider treiben.


    Solange ich nicht entscheiden kann, welche Bücher oder CDs mein Radiosender vorstellt oder das TV-Magazin präsentiert und solange ich die Gästelisten der Talkshows nicht beeinflussen kann, habe ich keine Chance darauf, auf was ich aufmerksam gemacht werde.
    Ich lebe nicht auf einer Medieninsel, ich schaue gern mal TV und höre tagsüber Radio, also passiert es auch mir, daß ich aufmerksam gemacht werde...


    Natürlich heißt das nicht, daß ich es kaufen muß. Aber die Chance, daß ich eine solche CD kaufe oder ein solches Buch, von dem ich gehört habe, von dem mir alle erzählen und was in den Medien präsent ist, ist doch deutlich höher.

    :lesend
    If you can read, you can empathize, luxuriate, take a chance, have a laugh, hit the road, witness history, become enlightened, turn the page, and do it all again
    Oprah Winfrey

  • Zitat

    von Beowulf
    Man sollte nie vergessen, dass die tödlichste Waffe das geschrieben Wort ist und natürlich in langfristiger Entwicklug auch solche Bücher Veränderungen- nicht immer zum Positiven- bewirken. Nichtsdestotrotz die Freiheit der Literatur, die Freiheit des Lesers/der Leserin sind dabei immer das höchste Gut.


    :write


    Die Freiheit der Literatur hat schon mit der Verbrennung von Büchern geendet! So etwas sollte unbestreitbar der Vergangenheit angehören!


    Bücher, wie Feuchtgebiete, sind ein Spiegel unserer Zeit. Der Leser selbst entscheidet, ob er an deren boom teilnehmen möchte oder nicht. Es gibt diverse Biographien, die von der Wichtigkeit und Inhalt in die gleiche Kategorie gehören und Bestseller geworden sind. Dergleichen "BILD"ung habe ich mir allerdings bisher weitesgehend versagt!

  • Zitat

    Original von Tom
    Der immer wieder gerne ins Feld geführte Maxim Biller hat Persönlichkeitsrechte verletzt, indem er eine intime Geschichte fast wahrheitsgetreu erzählte, deren Protagonisten reale Vorlagen hatten, die eben auch für Dritte zu erkennen waren. Damit hat er keinesfalls etwas getan, was mit der "Freiheit der Literatur" zu tun hat, sondern das Gegenteil davon. Er hat etwas Literatur genannt, das keine war, sondern eine weitgehend reale Geschichte. Hier ist nicht etwa die Schwelle des möglichen Tabubruchs überschritten, sondern lediglich ein sehr reales und sinnvolles Gesetz. Man darf nicht einfach über echte Menschen so schreiben, dass sie weiterhin erkennbar bleiben und dadurch diskreditiert werden.


    Wenn du das streng auslegst, dann heißt das, dass Thomas Mann zur heutigen Zeit die Buddenbrocks nicht hätte veröffentlichen dürfen.
    Das Haus der Buddenbrocks steht tatsächlich in der Mengstraße (Haus der Manns) und auch die Charaktere sollen sich (nach allem was ich gelesen habe) eng an Vorlagen aus der näheren Umgebung anlehen.

  • Zitat

    Original von Joschi
    Es gibt diverse Biographien, die von der Wichtigkeit und Inhalt in die gleiche Kategorie gehören und Bestseller geworden sind. Dergleichen "BILD"ung habe ich mir allerdings bisher weitesgehend versagt!


    Jeder halbwegs gebildete Mensch sollte in der Lage sein, sich ein Bild über das Gelesene, Gehörte, Gesehne,.... zu machen und sich kritisch damit auseinanderzusetzten.
    Und von diesem Standpunkt ausgehend besteht keine Notwendigkeit bestimmte Bücher zu verbieten, denn auch wenn sie noch so schlecht sind, oder auch aus anderen Gründen verboten weden könnten, so können sie immer noch als (abschreckende) negativ Beispiele herhalten.
    Desweiteren bezieht sich doch die Pressefreiheit(?) auch auf das geschriebene Wort in den zahlreichen Büchern die auf dieser Welt exitieren. :gruebel

  • Zitat

    Original von Desdemona
    Gibt es Grenzen beim Schreiben eines Stücks Literatur? Gibt es so genannte Parameter, die man in Betracht ziehen muss oder aber ist die Literatur frei, in der Art des Stils wie bei der Auswahl der Themen?


