'Die Kapelle der Glasmaler' - Seiten 079 - 156

  • Nun begegnen wir auch dem Glasmaler Clement und seiner Familie, die auf ihrer Wanderschaft nach Paris von einem Gesetzlosen überfallen werden und hier finden sich dann auch die ersten Glasstücke zusammen, denn es ist Ghislain, der sie rettet :-)


    Wie spricht sich der Name eigentlich aus? Ich nehme an, dass sich das Gh wie ein J spricht?


    Ich bin ganz begeistert über die vielen kleinen Details in der Geschichte, z. B. wie der Wald beschrieben ist. Der Regen, die Gerüche, der Gesang der Vögel. Das ist so intensiv, als wäre man selbst mitten drin :-)


    Von den Figuren ist mir Ghislain bislang der Liebste. Ich nehme an, dass Jehanne irgendwann die Frau seines Herzens wird.


    In Jehanne vermute ich auch die Frau, die in den Zwischenkapiteln an der Entstehung des Glasfensters arbeitet.

  • Diese Glasmalerfamilie war mir gleich sympathisch. Ganz ausdrucksstark ist die Wanderung nach Paris beschrieben. Ich konnte die Familie fast marschieren sehen.
    Sehr eindrucksvoll auch der Überfall durch den Gesetzlosen.
    Ghislain wird wohl von adeliger Herkunft sein, der nur überlebte, weil sich der Jongleur um ihn kümmerte. Ich wußte auch nicht, dass man Sterbende, so wie bei dessen Tod erwähnt, auf den Boden legt, da jedem Menschen im Tode Demut ziemt.
    Bis jetzt jedenfalls ein sehr schönes Buch.

  • Zitat

    Original von Bouquineur
    Ich bin ganz begeistert über die vielen kleinen Details in der Geschichte, z. B. wie der Wald beschrieben ist. Der Regen, die Gerüche, der Gesang der Vögel. Das ist so intensiv, als wäre man selbst mitten drin :-)


    Ja, absolut, die Szene des Überfalls hatte auf mich eine starke Wirkung.
    Fast wie eine Szene aus einem Horrorfilm, aber die Gefahr ist real.
    Der Gesetzlose hat wahrscheinlich auch kaum alternativen als Überfälle, da er durch sein geschlitztes Ohr immer erkennbar und dauerhaft von der Gesellschaft ausgeschlossen ist.
    Teilweise eine bedrückende Szene, da der Leser wie auch Clement denken muss, Lise wäre getötet. Ich war daher erleichtert, dass sie noch lebt und bin froh, dass Clement und Ghislain so schnell zu einander geführt werden.
    Auch beeindruckend, dass eine so lange actionszene in einen historischen Roman so gut funktioniert.

  • Zitat

    Original von Herr Palomar
    Der Gesetzlose hat wahrscheinlich auch kaum alternativen als Überfälle, da er durch sein geschlitztes Ohr immer erkennbar und dauerhaft von der Gesellschaft ausgeschlossen ist.


    Das gefällt mir übrigens sehr gut, dass auch Nebenfiguren oder Figuren, die eigentlich nur kurz vorkommen, eine eigene Geschichte haben. Das nimmt ihnen die Anonymität und so kann man selbst das Handeln eines Straßenräubers irgendwie nachvollziehen. Hunger und Einsamkeit sind keine schönen Wegbegleiter.


    EDIT:


    Ebenso schön gezeichnet fand ich Bruder Germund und seinen Kräutergarten. Ein sehr schön geschildertes Klosterleben, das da vor dem geistigen Auge entsteht.


    Als Leser hat man ja eigentlich die Erwartungshaltung, zu Beginn eines neuen Abschnittes auf einen der Haupt-Protagonisten zu treffen. Das ist in diesem Buch so ganz anders. Hier werden die neuen Abschnitte oft mit neuen Figuren begonnen, die zwar keine tragende Rolle haben, aber genau an die Stelle passen, an die Kirsten sie gestellt hat. Sie leiten den neuen Abschnitt ein und wecken erst recht die Spannung auf das weitere Geschehen.

