'Die Kapelle der Glasmaler' - Seiten 001 - 078

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    Original von Charlie
    Das Thema beschaeftigt mich immer mal wieder und im Moment gerade sehr, weil mir just eine Lektorin gesagt hat: "Da muss etwas Knalliges hin, da muessen Sie sich eben was Knalliges einfallen lassen."


    Seltsames Ansinnen. Ich finde, was immer man macht, es muss zur Geschichte passen. Meist gibt es ja mehrere Möglichkeiten. Man schont seine Figuren, man schont sie nicht. Manche Autoren werden vorhersehbar, wenn man mehrere Bücher von ihnen gelesen hat. Genauso wie mir klar war, dass Dr. House in der letzten Folge die Zecke in der Vagina finden würde. Ich bin ja eher jemand, der seine Figuren wenig schont. Dieses Mal habe ich mir aber hin und wieder gesagt: Nein, das Leben hat mehr Facetten als das da. Wenn die Brücke zusammenbricht, müssen nicht zwangsläufig immer alle ertrinken.


    Liebe Grüße


    Kirsten

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    Original von Solas
    Ich finde es sehr schön, wenn vor den Augen der Leser Bilder entstehen. Noch schöner ist es, wenn die Bilder unterschiedlicher Art sind. Ich glaube ja, dass das so ist, weil jeder andere Erfahrungen hat.


    So sehe ich das auch. Auf diese Art funktionieren Bilder beim Leser einfach am besten, wie ich finde.



    Ich stimme übrigens (wie viele andere) Charlie zu bezüglich ihren Ausführungen zu Vorhersehbarkeit und Glaubwürdigkeit. Ich sehe das ebenso. Und gerade die Stimmigkeit des Plots, die Glaubwürdigkeit der handelnden Personen sind extrem wichtig dafür, wie ein Buch beim Leser ankommt. Gibt es hier auffällige Mängel, kann auch eine noch so schöne Sprache nichts mehr retten. Aber das ist bei Kirstens Buch ja alles kein Problem - nicht, dass am Ende der Diskussionsverlauf noch diesen Eindruck vermittelt.

  • Leider mit etwas Verspätung, da ich die letzte Woche etwas im Stress war, aber nun habe auch ich endlich den ersten Abschnitt durch.


    Den Einstieg fand ich ein wenig verwirrend und bin immer noch recht ahnungslos, wie die noch namenlosen Figuren in Zusammenhang mit dem Rest stehen, aber es hat mich neugierig gemacht. Richtig gefesselt bin ich allerdings erst seit dem Abschnitt über Gishlain und Loup.


    Dieses Buch ist mein erstes Buch von Kirsten und mir gefällt vor allem der Erzählstil, der mich immer mehr in die Geschichte eintauchen lässt. Die Figuren sind bisher absolut glaubwürdig und vor allem Gishlain ist mir schon richtig ans Herz gewachsen. Ich bin gespannt, wie es mit ihm ohne Loup weitergeht, und ob er etwas über seine Vergangenheit herausfindet. Was mag wohl damals passiert sein, dass Raymond von seinem eigenen Bruder getötet wurde? Und sucht der immer noch nach Gishlain?


    Ich bin gespannt, wie es weitergeht, vor allem auch, wie das bisherige Geschehen mit der auf dem Klappentext erwähnten Handlung steht, denn da sehe ich bisher, bis auf die kurzen Kapitel der Glasmalerin, noch gar keinen Zusammenhang.

  • Zitat

    Original von Solas


    Seltsames Ansinnen. Ich finde, was immer man macht, es muss zur Geschichte passen.


    :write Wirklich eigenartiges Ansinnen. Aus meiner Sicht muß die Entwicklung zur Geschichte passen und vor allem zum Charakter und der Charakterentwicklung einer Figur. Viele Handlungsalternativen scheiden doch schon deshalb aus, weil sie nicht zur Persönlichkeit einer Figur passen. D.h. nicht, daß eine Figur aufgrund von Ereignissen und Rahmenbedingungen sich nicht verändern kann, aber gewisse Grundzüge im Handeln des Menschen leiten sich doch von seinen Kerneigenschaften ab und daher ist es aus meiner Sicht Authentizität wichtiger als Originalität.

  • Sicher braucht eine Geschichte stringenz.
    Nur: Der Autor hat alle Freiheiten - bezogen auf seinen Roman ist er Regisseur, Kameramann, macht das Casting, sitzt im Schneideraum ...
    Deswegen akzeptiere ich das Argument "die Figur ist eben so angelegt, dass sie so handeln muss" nicht. Wenn das "so handeln müssen" zu einer langweiligen Handlung führt, dann soll der Autor bitte die Figur feuern und durch eine ersetzen, die interessanter handelt.
    Mir gefällt "Die Kapelle der Glasmaler" bislang sehr gut, aber in Bezug auf diese Adoptionsgeschichte erlaube ich mir den Luxus einer eigenen Meinung und die lautet in diesem Fall: keine Gnade! :schlaeger

  • So, dann will ich auch mal in die Leserunde einsteigen :-]


    Vieles ist schon gesagt worden und ich möchte gerne einen Satz aus dem Anfang des Buches, S. 15 zitieren, der für mich ausdrückt, was ich beim Lesen von Kapitel eins empfunden habe: „Wenn sie sich mit aller Macht auf diese Farben dort besann, dann sah sie sie nicht nur, nein, sie hörte sie auch, spürte sie mit dem ganzen Körper, mal wie seichte Wellen, die sie umspülten, mal wie die tosende Brandung.“


    Während Kirsten in den kurzen Szenen das Handwerk der Glasmalerin, die Farben, beschreibt, bringt sie ihre eigenen Worte zum Leuchten. Ich teile den Eindruck meiner Vorredner: Wie Glassplitter fühlt sich der Beginn des Buches insgesamt an und man liest weiter, weil man wissen will, welches Bild daraus entstehen wird.


