'Die Kapelle der Glasmaler' - Seiten 306 - 408

  • Diesen Abschnitt jagd tatsächlich eine brutale Szene die andere!


    Thomas kommt mir sehr umsympathisch rüber. Wie kann ein Vater nur so brutal seinem Sohn gegenüber sein????


    Und das die Haushälterin Etienne nicht zu Hilfe kam :gruebel
    Sie hatte wohl Angst um den Lohn für ihre Liebesdienste.

    Don't live down to expectations. Go out there and do something remarkable.
    Wendy Wasserstein

  • Wieder ein kurzer Zwischenkommentar:


    Die Szene beim König hat mich überrascht. Thomas nimmt Clément mit zur Audienz, wo dieser dann auch prompt mehr Beachtung findet als sein Dienstherr. Das ist für mich eine interessante Szene, weil es Thomas eine weitere Facette verleiht. Er scheint gerade im geschäftlichen Bereich über eine gewisse rationale Logik zu verfügen, die ihm in seinem Privatleben zur Gänze abzugehen scheint.


    Es kam auch ein "neues" Motiv für seine Besessenheit gegenüber Edwige auf. Verletzter Stolz, da sich bei ihm vor allem das Gespött einen Korb erhalten zu haben eingebrannt hat. Hält es sich die Waage mit unerwiederter Liebe oder ist der verletzte Stolz das Hauptmotiv? Bin schon gespannt, wie es hier weitergeht.


    Die die hl. Lanze, die im Gespräch mit dem König erwähnt wird, die gleiche, die sich heute in der Wiener Schatzkammer befindet?


    Diesmal hat auch Etienne eine etwas gewichtigere Rolle bekommen. Ich war überrascht, dass er bei seiner Geschichte die Courage aufbringen konnte und sich gegen seinen Vater gestellt hat.
    Im Gespräch mit Jehanne zeigt sich aber auch eine andere Seite von ihm, wo er doch recht überheblich mit seiner Position umgeht. Da wird hoffentlich noch mehr folgen.



    Zitat

    Original von Bouquineur
    Das mit den Haaren habe ich mich auch gefragt. Mir ging dabei allerding eines der Bücher von Diana Gabaldon durch den Kopf, die allerdings ein paar Jahrhunderte später spielen. Jamie und Claire waren da in Frankreich und Claire ließ sich die Haare auf den Beinen und unter den Achseln entfernen und Jamie war darüber fuchsteufelswild, weil er sagte, nur die Huren würden das machen, keine ehrbaren Frauen.


    Gab es denn auch einen religiösen Hintergrund, der die komplette Enthaarung verbot?


    Edit: Mir schwirrt der Kopf, nicht Gable sondern Gabaldon...


    Bei Robert Merle ("Die gute Stadt Paris") wurde das Thema mit der Geschichte rund um Samson aus der Bibel assoziert. Bin mir aber nicht sicher, ob das nur die Gedanken der Hauptfigur war, weil er sich enthaaren lassen musste oder ob diese Ansicht wirklich weiter verbreitet war.

  • Zitat

    Original von taciturus
    Die die hl. Lanze, die im Gespräch mit dem König erwähnt wird, die gleiche, die sich heute in der Wiener Schatzkammer befindet?


    nein, da gab es mehrere. Siee z.B. Wiki

  • Was gleich mehrere Lanzen? :grin
    Während meiner Recherche ist mir immer nur die begegnet, die der König gekauft hat, also angeblich jene, die Jesus in die Seite gekriegt hat. Ich bin mir nicht sicher, wo die heute ist oder ob es sie noch gibt. Eine Information deutete auf Nôtre-Dame hin.


    Was Lise angeht, sehe ich sie nicht als dem Körperlichen abgewandt, sondern als unerfahren an. Und das kann man auch durchaus sein, wenn man mit seinen Eltern in einem Raum schläft.


    Der Messerwerfer hätte sich eine bessere Gelegenheit suchen können: ein Fest, großes Durcheinander, übermüdete Gäste, ein unwichtiges Ziel - vielleicht hat er sich einfach verschätzt? :lache


    Lesebiene
    Obwohl ich es Mahaut (der Haushälterin) übel genommen habe, dass sie Etienne nicht zur Hilfe gekommen ist, will ich doch einmal eine Lanze für sie brechen. Thomas ist ihr Arbeitgeber, sie hat keine Verwandten, an die sie sich wenden könnte. Sein Wohlwollen ist lebenswichtig für sie.


