Viva Polonia von Steffen Möller

  • "Viva Polonia. Als deutscher Gastarbeiter in Polen" von Steffen Möller:


    Buchrückseite:
    "Ich habe weder schlesische Vorfahren noch einen Onkel im Bund der Vertriebenen. Ich komme einfach nur aus Wuppertal. Während des Studiums habe ich aus Spaß einen Polnisch-Sprachkurs in Krakau gemacht. Dort war es toll, ganz anders, als ich erwartet hatte. In den Geschäften gab es alles, sogar Nutella, und die Menschen waren so offen. Ich beschloss, nach Polen auszuwandern und habe es in dreizehn Jahren keinen einzigen Tag lang bereut. Vor allem die Mentalität der Polen hat es mir angetan, diese Mischung aus Anarchie und Freiheit, Absurdität und Warmherzigkeit. Nach der Lektüre soll mir niemand mehr sagen, er wüsste nicht, wo das gelobte Land liegt. Viva Polonia!"


    Zum Autor (laut Klappentext):
    Steffen Möller, Jahrgang 1969, studierte in Berlin Philosophie und Theologie und lebt seit 1994 freiwillig in Polen, wo er zum zweitbekanntesten Deutschen avanciert ist - gleich nach dem Papst. Den preisgekrönten Kabarettisten kennt heute jeder Pole: Entweder als unglücklich verliebten Stefan Müller aus der Erfolgsserie 'M ja Milosc' (L wie Liebe) oder aus der wöchentlichen Comedy-Show 'Europa da sie lubic' (Europa lässt sich mögen). Außerdem moderierte Müller die polnische Version von 'Wetten dass'. Für seine Verdienste um das deutsch-polnische Verhältnis erhielt er 2005 das Bundesverdienstkreuz.


    Mein Fazit:
    Ich habe das Buch unter Sachbüchern bei "Reise und Sport" eingeordnet. So ganz trifft es das nicht, da es sich nicht um einen Reiseführer handelt.


    Zunächst vorneweg: Da ich keine Polenkennerin bin, kann ich nicht beurteilen, ob die Sichtweise von Steffen Möller auf Polen zutreffend ist.


    Andererseits macht der Autor an verschiedenen Stellen deutlich, dass er in seinem Buch von subjektiven Beobachtungen ausgeht. Diese werden freilich zu Behauptungen über Polen und die Polen verallgemeinert.


    Das Buch gliedert sich in 50 alphabetisch geordnete Abschnitte, die mit Schlagworten versehen sind wie bspw.: Aberglaube, Aggression, Alte Reisebusse und junge Polinnen, Anarchie, Arbeit, Bescheidenheit, Betweener und Wüstenmäuse. Ich finde das Buch recht witzig und unterhaltsam geschrieben. Steffen Möller berichtet viel von seinen eigenn Erlebnissen in den letzten 14 Jahren in Polen und stellt Vergleiche mit seiner deutschen Heimat an.


    Wenn man die Behauptungen über Polen nicht überbewertet, sondern als subjektive Beobachtungen versteht, finde ich es eine unterhaltsame Lektüre, die dem Leser Polen etwas verständlicher machen kann.


    .

  • Hab vor ziemlich genau 14 Jahren mal mehrere Wochen Schüleraustausch in Polen durchgestanden.
    Kein fließendes Wasser (Also Leitungen gabs schon, kam aber nichts raus, weil alles eingefroren), keine Heizung, seltsames Essen, überall gabs gefälschte Fruit of the Loom Klamotten, ich schmuggelte als 13jährige 14 Stangen Zigaretten für zusammen 12 DM nach Deutschland zurück und hatte zu dem ein eingegipstes irgendwie dann doch nicht gebrochenes Bein, als mein Vater kam um mich zu retten, versuchte jemand den Mercedes zu klauen, in welchem ich selig schlief, als mein Dad tankte.....
    Ich bin also ein wenig traumatisiert, deine Rezi hört sich dennoch witzig an. :gruebel

  • Das Buch ist wirklich lesenswert! Fast alles, was Möller beschreibt und behauptet, trifft zu. Er räumt mit allen möglichen Vorurteilen auf, die in Deutschland und Polen seit Jahren die Denkweise der Menschen beherrschen.