    Gishlain und der Jongleur sind mir beide gleich sehr ans Herz gewachsen. Und, liebe Kirsten, so sehr du mir „verübelt“ hast, dass ich eine meiner Figuren am Weiterleben gehindert habe, so stimme ich jetzt mein Klagelied an, weil Loup sterben musste. Und wie er starb. Dieser nüchterne Satz S. 70: „Im Frühjahr des Jahres 1238 starb Loup, ein alter Mann von knapp vierundvierzig Jahren.“ Puh. Mir hat’s den Magen zusammengezogen und jede Schilderung seines Sterbens hätte diesen Eindruck abgeschwächt. Nur nicht dieser Satz, so wie er in seiner Endgültigkeit, nüchtern und blank wie der Tod selbst, dasteht.

  • Ich fürchte nicht, dass das hier diskutierte Thema einen falschen Eindruck vom Buch vermittelt, die Meinungen sind allgemein gehalten. Und ich bin begeistert, meine eigene Einstellung in so viel bessere Worte gekleidet gefunden zu haben, als ich selbst es schreiben könnte.


    Dagegen habe ich das Ende der Zecke in der Vagina bei House nicht wirklich vermutet und war angemessen schockiert :wow

  • So, nun bin ich auch dabei, und habe den ersten Abschnitt gelesen.
    Anfangs fand ich es etwas unglücklich, dass die Handlung erst vor- bzw. nachdatiert wurde. Das war für mich verwirrend, zumal es sich zudem um unterschiedliche Handlungsstränge handelte. Da musste ich erstmal ein bisschen rechnen, um das Alter der Figuren später wieder nachvollziehen zu können.
    Was ich wunderschön finde, sind die sinnlichen Beschreibungen, also Beschreibungen, die der Leser mit allen Sinnen aufnehmen kann: sehen, riechen, fühlen, schmecken, hören - besonders anfangs, als die (noch unbekannte) Glasmalerin das Material anordnet.
    Ich finde auch die unterschiedlichen Persönlichkeiten gut gezeichnet, wie z.B. Hugos garstige Frau. Anderseits ist mir aufgefallen, dass das Aussehen der Figuren manchmal nur vage beschrieben ist. Über Cléments Äusseres könnte ich beispielsweise gar nichts sagen.
    Gar nicht gefallen hat mir der Mord an Raymond. Ich kann mir zudem schwer vorstellen, dass jemand seinen Bruder derart brutal umbringt, schliesslich wer der ja kein Niemand. So ein Mord muss Fragen aufwerfen - zumal ich mich gefragt habe, wie der den Leuten erklären will, dass er zwar mit seinem Pferd - nicht aber mit dem Bruder (bzw. Brüdern) zurückkommt. Immerhin haben die Wachen Raymond und Ghislain zusammen mit dem Pferd fortreiten sehen. Und: Hugo hatte ja Erkundigungen über Ghislain eingezogen, und nachgefragt, ob irgendwo ein Kind fehlt. Und hat er nichts rausgefunden? In jedem Fall hat die Autorin keine Frage an der Skrupellosigkeit von Ghislains Bruder offen gelassen.
    Interessant finde ich Ghislains Persönlichkeit. Seine ruhige Art - das kann noch spannend werden, glaube ich.

  • Zitat

    Original von Sina
    Vieles ist schon gesagt worden und ich möchte gerne einen Satz aus dem Anfang des Buches, S. 15 zitieren, der für mich ausdrückt, was ich beim Lesen von Kapitel eins empfunden habe: „Wenn sie sich mit aller Macht auf diese Farben dort besann, dann sah sie sie nicht nur, nein, sie hörte sie auch, spürte sie mit dem ganzen Körper, mal wie seichte Wellen, die sie umspülten, mal wie die tosende Brandung.“


    Diese Stelle fand ich auch wunderschön.



    PS: Das hatte ich ganz vergessen. Ich habe einen interessanten Link zum Thema gefunden (oder wurde der schon gebracht?). Das Bild auf Seite 6 gibt einen kleiner Eindruck der Kappelle wieder:
    http://www.hs-owl.de/fb1/uploa…e_chapelle_pdf_fertig.pdf (PDF-File!)

  • Das ist ein schöner Link, danke!


    Was die Brüder angeht: Im 13. Jahrhundert ist das Land ja noch nicht vollkommen erschlossen, da kann man schon mal auf immer verloren gehen.
    Nein, der Mord war jetzt sicher keine schöne Sache - obwohl ich ja für Totschlag plädieren würde, Donatien verliert die Beherrschung.
    Ob Ghislain gefunden werden kann, hängt sicherlich davon ab, wer Interesse daran hat, ihn wieder zu finden. Aber auch da würde ich davon ausgehen, dass die Mittel zu dieser Zeit einfach begrenzter sind.


    Liebe Grüße


    Kirsten

  • Zitat

    Nein, der Mord war jetzt sicher keine schöne Sache - obwohl ich ja für Totschlag plädieren würde, Donatien verliert die Beherrschung.


    Solas  
    So gnädig kann nur eine "Mutter" sein! Ich hatte eher den Eindruck, er nimmt Raymond's Tod in Kauf.