    Jetzt erst einmal vielen Dank für eure Anregungen und die Rückmeldungen (positive wie negative).


    Liebe Grüße


    Kirsten

  • In diesem Abschnitt ging es wirklich zur Sache:
    Ghislain sieht sich gleich mehreren Mordversuchen ausgesetzt, ohne zu wissen wer oder gar warum man seinen Tod wünscht. Am Ende gerät er in die Fänge seinen Halbruders Donatien, der ihn offenbar zunächst lebend braucht.


    Thomas erweist sich ein mal mehr als die Niedertracht in Person. Er prügelt seinen eigenen Sohn fast zu Tode, demütigt seine Haushälterin in grenzenloser Art und Weise und als Krönung verführt er aus Rache Lise, die prompt von ihm schwanger wird und verstößt sie.


    Zitat

    von Bouguineur
    Also doch nur ein perfides Spiel für ihn mit Lise. Dass er sie verstößt, nachdem er sie geschwängert hat, hätte ich nicht gedacht. Eher, dass er sie heiratet und dann mit ihr macht was er will und somit Rache nimmt an Clement.


    So hatte ich mir das ursprünglich auch vorgestellt. Aber unsere Autorin hat mit Lise wohl anderes im Sinn.


    Zitat

    von Bernard
    ...Sie erscheint mir für eine junge Frau des Mittelalters etwas naiv....


    Ganz so unwissend war Lise nicht, in ihrer Gedankenwelt wird durchaus angedeutet, dass sie sich über die Grenzen der Sitte hinausbewegt. Der Ort ihrer Treffen ließ daran auch keinen Zweifel.


    Und zu guter letzt Allisende, die nach einer Verlobungsfeier ohne Verlobten Ghislain ins Bett holt, man könnte sagen, um ihren Horizont zu erweitern und die Lücke des fehlenden Mannes auszufüllen.
    Der wahre Charakter Allisendes hat sich mir erst in diesem Abschnitt erschlossen. Bisher erschien sie mir als der weiche Gegenpart zu ihrem Bruder, der seine Taten abmilderte. Jetzt, fürchte ich aber, ist sie das "böse" Gehirn, was dahinter steckt.

  • Zitat

    Original von Joschi
    Ganz so unwissend war Lise nicht, in ihrer Gedankenwelt wird durchaus angedeutet, dass sie sich über die Grenzen der Sitte hinausbewegt. Der Ort ihrer Treffen ließ daran auch keinen Zweifel.


    Ich hatte zudem den Eindruck, dass sie sich in Thomas verliebt hat und auch heute noch gibt es zuhauf verliebte Mädchen, die alleine und schwanger im Leben stehen. Mal hier eine Verlockungen, mal dort ein kleiner Schritt über die Grenze, man ist beeinflussbar und gutgläubig. Wer rechnet in diesem Alter mit Niedertracht? Ich würde es nicht an den Zeiten festmachen, eher an der persönlichen Reife.

  • Zitat

    Original von Liesbett
    Ich hatte zudem den Eindruck, dass sie sich in Thomas verliebt hat ...


    ... oder sie glaubt es zumindest ... Es ist vielleicht auch die Frage, wie jemand reagiert, der nach Anerkennung "dürstet". Lise bekommt weniger Anerkennung, als für sie gut wäre (ohne jetzt generell sagen zu wollen, dass sie zu wenig bekommt). Ja, vielleicht liegt es an der persönlichen Reife. :gruebel


    Liebe Grüße


    Kirsten

  • Zitat

    Original von Joschi
    Und zu guter letzt Allisende, die nach einer Verlobungsfeier ohne Verlobten Ghislain ins Bett holt, man könnte sagen, um ihren Horizont zu erweitern und die Lücke des fehlenden Mannes auszufüllen.
    Der wahre Charakter Allisendes hat sich mir erst in diesem Abschnitt erschlossen. Bisher erschien sie mir als der weiche Gegenpart zu ihrem Bruder, der seine Taten abmilderte. Jetzt, fürchte ich aber, ist sie das "böse" Gehirn, was dahinter steckt.