    Ich bin selber Polin und muss sagen Babyjane, dass wir zu Hause nicht nur fließendes Wasser und Heizung hatten, sondern sogar echte Markenklamotten.;-)
    Ich wohne jetzt in Deutschland und fahre so oft wie ich kann in meine Heimat und habe dabei noch nie Zigaretten gechmuggelt. Ich kenne auch niemanden dem in Polen oder von einem Polen ein Auto geklaut worden ist (die meisten Autos werden statistisch gesehen inGroßbritanien gestohlen...).
    Ähnliche Erfahrungen wie du mit deiner Austauschfamilie Babyjane, hat eine Freundin von mir in der USA gemacht, also es hat nicht wirklich etwas mit Polen zu tun. Du hattest einfach Pech!


    Inzwischen ist Polen EU-Mitglied, und ein modernes Land. Eine Reise dahin kann ich allen nur empfehlen. Deutschland und Polen sind Nachbarsländer. Die beiden Völker verbindet schließlich auch die gemeinsame, oft tragische Geschichte. Ich find´s schade, dass man in Deutschland so wenig über das zweitgrößte Nachbarsland weiß. Ich war schon oft in Großbritannien und Frankreich und habe festgestellt, dass Vorurteile genüber Polen nur in Deutschland anzutreffen sind. England, wo inzwischen ungefähr 2 Mio. Polen (die nach dem EU-Beititt ausgewandert sind) leben, hat sie sehr gut aufgenommen. Die dort wohnenden Polen, fühlen sich wie zu Hause. Nachdem England sich bei der EM nicht qualifiziert hat, haben sich Engländer die polnische Mannschaft als Lieblingsmannschaft der EM rausgesucht (v.a. die englischen Zeitungen) und sie haben mit uns gemeinsam mitgefiebert.
    Nach Deutschland kommen dagegen immer weniger Polen. Die meisten die hier leben, wohnen hier schon seit Jahrzehneten. Auch immer weniger junge Menschen aus Polen, entscheiden sich dafür, in Deutschland zu studieren. Schuld daran ist die Überzeugung, dass die Deutschen den Polen gegenüber nicht gerade positiv eingestellt sind.
    Ich würde mir mehr Völkerverständigung und weniger Vorurteile wünschen, und zwar auf beiden Seiten. Solche Bücher, wie das von Steffen Möller sind dringend notwendig.


    Ich persönlich würde allen , die eine Reise nach Polen planen Krakau, einer der schönsten und im Moment einer der meistbesuchten Städte der Welt, empfehlen.


    Im übrigen: Polen und Deutschland haben gemeinsam die letzen Plätze bei dem Eurovision Song Contest 2008 eingenommen. Warum stimmen wir eigentlich nicht füreinader? ?(

    "Die Bildung kommt nicht vom Lesen, sondern vom Nachdenken über das Gelesene."
    (Carl Hillty)

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  • Alicja
    Ich wollte Polen keineswegs schlecht machen, im Gegenteil, super Skigebiete gibts da.
    Aber meine Erfahrungen waren halt, so im Nachhinein betrachtet eher skuril und witzig.


    (Ich hab jetzt noch irgendwo die Roentgenaufnahme meines angeblich gebrochenen Beins rumliegen, auf der man bei genauer Betrachtung feststellt, daß das kein Beinbruch, sondern der Reißverschluß meiner Schneehose ist, der auf dem Bild genau unter dem Knochen liegt. War auch eine grandiose Erfahrung, in Polen auf der schwarzen Piste böse gestürzt, kein Hubschrauber kommt, sondern zwei Skilehrer klemmen mich zwischen sich ein und fahren so mit mir (bewußtlos) den Berg runter. Im Krankenhaus, welches grad modernisiert wurde, war in meinem Zimmer ein Loch im Boden, so daß ich mich mit der älteren Dame im Zimmer unter mir herrlich unterhalten konnte und die Roentgenmaschine wurde angekurbelt, zumindest sah es so aus. Für eine 14 jährige waren das doch ziemlich tolle Eindrücke. Witzig ist auch, daß man Vater in seinem Reispaß nirgendwo diesen Polenaufenthalt vermerkt hat, kein Visum, kein Einreisestempel nichts, wie er das gemacht hat, will ich lieber auch gar nicht wissen.... :lache )


    Nur um das "Vorurteil" der polnischen Autoknacker mal ein wenig zu bekräftigen:
    http://www.spiegel.de/auto/aktuell/0,1518,378197,00.html


    Was aber natürlich nicht heißt, daß jeder Pole Autoknacker ist oder ein Problem mit mein und dein hat, sondern nur besagt, daß es dort eben einen sehr großen Markt für gestohlene Fahrzeuge gibt, die dann aber meist auch nicht in Polen bleiben, sondern eben weiter in den Osten verkauft werden...