    Grenzen fangen für mich da an, wo es in einen moralisch fragwürdigen (und zum Glück auch zurecht strafbaren) Bereich geht; Kinderpornografie ist z. B. etwas, dass ich in gedruckter Form ebenso schlimm finde wie wenn da entsprechende Bilder / Filme gemacht werden. So etwas ist für mich ein No-go.


    Ebenso ein Tabu ist es für mich, die Geschichte eines realen Menschen 1 : 1 aufzuschreiben.


    Feuchtgebiete zielt absichtlich darauf ab, die Leser zu ekeln. Das ist keine Literatur, das ist auch kein Tabu, die Autorin hat es lediglich durch penetrante Medienpräsens geschafft, sich und ihr Werk ins Gespräch zu bringen. Man wird sich ihrer auf ewig als die Ekelautorin erinnern - den Ruf wird die sicher nicht mehr los, egal, was ihr nächstes Buch für ein Thema hat.
    Und wenn sie nicht in jede Talkshow gelaufen wäre, würde auch kaum einer ihr Buch kaufen und drüber reden.
    Mir hat die Leseprobe (irgendwo im Netz steht das 1. Kapitel) gereicht, um zu wissen; nichts für mich.

  • Zitat

    Original von jandaSolange ich nicht entscheiden kann, welche Bücher oder CDs mein Radiosender vorstellt oder das TV-Magazin präsentiert und solange ich die Gästelisten der Talkshows nicht beeinflussen kann, habe ich keine Chance darauf, auf was ich aufmerksam gemacht werde.


    Fernsehen kann man inzwischen sehr gezielt, wenn man will, interessiere ich mich z.B. für Disney gibt es einige Informationsquellen und alles wichtige erfährt man. Auch sonst. TVinfo, wunschliste.de, Klack alle Angebote ermöglichen es gezielt zu filtern. Auch google oder yahoo Alerts helfen, wobei die google Alerts noch brauchbarer sind.


    Kurz es ist niemand gezwungen sich auf das was die Medien puschen zu verlassen.

  • Für mich gibt es eine wesentliche Frage, die ich als Quintessenz aus einigen Beiträgen herauslesen kann: Die Frage, was Literatur überhaupt ist. "Feuchtgebiete" wird von einigen Diskussionsteilnehmern der Rang abgesprochen überhaupt in dem Bereich der Literatur zu gehören. Mich würde interessieren, was für euch Literatur ist? Betrifft sie nur den schöngeistigen Teilbereich oder auch den "trivialen" Bereich? Was macht für euch Literatur überhaupt aus?


    Ein weitere Aspekt war die Position und auch die Rechte / Pflichten eines Lesers und dazu zitiere ich nur allzu gerne ein Gedicht:


    Nicht nur der Mensch sollte manches Buch,
    auch Bücher sollten manchen Menschen öffnen.
    (Martin Gerhard Reisenberg, *1949)

  • Zitat

    Original von caro


    Fernsehen kann man inzwischen sehr gezielt, wenn man will, interessiere ich mich z.B. für Disney gibt es einige Informationsquellen und alles wichtige erfährt man. Auch sonst. TVinfo, wunschliste.de, Klack alle Angebote ermöglichen es gezielt zu filtern. Auch google oder yahoo Alerts helfen, wobei die google Alerts noch brauchbarer sind.


    Kurz es ist niemand gezwungen sich auf das was die Medien puschen zu verlassen.


    Ich glaube wir reden aneinander vorbei.
    Natürlich kann ich filtern was ich gucke.
    Ich filtere ja auch, was ich lese.


    Dennoch ist es aber so, daß die Medienpräsenz mancher Bücher so hoch ist, das man kaum daran vorbei kommt.
    Und andere Bücher finden in den Medien gar nicht statt, obwohl sie es verdient hätten. Da kann ich meinen Fernsehkonsum selektieren wie ich will...