    Das finde ich ist etwas hart- das sind meiner Ansicht nach keine "bosen" Charactere, sondern dumme verzogene Gören reicher Eltern, wie sie heute noch handeln und existieren...

    Nemo tenetur :gruebel


    Ware Vreundschavt ißt, wen mahn di Schreipfelerdes andereen übersiet :grin


    :lesend  :lesend

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  • Zitat

    Original von beowulf
    dumme verzogene Gören reicher Eltern, wie sie heute noch andeln und existieren...


    Quasi die Paris Hiltons des 13. Jahrhunderts? :lache
    Ich freue mich ja immer, wenn Figuren einen Fürsprecher haben, irgendwo hat ja jede in mir ihr Plätzchen. Nun gut, mit Aimon tu ich mich schwer, aber das liegt an der Kombination wirklich dumm und verzogen.


    Liebe Grüße


    Kirsten

  • Ich habe die Bruche bisher immer für das Schamkapselchen gehalten und mich errötend den Stellen abgewand, wo der Herr nur noch in jener dastand. Wie peinlich. :grin


    Ich fühle mich echt unwohl bei dem Gedanken, nur im Hemde ... aber aus der Beschreibung der Dirnen in der Kaschemme (Fischgeruch ...) kommt das doch sehr gut rüber. Ich frage mich nur, wie das mit den Monatslumpen geregelt wurde.


  • Wär hätte das auch aufbewahren sollen! :uebel
    Stelle mir dabei immer ein windelähnliches Konstrukt vor, bei der die schlechtesten Stofffetzen, wo wir heute vielleicht "höchstens noch zum Putzen" meinen, eingelegt worden sind. (Wer hat die bloß gewaschen?)

  • Zitat

    Original von Joschi
    Wär hätte das auch aufbewahren sollen! :uebel


    Nun ja, es werden die seltsamsten Dinge aufbewahrt, und viele Alltagsgegenstände in Museen stammen aus den Tiefen des Aborts. Das möchte man sich ja eigentlich auch nicht ausmalen, oder?
    Ich vermute mal die Frauen haben sie selbst gewaschen. Wenn ich mich recht entsinne, war das noch bis ins 20. Jahrhundert so (bevor der Wegwerfkram kam).


    Liebe Grüße


    Kirsten

  • Zitat

    Original von Bouquineur


    Alissende lässt sich mit Ghislain ein, nachdem ihr Bräutigam nicht selber kommt sondern einen Vertreter zwecks Heiratsvereinbarung schickt.
    Ich bin mir nicht sicher, was diese Liaison beiden bedeutet. Liebe ist da m. E. nicht im Spiel. Eher Besitzdenken, zuminindest auf Alissendes Seite. Ich nehme an, dass sie es war, die ihren Bruder auf Ghislain gehetzt hat, nachdem ihr zu Ohren gekommen ist, dass er sich Alix annähert.


    Für den Beginn würde ich das nicht so sehen. Am Anfang war es glaub ich eher die Enttäuschung schon wieder zurückgewiesen worden zu sein und den erwarteten Bräutigam nicht zu sehen, vor allem nach den falschen Erwartungen des vermeintlichen Ehemannes. Für das Fortdauern wird es dann wohl auf auch einen Besitzcharakter bekommen haben. Allerdings assoziiere ich bei Besitzgedanken immer auch eine gewisse Machtausübung über den Untergeordneten, die für mich hier nicht sichtbar wird. Hier hab ich eher den Eindruck, dass Alissende für sich ein Spielzeug gefunden hat.



    Zitat

    Original von Solas


    "Absicht" von Thomas insofern, dass er seine Arbeiter nicht schont. Keinen von ihnen.


    Wenn es auf den Unfalltod von Foulques bezogen ist, frag ich mich, ob Thomas überhaupt hier wirklich Möglichkeiten hatte. Immerhin ist er der Glasmalereimeister und nicht der Baumeister. Insofern dürfte der Zustand des Gerüstes wohl auch eher nicht seine Angelegenheit sein.