  • Liebe Babyjane,
    Ich glaub auch nicht, dass du Polen schlecht machen wolltest! :-)
    Deine Erfahrungen sind wirklich sehr witzig. :-) Ich hab bis zu meinem 19. Lebensjahr in Polen gelebt, und etwas ähnliches ist mir noch nie passiert. Ich hab mich in Polen im allgemeinen sicherer gefühlt. In Deutschland bin ich abends nur ungern alleine unterwegs. Aber wenn man in einem völlig fremden Land zu Besuch ist, dann passiert einem oft Unvorhergesehenes. Ich möchte an dieser Stelle meine ersten Erfahrungen in Deutschland lieber verschweigen...
    Zu dem von dir genannten Zeitungsartikel aus dem Jahre 2005. Es ist einfach nur ein Fall von vielen. Die Diebe hätten genauso gut Deutsche sein können. Wenn man sich die Diebstahlsstatistiken anschaut, dann sieht man daran, dass die Vorurteile nicht stimmen und ein kleiner Artikel aus einer deutschen Zeitung wird es auch nicht ändern.
    Daran, dass solche bösen Vorurteile in den Köpfen den Menschen immer noch lebendig sind, sind zum größten Teil die Medien schuld (sowohl deutsche als auch polnische).


    Das Buch von Steffen Möller ist gerade deshalb sehr empfehlenswert und ich kann es dir, Babyjane, wärmstens ans Herz legen! Literarisch gesehen ist es zwar nicht auf dem höchsten Niveau, dafür aber sehr witzig und v.a. objektiv. Und nachdem du das Buch zu Ende gelesen hast, wirst du vielleicht Lust bekommen, nochmal nach Polen zu fahren um die schlechten Erfahrungen vergessen zu machen!:wave


    Schöne Grüsse

    "Die Bildung kommt nicht vom Lesen, sondern vom Nachdenken über das Gelesene."
    (Carl Hillty)

  • :grin
    Dieser Fall ist einer von vielen, ich hab lediglich diesen gepostet, weil er mir persönlich bekannt war.
    Jede Volksgruppe hat strafrechtliche Delikte, die halt dort gehäuft vorkommen.
    Polen und Rumänen tauchen in Deutschland nun mal sehr häufig als Autoknacker auf. (Darum werden verschiedene Arbeitsweisen ein Auto zu öffnen auch als Polenschlüssel oder Rumänenknick bezeichnet).


    Das spricht nicht gegen diese Volksgruppe, jedes Volk hat nun mal auch seine Pappenheimer und Kriminellen, das spricht aber nicht gegen den normalen gesetzestreuen Bürger des Landes.
    Und die nahen osteuropäischen Staaten haben halt gute Möglichkeiten speziell Diebesgut weiter in Richtung Rußland oder Asien zu verschiffen, das sind keinerlei Vorurteile sondern durchaus belegbare Tatsachen.
    Genauso wie halt der Handel mit bestimmten Drogen oft in der Hand von speziellen Völkergruppen ist, weil diese Drogen eben in diesen Ländern gut angebaut werden können.
    Im weitesten Sinne ist es also eine Frage der Marktwirtschaft.... :grin


    Du brauchst dein Volk auch nicht zu verteidigen, denn ich hab es ja gar nicht angegriffen.
    Witzigerweise erinnere ich mich sogar gerne an diesen Chaotenaustausch zurück.
    Meine damalige Freundin hat immer noch Kontakt zu einer der dort kennengelernten Polinnen.
    Und irgendwann fahre ich auch ganz bestimmt noch mal nach Polen, wenn ich auch nie wieder diesen ekligen in Gelee eingelegten Fisch essen werde, der uns dort jeden Abend als total tolles Nationalgericht vorgesetzt wurde..... *grusel*

  • Wie schön, dass es dazu eine Rezension gibt, ich hatte das Buch am Donnerstag in der Hand und habe es dann doch nicht gekauft. Hört sich witzig an, nächstes Mal lese ich genauer rein.