    Natürlich zwingt mich keiner Fernzusehen oder etwas zu kaufen, was man dort sieht.
    Aber die Erfahrung lehrt, daß sich Dinge, die eine große Medienpräsenz haben, im Kopf sind, neugierig machen usw....
    Nicht jeder ist dumm, manipulierbar und was auch immer, nur weil er etwas, auf das er in den Medien aufmerksam wird, kauft.
    Ich glaube, das sogar dir das schon unterbewußt mehrfach passiert ist, und sei es nur bei der Joghurtwahl oder beim Kauf einer CD. ;-)

    :lesend
    If you can read, you can empathize, luxuriate, take a chance, have a laugh, hit the road, witness history, become enlightened, turn the page, and do it all again
    Oprah Winfrey

  • ich habe eure beiträge mitverfolgt und mich bisher eigentlich nicht an die frage, was literatur darf, nicht herangetraut, weil ich finde, dass antworten gegeben wurden, denen man einfach nichts hinzufügen kann.


    jetzt möchte ich es aber auch einmal selbst mit einer antwort versuchen, um mir selbst darüber besser bewusst werden zu können.


    ich finde, bevor man der gestellten frage nachgeht, sollte man beachten, in welcher zeit und mit welcher intention das buch geschrieben wurde. sollte es zb den leser extra erschüttern um ihm etwas vor augen zu führen? außerdem finde ich, dass literatur sicher sehr viel dürfen sollte, solange das niemanden persönlich verletzt oder jemandem (wirklich) schadet. literatur sollte als sprachrohr zur gesellschaft dienen können. des weiteren ist wichtig, wie schon erwähnt wurde, abzuwägen, ob etwas wirklich als literatur bezeichnet werden kann, oder ob es beispielsweise nur irgendeine attacke eines schmierfinken gegen eine person doer eine gruppe ist.


    außerdem ist es wichtig, dass sich jeder auch zu dem gelesenen buch eine meinung bildet und darüber nachdenkt, was er gelesen hat. dann würde selbst verstöße gegen die moral insofern sinnvoll sein, dass sie den leser wachrütteln und die fehltritte sichtbar machen.

  • janda : Ja, mit der Vermarktung hast du vermutlich recht. So hatte ich das noch gar nicht gesehen. :-)


    magali : Natürlich spricht es für einen Autor wenn er fiktive Dinge real darstellen kann - wahrscheinlich hab ich das Wort da etwas ungünstig gewählt. Es ging mir um die tatsächliche Realität, die durch einen Autor nicht verfälscht werden sollte. :-)

    :lesend Ich lese gerade: "Carry On" von Rainbow Rowell und "Mansfield Park" von Jane Austen | SuB: 50

  • Zitat

    Original von Leserättin
    Ebenso ein Tabu ist es für mich, die Geschichte eines realen Menschen 1 : 1 aufzuschreiben.


    Müssén jetzt alle Biografien eingestampft werden ??


    wundert sich Dyke, der die Diskussion amüsiert verfolgt

    "Sie lesen?"
    "Seit der Grundschule, aber nur, wenn's keiner sieht."


    Geoffrey Wigham in "London Calling" von Finn Tomson

  • Ich als Leser kann ja nur für mich sagen, was ich als Literatur empfinde - jedenfalls als Laie.


    Wie käme ich dazu "Feuchtgebiete" dies abzusprechen, wenn ich es noch nicht mal gelesen habe?

    Liebe Grüße, Sigrid

    Keiner weiß wo und wo lang

    alles zurück - Anfang

    Wir sind es nur nicht mehr gewohnt

    Dass Zeit sich lohnt

  • Zitat

    Original von dyke


    Müssén jetzt alle Biografien eingestampft werden ??


    wundert sich Dyke, der die Diskussion amüsiert verfolgt


    Ah, geh! (Obwohl ... bei manch einem "Prominenten"-Autobiographie-Geschwafel wäre es sinnvoll, man würde es zu Klopapier recyceln. Nach dieser Metamorphose wäre manches Machwerk wenigstens auf sinnvolle Weise für den A***.)


    Die Leserättin sprach sich bestimmt nur gegen literarische Verunglimpfungen real existierender Personen aus. Wenn dies die Persönlichkeitsrechte verletzt.


    Gegen simple Geschmacklosigkeiten sollte man nicht vorgehen. Geht ja auch keiner her und verbietet Leggings und scheußliche Plastik-Badelatschen.

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner

  • Zitat

    Original von Vandam
    Gegen simple Geschmacklosigkeiten sollte man nicht vorgehen. Geht ja auch keiner her und verbietet Leggings und scheußliche Plastik-Badelatschen.



    :lache :lache :lache :lache :lache :lache :lache :lache


    Es liegt schließlich im ermessen jedes einzelnen Menschen, wie er sich kleidet oder über welche Themen er in welcher Art schreiben will.
    Und dann liegt es an den Charaktereigenschaften der .......Konsumenten ob sie das zur Schau gestellte wirklich betrachten wollen oder nur naserümpfend daran vorüber gehen.