  • Das ist wirklich ein Wechselbad der Gefühle, in das ich hier geworfen werde, die ich dank des intensiven, emotional tiefgehenden Erzählstils real erlebe. Klingt jetzt ein bisschen verworren, soll aber hauptsächlich ausdrücken, dass mich die Geschichte sehr berührt und ich mittendrin bin.

    :lesendR.F. Kuang: Babel


    If you don't make mistakes, you're not trying hard enough. (Jasper Fforde)

  • Zitat

    Original von Bouquineur
    Wie spricht sich der Name eigentlich aus? Ich nehme an, dass sich das Gh wie ein J spricht?


    Mit einem G. Ein J wäre es, wenn nach dem G kein H stünde.
    Off-topic: Als ich vor kurzem in Paris war und jemand in sein Handy sagte "Oui, c'est Ghislain", da habe ich ihn kurz anstarren müssen.


    Ich habe Ghislain auch sehr gerne.


    Darüber, dass die Actionszene funktioniert, freue ich mich. Es war auch irgendwie spannend, so etwas zu schreiben.


    Nachtgedanken
    Danke schön. Du hast das ganz verständlich beschrieben.
    Mir ging es beim Lesen anderer Bücher ja auch schon so, und ich habe es auch nie richtig in Worte fassen können. Wie ich sehe, geht es aber.


    Vielen, vielen Dank für eure Anmerkungen und die Fragen. Das macht wirklichen großen Spaß.


    LG


    Kirsten

  • Die Einführungen über andere Personen finde ich auch wunderbar, und die Gleichberechtigung der Natur. Sie ist überall und setzt einen mitten hinein ins Geschehen.


    Aufgefallen ist mir der Satz über Edwige, die ein-, zweimal schwanger wurde, die Kinder aber verloren hat, ein bedauerlicher Umstand aber nichts, was das Leben zum Stillstand brachte. (S. 87) Ich mag solche Sätze, die Tragik und Gleichmut in einem bergen und eine ganze Lebenseinstellung zum Ausdruck bringen können.


    Rührend, dass Clement immer seine Frau malt. Das zeigt mehr Liebe als alle Worte. Jeanne wird genauso. Der nehme ich den Teenager übrigens ab, dieses Schwanken zwischen den Launen und diese Unsicherheit gegen Gefühle.


    Mir fällt immer wieder auf, wie umfassend und alltäglich der Glauben die Menschen führt.


    Traurig macht mich dieses Suchen von Ghislain nach seiner Erinnerung. Es ist wunderbar eingebaut, wie er leidet, ohne Schwulst und Tränenschmerz, sehr überzeugend. Eine Annäherung zwischen ihm und Jeanne über Freundschaft hinaus wäre nett, aber vorhersehbar. Bestimmt kommt alles ganz anders. Trotzdem hat Jeanne Glück, sich in so einen guten Menschen zu verlieben.


    Mir hat die Szene mit dem Aufschneiden des Geschwürs (S. 138) besonders gefallen, wie überhaupt die medizinischen Einzelheiten. Ich bin robuster Natur und mein Interesse daran überwiegt sämtlichen Ekel.


    Gut gelungen fand ich die Umkehrung von Edwige gegen Ghislain, die ihn erst fern sehen wollte und ihn dann doch brauchte. Es ist nachvollziehbar. Vielleicht entwickelt sich hier eine Freundschaft.


    Gut gefällt mir auch die Bodenständigkeit Ghislains, seine Einschätzung der eigenen Kunst.


    Gab es bisher etwas, was mir nicht gefallen hat? Nein. :grin

  • Hallo beo, danke für den Link. Der auf das Kloster funktioniert, aber bei dieses "Gebäude" öffnet sich bei mir leider nichts. Liegt es an mir oder an dem Link?


    Edit: Jetzt geht der Link. Danke!


    Ich mag auch die Fotos auf Solas Homepage sehr:
    http://www.kirsten-schuetzhofer.de/bilder.htm

  • Zitat

    Original von beowulf
    Hier bin ich jetzt. Eigentlich besonders schön, besonders dieses Gebäude, die Infermerie der Mönche, aber liegen möchte ich da auch nicht...