    Ihm dafür eine Schuld zuweisen zu wollen, dass er trotz dem Wissen dieses Zustands seine Arbeiter nicht abgezogen hat, halte ich für überzogen. Nach modernem Denken keine Frage, aber die sind im 13. Jh.


    Die Beschreibung des Unfalls fand ich genial. Schauerlich lakonisch der Sturz. Die Sterbeszene sehr eindringlich.



    Insgesamt habe ich hier wirklich den Eindruck Menschen aus dem Mittelalter zu beobachten. Die Denkweise der Menschen ist für mich stimmig. Ob das König Louis ist, der alle Menschen an der Stelle sieht, an die sie Gott gesetzt hat oder ob es Thomas ist, der der den Tod eines Lehrlings als Kleinigkeit hinnimmt.



    Zitat

    Original von Bernard


    Die Szene, in der der Messerwerfer das Attentat auf Ghislain verübt, ist für mich unglaubwürdig. Ich versetze mich dabei in den Attentäter hinein. Warum, um alles in der Welt, sollte ich den Mord während einer Feier verüben, umgeben von 100 Zeugen, im Haus von jemandem, der meinem Vorhaben nicht wohl gesonnen ist und der auch noch über eine Menge Bewaffneter gebietet? So blöd kann man doch gar nicht sein, dass einem nicht klar ist, dass man da nicht entkommen kann. Wenn ich also der Attentäter wäre, würde ich so ziemlich alles machen, nur nicht das. Zum Beispiel dem guten Ghislain folgen, wenn ihn mal ein menschliches Bedürfnis drängt, und die Sache im Schatten durchziehen.


    Was aber nur dann zutrifft, wenn unser Attentäter nicht gedungen wurde. Dann hat nämlich der wahre Auftraggeber des Attentats ein sehr großes Interesse daran, dass es so geschieht, wie es geschehen war, weil eben die Möglichkeit, dass der Attentäter ihn bezichtigt, damit ausgeschaltet wird. Da der Attentäter ein dem Leser unbekannter war, scheint es mir auch schlüssig, dass er keine persönlichen Motive für sein Tun hatte, schließlich hat Ghislain ihn auch nicht erkannt. Das kann zwar daran liegen, dass er zuvor schon schwindelig war, glaub ich aber fast nicht.



    Interessant fand ich die Szene, in der Donatien wieder auf Ghislain trifft. Anfangs hatte ich ja fast noch den Eindruck, dass er sich darüber freut, seinen Bruder wiedergefunden zu haben, nachdem er darüber erfreut war, dass er „wenigstens kein Feigling“ ist. Aber die Worte am Ende in Bezug auf seine Kehle waren wohl mehr als eindeutig.

  • Ich musste mich eben wirklich zwingen, das Buch zur Seite zu legen, eigentlich möchte ich schnell weiter lesen und erfahren, wie es Ghishlain in Donatiens Gewalt ergehen wird. Noch immer interessiert mich auch, in welcher Beziehung Donatien und die de Luzys zueinander stehen und was es mit den Botschaften auf sich hatte. Und war Donatien auch für die vorangegangenen Attentate verantwortlich?


    Über Alissende bin ich mir noch nicht ganz im Klaren, ich vermute aber, dass die Ablehnung durch die Mutter bei ihr eine gefühlskalte Entwicklung verursacht hat. Zu Liebe scheint sie mir nicht fähig, zwar ist sie enttäuscht, als sie erfährt, dass Ghishlain bei Alix war, aber für mich wirkt es mehr wie verletzter Stolz und dadurch bedingte Wut.


    Thomas scheint seinen Rachefeldzug gegen Clement nun endgültig in die Tat umzusetzen, ich glaube aber, Lise zu schwängern war erst der Anfang.


    Sehr eindringlich empfand ich in diesem Kapitel die Todesszene. Zu heutigen Zeiten kaum vorstellbar, dass ringsum gleich weitergearbeitet wird, sich sogar direkt der nächste Arbeiter das Gerüst besteigt, von dem gerade jemand tödlich gestürzt ist und sich damit in die gleiche Gefahr begibt.