Historische Ereignisse als Grundlage für einen Roman zu nehmen ist keine neue Idee, selten aber wurde sie so spannend umgesetzt wie bei Robert Harris' Enigma. Die Enigma-Verschlüsselungsmaschine der Nazis sorgte in den ersten Jahren des Zweiten Weltkrieges dafür, daß die Alliierten mit den Wehrmachts-Funkmeldungen nichts anzufangen wußten. Als die deutschen U-Boote im Atlantik zunehmend die für England überlebenswichtigen Konvois abfingen, wurde die Lösung des Enigma-Rätsels zur vordringlichen Aufgabe des britischen Nachrichtendienstes.
Als Mathematiker ist Tom Jericho prädestiniert für diese Aufgabe. Im Geheimdienstzentrum Bletchley Park arbeitet er mit Hochdruck daran, die deutschen Codes zu brechen. Dieser Teil des Romans basiert auf dem tatsächlichen Geschehen rund um die Enigma-Maschine, deren Entschlüsselung den Alliierten einen (vielleicht sogar den) kriegsentscheidenden Vorteil brachte.
Doch die Geschichte, die Wolf Schneider hier vorträgt -- eine Stimme, die man aus unzähligen Fernsehreportagen und Talkshows kennt --, bleibt nicht allein auf dieser politisch-militärischen Ebene. Denn als ob Jericho mit der Decodierung nicht genug um die Ohren hätte, verschwindet auch noch seine Kollegin und Freundin Claire Romilly. Ihr Schicksal bewegt Jericho genauso wie die Geheimnisse der Enigma.
In Harris' Thriller, einer Kombination aus Tatsachenroman, Liebesgeschichte, Spionagestory und einer Prise Geschichtsbuch, kann man die Anspannung der Codebrecher förmlich spüren. Und Claires Schicksal erinnert immer wieder daran, daß es sich bei diesen Spezialisten eben doch um echte Menschen handelte, die auch in den Wirren des Krieges Gefühle entwickelten. --Joachim Hohwieler -- Dieser Text bezieht sich auf eine vergriffene oder nicht verfügbare Ausgabe dieses Titels.
Kurzbeschreibung
Enigma ist die Wunder-Chiffrier-Maschine, die den Funkverkehr der deutschen U-Boote so genial verschlüsselt, daß er scheinbar nicht zu knacken ist...
Eine nahezu unlösbare Aufgabe für den Secret Intelligence Service. Es beginnt ein Wettlauf mit der Zeit, der plötzlich sogar in den eigenen Reihen sabotiert zu werden scheint...
Autorenportrait
Wolf Schneider, geboren 1925, ist seit über 20 Jahren Reporter für GEO und mehr als 50 Jahren Journalist: Korrespondent der Süddeutschen Zeitung in Washington, Verlagsleiter des Stern, Chefredakteur der Welt, Journalisten-Ausbilder, Fernsehmoderator. Er hat zahlreiche Sachbücher geschrieben. 1994 verlieh die Gesellschaft für Deutsche Sprache Schneider den "Medienpreis für Sprachkultur".
Auszug:
Cambridge im vierten Kriegswinter: eine Geisterstadt.
Ein unaufhörlicher eisiger Wind, den über tausend Meilen hinweg nichts hatte aufhalten können, peitschte von der Nordsee herein und fegte über die flache Landschaft. Er ließ die Wegweiser zu den Luftschutzbunkern in Trinity New Court klappern und hämmerte gegen die mit Brettern vernagelten Fenster der King's College Chapel. Er strich durch die Innenhöfe und Treppenhäuser und zwang die wenigen verbliebenen Lehrer und Studenten, in ihren Zimmern zu bleiben. Am Spätnachmittag waren die engen, mit Kopfstein gepflasterten Straßen menschenleer. Als die Nacht hereinbrach, lag die Universität, in der kein Licht zu sehen war, in völliger Dunkelheit, wie sie es seit dem Mittelalter nicht mehr erlebt hatte. Es hätte nur noch eine Prozession von Mönchen gefehlt, die auf ihrem Weg zur Abendandacht über die Magdalene Bridge zog.
In der kriegsbedingten Verdunkelung verlor man jedes Gefühl für die Zeit. In diesen düsteren Flecken im Flachland Ostenglands kam Mitte Februar 1943 ein junger Mathematiker namens Thomas Jericho. Die Verwaltung seiner Schule, des King's College, hatte nicht einmal einen Tag Zeit, sich auf seine Ankunft einzustellen. Es reichte gerade, um seine Zimmer wieder herzurichten, sein Bett zu beziehen und den Staub von mehr als drei Jahren von den Regalen und Teppichen zu kehren. Und sie hätten sich nicht einmal diese Mühe gemacht - schließlich war Krieg und Personal äußerst rar -, hätte nicht der Rektor höchstpersönlich in seinem Büro einen Anruf von einem ihm unbekannten, aber hochrangigen Beamten des Außenministeriums erhalten. Dieser äußerte die Bitte, man möge »sich um Mr. Jericho kümmern, bis er soweit wiederhergestellt ist, daß er seiner Arbeit nachgehen kann.
Eine Amazon-Rezension:
Kleine Anmerkung zur Übersetzung, 26. Juni 2002
Rezensentin/Rezensent: Rezensentin/Rezensent aus Berlin, Berlin Deutschland
Was ich vom Buch halte, kann man meiner Bewertung entnehmen. Und was den Vorwurf angeht, es enthalte zu wenig über die Codeknackerei, der werfe einen Blick auf die erste Buchseite, wo der Autor genau das sagt und direkt auf die Fachliteratur verweist.
Doch hier ein paar kleine Anmerkungen zu Originaltext und Übersetzung. Harris bemüht sich sichtlich um die korrekte deutsche Terminologie, wenn er auch gelegentlich in die Detail/Umlautfalle tappt (z.B. shallow=flach statt area=Fläche). Der fachkundige Leser hat kein Problem beim Rückübersetzen, man spürt das deutsche Original im englischen Text. Für die deutsche Übersetzung gilt das dagegen nicht, da die Übersetzerin sich offensichtlich nicht sachkundig gemacht hat. Sie vermeidet das Problem dadurch, daß sie im Zweifel den klaren Ausdruck im Original durch eine Umschreibung ersetzt (sogar in Fällen, wo bei Harris der deutsche Fachterminus steht). Die Übesetzung ebnet auch sonst an etlichen Stellen den sehr pointierten Ausdruck Harris' ein. So verwendet Harris z.B. in der Lagebesprechung mit den Marineoffizieren gezielt Marinemetaphern, die im Deutschen unnötigerweise (da problemlos übersetzbar) wegfallen.
Um nicht mißverstanden zu werden: Die Übersetzung ist nicht wirklich schlecht, es geht aber stilistisch mehr als unbedingt nötig verloren. Deshalb mein Fazit: Wenn sie des Englischen halbwegs mächtig sind, halten Sie sich an das Original. Lassen sie sich aber nicht vom Lesen abhalten, falls das nicht der Fall sein sollte; das Buch (und der Film) lohnt sich.
Meine eigene Meinung:
Ich persönlich sehe das genauso wie der Rezensent: das Hörbuch ist spannend und fesselnd gemacht, das Buch habe ich mir erst vor kurzem gekauft, den Film dazu möchte ich mir auch noch ansehen...und manchmal ist es mir schlicht und einfach ziemlich egal, ob alles streng historisch belegbar ist...:-)