    @ BJ/Alicja: Die Diskussion Pro/Contra Polen könntet Ihr doch besser woanders führen :wave , ich könnte dazu nämlich auch noch was sagen, mag den Rezensionsthread aber nicht off topic führen ;-)

  • @ Geli
    Hm... um dafür einen extra Thread aufzumachen ist mir das Thema eigentlich nicht wichtig genug....wenn aber einer da wäre, würde ich vielleicht was rein schreiben :grin

  • @Geli
    Ich finde, die Diskussion gehört bei diesem Buch irgendwie dazu. Es geht in dem Buch nämlich u.a. um die Themen, über die wir diskutiert haben. :wave

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  • Eine Leserunde dazu wäre bestimmt interessant, vor allem, wenn nicht nur Deutsche, sondern auch Polen wie Dich dabei wären, Alicja. Und ja, könnte man so ausdiskutieren, allerdings finde ich das bei Rezensionen unschön, da die bisherige Diskussion sich nicht unbedingt auf das Buch bezog.

  • geli73
    Klar, wäre eine Leserunde dazu interesant. Ich hab das Buch zwar schon gelesen, aber wahrscheinlich könnte ich an einer solchen Diskussion im Rahmen der Leserunde auch teilnehmen.:gruebel
    Das Buch ist wirklich sehr informativ und lesenswert. Der Schreibstil ist zwar nicht gerade der beste, aber Schwamm drüber!

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  • Ich lese hier eigentlich nur rein, weil ich mich für das Buch interessiere, möchte der Diskussion zwischen BJ und Alicja aber noch hinzufügen, dass ich mal mit einem Polen befreundet war, der mir alle Nase lang irgendwelche Neuwaren zum Supersonderpreis anbot. Mal waren es Lederwaren, mal Autos, mal Kosmetikartikel - es war eigentlich alles dabei... So ganz aus der Luft gegriffen, scheinen mir die Vorurteile gegen manche Polen, die in Deutschland unterwegs sind, also nicht zu sein.


    In unserem Dorf leben aber auch einige polnische Familien, und das sind ganz sicher vollkommen unbescholtene Bürger, die sich hier einfach nur Arbeit und soziale Sicherheit und ein friedliches Leben wünschen. Meine Vorfahren sind übrigens selbst aus Polen. Ich erlaube mir trotzdem einen nicht ganz ungetrübten Blick auf unser Nachbarland, dass mir trotz aller Klischees und (Halb)wahrheiten nach wie vor sympathisch ist und auf meiner Liste der noch zu bereisenden Länder steht. :-)

  • Ich habe gute Kontakte nach Polen, hab auch mal auszugsweise die Soap-Opera gesehen, in der Steffen Möller mitgespielt hat ("M jak milosc", zu dt. "L wie Liebe"). Der Mann ist in Polen tatsächlich ein Star.


    Sein Buch ist sehr witzig zu lesen, überaus aufschlussreich und die von ihm zusammengetragenen Eindrücke und Fakten sind - nach meinen eigenen Erfahrungen - absolut treffend beschrieben.
    Der Schmöker ist in meinen Augen durchaus empfehlenswert, nicht nur als "Reisevorbereitung", wenn man Land und Leute näher kennenlernen will, sondern auch, um einige Klischees auszuräumen bzw. "auf den aktuellen Stand" zu bringen.


    Von mir gibt's daher für Homor und Informationsreichtum 10 von 10 Punkten.


    Edit: PS: Wer in diesem Zusammenhang noch ein parodistisch anmutendes, aber durchaus mit Wahrheiten und aufklärendem Hintergrund angelegtes Projekt von Steffen Möller & dem Komiker Kurt Krömer sehen möchte, dem sei das Filmchen "Polen für Anfänger", der diesbezügliche Blog und der dazugehörige Youtube-Channel polenanfaenger mit auf den Weg gegeben.

  • ich hab das buch vor ungefähr einem jahr gelesen (aus der bücherei ausgeliehen) und fand es stinklangweilig geschrieben. hätte mich zu tode geärgert, wenn ich es gekauft hätte...

    ohne träume ist das leben so langweilig wie 7 koffer voller weißbrot (janosch - oh wie schön ist panama)


  • Wow. Super-Rezi! Hole ich mir.
    Sammle mehr Reiseführer als ich reisen kann. Polen ist noch nicht so gut vertreten.
    Habe derzeit einen derartigen Brass auf das Ostseewetter, dass der nächste Sommer in die Gluthitze führen wird.
    Dennoch ist Polen, Masovien insbesondere, immer eingeplant. Was immer das heißt.