    Das Kloster habe ich besucht, das ist wirklich sehr schön, besonders auch, wenn man sich fürs Bauen interessiert. Um das Krankenhaus der Mönche bin ich herum geschlichen. Für die Zeit war das Angebot sicher nicht schlecht. Ich fand es richtig bedauerlich, dass ich meinen Kranken nicht da hinein legen konnte. Monks only, tja ...


    Herr Palomar
    Danke!
    Vielleicht habe ich zum passenden Zeitpunkt ja noch ein paar Bilder mehr. Ich muss mal suchen.


    Liebe Grüße


    Kirsten

  • Zitat

    Original von Bouquineur


    Das gefällt mir übrigens sehr gut, dass auch Nebenfiguren oder Figuren, die eigentlich nur kurz vorkommen, eine eigene Geschichte haben. Das nimmt ihnen die Anonymität und so kann man selbst das Handeln eines Straßenräubers irgendwie nachvollziehen. Hunger und Einsamkeit sind keine schönen Wegbegleiter.


    Da wurde mir erst bewusst, warum wir manchmal heute noch vereinzelt Mitmenschen mit dieser Bezeichnung belegen. :lache Jedenfalls kenne ich diesen Ausdruck von meinem Großvater.


    Den Überfall sah ich auch als eine Art, seinen Lebensunterhalt zu beschaffen. Wie Kirsten schön beschrieb, hatte der Gesetzlose Schwierigkeiten, jemals wieder in der Gesellschaft teilzuhaben. Aber nur von Beeren kann er sich wohl auch nicht ernähren.


    Bouquineur : Die Einsamkeit hat er durch den Überfall leider auch nicht abwenden können. Sicher ist sie auch Auslöser zu diesen Gewalttaten. Die Kleine hätte er ja nicht unbedingt besinnungslos schlagen müssen.


    Eine solche Szene habe ich eigentlich gar nicht erwartet. Irgendwie kam mir das Wäldchen mit der wandernden Familie so idyllisch vor.

  • Zitat

    Original von Büchersally
    Bouquineur : Die Einsamkeit hat er durch den Überfall leider auch nicht abwenden können. Sicher ist sie auch Auslöser zu diesen Gewalttaten. Die Kleine hätte er ja nicht unbedingt besinnungslos schlagen müssen.


    Eine solche Szene habe ich eigentlich gar nicht erwartet. Irgendwie kam mir das Wäldchen mit der wandernden Familie so idyllisch vor.


    Warum er das gemacht hat, hat sich mir auch nicht so recht erschlossen. Lise hat ja eigentlich keine wirkliche Gefahr für ihn dargestellt. Und dann gleich so niedergeschlagen, dass eine Menge Blut geflossen ist.
    Vielleicht wollte er so den Vater der Verfolgung hindern. Hat vielleicht gedacht, er würde sich dann zuerst um Lise kümmern, anstatt ihm hinterher zu laufen.


    Der Wald wirkte wirklich idyllisch. Letztendlich hat der Gesetzlose uns Leser genauso überrascht wie die Familie.

  • Der Begriff Schlitzohren ist eigentlich aus einer späteren Zeit bekannt. Wandergesellen tragen in der Regel noch heute einen Ohrring, wenn ein Wandergeselle wegen Betruges, Diebstahl oder sonstwieso ehrlos ausgeschlossen wurde, riss man ihm den geschlosenen Ohrring aus dem Läppchen. Die Leibstrafen des Mittelalters hinterliessen meist grössere Schäden, als Schandmal gehörte dazu aber auch das Aufschlitzen des Ohres.

  • Was will man mehr ? Das Buch liest sich einfach wunderbar. Vor allem begeistert mich, wie mich die Geschichte zwingt mit unterschiedlichem Tempo zu lesen und dadurch die Spannung noch steigert. Vor allem die Szenen rund um den Überfall im Wald mit anschließendem Kampf und Rettung. Ein auf und ab, wodurch man das Gefühl hat anwesend zu sein.


    Diese Spannung ist aber in nahezu allen Szenen zu spüren, nicht nur wenn es actionmäßig ordentlich zur Sache geht. Gerade auch die Szenen zwischen Ghislain und Edwige am Fluß, als er ihrer Jüngsten Brot gab. Da spiegelt sich die ganze Geschichte von ihm und die Angst von ihr in dieser Szene.


    Daran schließt dann wieder die Szene im Kloster an, wo Edwige Ghislain braucht, man aber deutlich immer noch die Distanz zwischen den beiden merkt, da sie nahezu spürbar in der Luft liegt.

  • Ich finde das sehr gut beschrieben.
    Mir geht es auch so, dass ich durch manche Szenen rase und andere ganz langsam und mehrmals lese. Wenn ich das dann mal ueberpruefe, stelle ich fest, dass das Tempo des Erzaehlens sich ebenfalls geaendert hat.
    Die Gangart wechselt elegant, es gibt keine Eintoenigkeit.


    Alles Liebe von Charlie

  • Ich muß gestehen, die Szene im Wald hat mich beim ersten Lesen kurz Zucken lassen, da mir sofort "Die Säulen der Erde" einfiel. Ich fand das zunächst recht gefährlich. Allerdings könnte sich Herr Follett da bei Kirsten Schützhofer erzählerisch ein Scheibchen abschneiden... :grin

  • Euren inhaltlichen Anmerkungen möchte ich nichts mehr hinzufügen. So ist das halt, wenn man etwas später dran ist.


    Mir gefällt sehr gut, dass die Personen, egal ob Haupt- oder Nebenpart, alle einen komplexen Charakter haben. Jeder hat seine Eigenarten, seine Geschichte. Einige kommen und gehen wieder, wie der Gesetzlose. Ich erwarte nicht, dass er noch einmal auftaucht. Andere habe ich schon längst in mein Leserherz aufgenommen, wie Ghislain und die Familie des Glasmalers. Besonders gut gelungen, finde ich, sind die Charaktere der beiden großen Töchter, Lise und Jehanne. Sie sind so unterschiedlich wie Schwestern dieses Alters nur sein können. Lise ist ihrer jüngeren Schwestern einen deutlichen Schritt voraus. Die Jüngere zieht aber mit ihrer Schwärmerei für Ghislain recht schnell nach. Jede Figur ist wie dem Leben entsprungen. Sehr schön.


    Ein Absatz, der mich aber besonders berührt hat, ist die Nahtoderfahrung von Clément. Die wurde auf fast poetische Weise beschrieben. Der hellste Engel, was für ein schönes Bild.


    Jetzt werde ich das Wetter und die freie Zeit am Sonntag noch etwas nutzen und freue mich auf die nächsten Seiten.


    PS:


    Zitat

    Original von Pelican
    Ich muß gestehen, die Szene im Wald hat mich beim ersten Lesen kurz Zucken lassen, da mir sofort "Die Säulen der Erde" einfiel. Ich fand das zunächst recht gefährlich. Allerdings könnte sich Herr Follett da bei Kirsten Schützhofer erzählerisch ein Scheibchen abschneiden...


    Im April habe ich die "Säulen der Erde" gelesen. DER historische Roman an sich. Mich hat er nicht aus den Socken gehaun und der Stil dieses Buches gefällt mir auch um Längen besser.

  • Zitat

    Original von Pelican
    Ich muß gestehen, die Szene im Wald hat mich beim ersten Lesen kurz Zucken lassen, da mir sofort "Die Säulen der Erde" einfiel. Ich fand das zunächst recht gefährlich. Allerdings könnte sich Herr Follett da bei Kirsten Schützhofer erzählerisch ein Scheibchen abschneiden... :grin


    Einige Scheibchen, liebe Pelican! :wave


    Ich habe diesen Teil jetzt auch gelesen - trotz EM-Fieber :gruebel


    Es ist schrecklich, was die Hauptfigur Clement alles über sich ergehen lassen muß! Der Überfall, das Fieber, und jetzt die Arbeitssuche! Der Arme tut mir richtig leid. Ist ja fast so schlimm, wie in der vorhergehenden Leserunde mit Uwe Schomburg!


    Aber es ist wirklich alles wunderbar beschrieben, der Kampf im Wald, die Rettung im Kloster! Toller Schreibstil!


    Danke Beo für die Links mit den Bildern. Ja, man müsste mal wieder nach Frankreich in den Urlaub fahren können!

    Don't live down to expectations. Go out there and do something remarkable.
    Wendy Wasserstein