  • Der Gedanke, dass es politische, moralische, [...] Grenzen im geschriebenen Wort gibt, missfällt mir. Der Literatur, bzw. der gesamten Kunst dürfen keine Grenzen gesetzt werden. Freilich, Schriften können ganze Völker verblenden und abtöten, wie es auch große Kriege tun, jedoch muss Meinungsfreiheit uneingeschränkt gelten! Wenn sich Moralaposteln oder so genannte "politisch Korrekte" das Recht herausnehmen, zu urteilen, was denn tragbar oder verderblich ist, dann sehe ich darin nichts anderes, als eine gesellschaftlich legitimierte Form mentaler Diktatur. Schriftliche Mordaufrufe, Holocaust-Leugnung, das Ausschlachten menschlicher Triebstörungen, [...] all das kann bei den falschen Menschen falsche Reaktionen hervorrufen, soviel steht außer Frage, trotzdem sollte jeder das Recht besitzen, zu kommunizieren, was in den jeweiligen Kopfe haust.
    Wenn man sich einzig an die Dogmen der Gegenwart gehalten hätte, dann wäre Europa wohl heute noch auf einer Scheibe zu finden, die von der Sonne umkreist wird; Hexen würden die Ernte aus purer Bosheit verderben und Linkshänder würden noch immer konspirativ mit dem Gehörnten paktieren.

    Man muß noch Chaos in sich tragen, um einen tanzenden Stern gebären zu können.


    - Nietzsche -

  • Hallo, Vandam.


    Zitat

    Die Leserättin sprach sich bestimmt nur gegen literarische Verunglimpfungen real existierender Personen aus. Wenn dies die Persönlichkeitsrechte verletzt.


    Da werden nach Anruf auch die Gerichte tätig. Es besteht also kein Handlungsbedarf.


    Zitat

    Gegen simple Geschmacklosigkeiten sollte man nicht vorgehen. Geht ja auch keiner her und verbietet Leggings und scheußliche Plastik-Badelatschen.


    :lache


    Schöner Vergleich!


    Wer die Frage stellt, was Literatur darf oder dürfen sollte, sollte sich zunächst selbst fragen, was er dürfen möchte. Aktiv wie passiv.


    Unsere Gegenwartskultur besteht zu einem gewaltigen Prozentsatz aus gequirlter Scheiße. Es genügt, den Fernseher einzuschalten oder ein beliebiges Yellow-Press-Magazin aus dem Zeitschriftenständer zu zerren. Das meiste davon stellt eine Beleidigung für jeden Menschen dar, der seinen eigenen Namen fehlerfrei buchstabieren kann. Nichtsdestotrotz besteht aus gutem Grund das unveräußerliche Recht, jeden medialen Schwachsinn zu produzieren, den man produzieren möchte (Ausnahmen: siehe oben), und wenn es Konsumenten dieses Schwachsinns gibt, ist das auch noch ein einträgliches Geschäft. Man sollte nicht das Gefühl, verarscht zu werden, mit dem verwechseln, tatsächlich verarscht zu werden, denn das ist nicht der Fall. Diese Leistung erbringt der Konsument nämlich selbst durch den Kauf des Buches, der Zeitschrift, des Films oder durch das Einschalten des Senders. Anders gesagt: Es ist leicht, den Markt vom galoppierenden Schwachsinn zu bereinigen. Man muss nur die Produkte boykottieren. Aber das tut verblüffenderweise niemand. Ganz im Gegenteil. Sogar Menschen mit Brille, Bart, Jackett mit Lederflicken an den Ellbogen und "Radiohead"-T-Shirt sitzen in der U-Bahn und halten verschämt das Cover von "Feuchtgebiete" mit der Hand zu. Womit ich nicht sagen will, dass es sich um ein schwachsinniges Buch handelt.


    Kurz gesagt: Was beliebt ist auch erlaubt. Und das, um die Zitatenkette zu vervollständigen, ist auch gut so. ;-)

  • Eine gewisse Selbszensur in Sachen Verletzung des Persönlichkeitsrechts etc. wird schon bei den Autoren und Verlagen passieren, denk ich. Was *man* nicht darf und wo die Staatsanwaltschaft einschreitet, das darf halt auch die Literatur nicht.


    Davon abgesehen ist sie frei. Selbst darin, gequirlten Hühnermist zu produzieren, wenn der erfolgversprechend ist. Seh ich auch so.

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner