Willy Vlautin - Motel Life

  • Sprache: Deutsch
    Verlag: Berlin Verlag
    Seitenzahl: 200 Seiten


    Kurzbeschreibung
    Es ist kalt in Reno, der kleinen Spielerstadt in Nevada, dicke Schneeflocken fallen vom Nachthimmel, der Wind bläst durch die vereisten Straßen. Frank liegt im Bett, sturzbetrunken und bewusstlos, als eine Ente durch die Fensterscheibe kracht und auf dem Fußboden seines Motelzimmers liegen bleibt. Ein paar Stunden später steht sein Bruder Jerry Lee an seinem Bett, auch er besoffen, halb nackt und in Tränen aufgelöst. Er hat im Dunkel der Nacht einen kleinen Jungen überfahren. Am nächsten Morgen machen sich Frank und Jerry Lee aus dem Staub in Richtung Montana, eine Kiste Bier, eine Flasche Jim Beam und weniger als 400 Dollar im Gepäck.


    Über den Autor
    Willy Vlautin, geboren 1967 in Reno, Nevada, ist Sänger und Songschreiber der Folkrockband Richmond Fontaine. Ihre Platten, vor allem die letzten vier, Winnemucca, Post to wire, The Fitzgerald and Thirteen Cities wurden von der Kritik begeistert aufgenommen. Willy Vlautin lebt in Portland, Oregon und hat soeben seinen zweiten Roman, Northline, veröffentlicht. (http://www.willyvlautin.com/)


    Meine Meinung
    "Motel Life ist wie ein Besuch auf der Pferderennbahn – große Hoffnungen, große Enttäuschungen, Poesie und Dramatik, und wir wünschen uns, dass die Außenseiter erfolgreich sind, wir leiden und träumen mit ihnen, bis Schluss." Clemens Meyer


    Ich hatte von "Motel Life" in einer Zeitung gelesen und zunächst gedacht "Bitte nicht schon wieder ein Buch von einem Sänger", aber die Aufmachung des Buches und auch die Geschichte haben mich so neugierig gemacht, dass ich es mir dann doch gekauft habe. Und der Kauf hat sich definitiv gelohnt!


    Vlautin erzählt die Geschichte der Brüder Frank und Jerry Lee nach dem sie geflüchtet sind, da Jerry Lee in der Nacht zuvor einen kleinen Jungen überfahren hat. Während dieser Flucht, erinnern die beiden sich an ihre Kindheit zurück, erzählen sich Geschichten und versuchen sich irgendwie alleine durchzuschlagen. Von Anfang an ahnt man als Leser, dass das nicht gut enden kann, aber man beginnt einfach mit den beiden mitzufiebern. Frank versucht sich und seinen Bruder zu retten und ich hatte als Leser das ganze Buch über das Gefühl mitten drin dabei zu sein. Das Buch hat wirklich sehr viel Herz, aber auch Witz und es ist einfach toll geschrieben.

  • Zitat

    Original von Seestern
    Richtig mitgerissen hat es mich bisher noch nicht.


    Nein?
    Also ich war nach dem Lesen richtig begeistert von dem Buch - das kann aber auch daran liegen, dass ich sowieso gerne diese Art von Literatur lese (wie z.B. Richard Yates). Ich konnte mich einfach sehr gut in Frank hineinversetzen und war begeistert, wie die Geschichte aus seiner Sicht erzählt wurde.

  • Ich habe mir vorgenommen, es heute noch fertig zu lesen, dann gebe ich noch mal Laut.
    Wie gesagt, es gefällt mir bisher ganz gut, es hat mich nur nicht derart gepackt, dass ich es nicht mehr aus der Hand legen könnte.
    Aber vielleicht kommt das ja noch ...

  • Meine Meinung:


    Jerry Lee überfährt eines nachts in volltrunkenem Zustand einen kleinen Jungen. Völlig verzweifelt bittet er seinen kleinen Bruder Frank um Hilfe.
    Die beiden legen die Leiche vor einem Krankenhaus ab und machen sich aus dem Staub. Fahren quer durch Nevada, von einem Motel zum nächsten.
    Jerry Lee und Frank sind verkrachte Existenzen, Antihelden, die nach dem frühen Tod der Mutter die Schule geschmissen und sich seither mit Gelegenheitsjobs über Wasser gehalten haben.
    Während ihrer Flucht durchs verschneite Nevada erinnern sie sich ihrer Kindheit und Jugend, lassen prägende Stationen ihres Lebens Revue passieren, übernachten in heruntergekommenen Motels und trinken Bier und Bourbon.
    Eine wichtige Rolle spielen Franks Geschichten, die er auf Wunsch seines depressiven, verstörten Bruders immer wieder erzählt und die einen Gegenpol zur bitteren Realität darstellen, somit auch die Träume und Hoffnungen der beiden Männer auf ein besseres Leben versinnbildlichen.
    Damit ist im Grunde schon die ganze Handlung erzählt.
    "Motel life" ist ein ruhiges Buch, beinahe schon reduziert.
    Mir persönlich war es zu reduziert. Für die Figuren habe ich zwar Empathie empfunden, die Dialoge sind gelungen, die Atmosphäre ist greifbar und auch die lakonische Sprache hat mir gefallen, allerdings hat mich das Buch nicht wirklich gepackt, mich nicht abgeholt.
    Während des Lesens hat mich immer wieder das Gefühl beschlichen, dass das so ein Männerding ist, in das sich Frauen (zumindest ich) eher schlecht einfühlen können ...
    Fazit: Durchaus unterhaltsame und kurzweilige Lektüre, die für mich allerdings keinen Nachklang haben wird.
    7 Punkte.

  • Es ist interessant, auch deine Meinung über das Buch zu lesen. :-)


    Zitat

    Original von Seestern
    Während des Lesens hat mich immer wieder das Gefühl beschlichen, dass das so ein Männerding ist, in das sich Frauen (zumindest ich) eher schlecht einfühlen können ...


    Das kann natürlich sein, aber ich konnte mich (auch als Frau) gut einfühlen und war sehr bewegt, was vielleicht daran liegt, dass mir diese "reduzierte" Sprache und Art des Erzählens (Ford, Yates, Salter) sowieso gut gefällt und ich aus diesem Grund vielleicht leichter zu begeistern war.

  • Das Buch konnte ich mir gestern ertauschen - war auf der Startseite und da konnte ich nicht widerstehen. :grin


    Nun bin ich gespannt - wird aber sicher eine Zeitlang dauern, bis ich es lesen kann.


    :wave

    Jeder trägt die Vergangenheit in sich eingeschlossen wie die Seiten eines Buches, das er auswendig kennt und von dem seine Freunde nur den Titel lesen können.
    Virginia Woolf

  • Vlautin erzählt in "Motel Life" die Geschichte zweier Brüder, die schon viele Schicksalsschläge einstecken mussten: Der Vater ist ein Spieler und landet im Knast, die Mutter stirbt und die zwei Brüder schlagen sich mit Gelegenheitsjobs durch. Das Unglück verfolgt sie, als Jerry Lee einen Jungen überfährt.
    Während der Flucht lassen sie ihre Kindheit passieren.
    Frank, aus dessen Sicht erzählt wird, ahnt, dass Flucht nicht die beste Lösung ist . Jerry Lee plagen Schuldgefühle, nicht nur, weil er einen Jungen getötet hat, sondern auch, weil er geliebt werden möchte und auch ein Stück Glück erfahren möchte.
    Es ist eine melancholische Geschichte über zwei Verlierer, welche auf der Schattenseite des Lebens stehen und trotzdem ihren Optimismus nicht verloren haben.
    Im Nachwort schreibt Clemens Meyer:
    "Motel Life ist wie ein Besuch auf der Pferderennbahn – große Hoffnungen, große Enttäuschungen, Poesie und Dramatik, und wir wünschen uns, dass die Außenseiter erfolgreich sind, wir leiden und träumen mit ihnen, bis zum Schluss."
    Nur, dass die Fehlentscheidungen der Brüder viel existenzieller sind als eine verlorene Wette.
    Vlautin schafft es, dass man als Leser mit den Personen "mitleidet" und von Anfang an mit im Geschehen ist.
    Mir hat es jedenfalls gefallen, genauso wie sein Nachfolgeroman "Northline"


    Ich habe mir die erwähnten Lieder von Willie Nelson auch gleich im YouTube angehört. ;-)

    Jeder trägt die Vergangenheit in sich eingeschlossen wie die Seiten eines Buches, das er auswendig kennt und von dem seine Freunde nur den Titel lesen können.
    Virginia Woolf

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Conor ()

  • Es freut mich sehr, dass dir "Motel Life" auch gefallen konnte, Conor! Da du schon das Nachwort von Clemens Meyer erwähnst, fällt mir ein, dass mir das auch sehr gut gefallen hat damals, da Meyer sehr gut zusammenfassen konnte, was ich über das Buch gedacht habe. ;-)


    Bei Amazon habe ich gerade gesehen, dass im Februar 2010 ein weiteres Buch mit dem Titel "Lean on Pete: A Novel" auf Englisch von Vlautin erscheinen wird - darauf freue ich mich schon jetzt!

  • Danke für die Information, buzzaldrin - dann kann ich mich auch drauf freuen. :-)


    :wave

    Jeder trägt die Vergangenheit in sich eingeschlossen wie die Seiten eines Buches, das er auswendig kennt und von dem seine Freunde nur den Titel lesen können.
    Virginia Woolf

  • Ich mag amerikanische Romane und ich habe ein Herz für sympathische Antihelden, die immer wieder scheitern, sich aber doch an Hoffnungen klammern, ihren Optimismus nicht loslassen und staunen ob der immer schlechter werdenden Lage.


    "Motel Life" hat voll und ganz meinen Geschmack getroffen mit den beiden gescheiterten Existenzen Frank und Jerry Lee: tolle Figurenzeichnung, dichte Atmosphäre, lakonischer Erzählstil, viele wunderbare kleine Szenen und das Hoffen als Leser, für die beiden Jungs möge sich doch noch alles zum Besseren wenden, obwohl man es eigentlich die ganze Zeit besser weiß.


    Willy Vlautin erzählt mitreißend, auf den ersten Blick oft recht banal, bei näherer Betrachtung jedoch ungemein tiefgehend, ohne daß er viele Worte verlieren müßte. Absolut faszinierend.
    Einen Punkt ziehe ich allerdings ab, weil mir der Roman etwas zu reduziert war, an manchen Stellen hätte ich mir eine breitere Ausarbeitung gewünscht.