'Die Kapelle der Glasmaler' - Seiten 641 - Ende

  • Ein paar kurze Gedanken zu diesem letzten Abschnitt des Buches. Meine Rezi folgt, wenn ich das ganze habe sacken lassen :-)


    Es haben sich nicht alle Dinge geklärt. Die Identität des Bettlers ist weiter unklar, was in meinen Augen aber auch nicht weiter schlimm ist.
    Etwas unglaubwürdig fand ich, dass Etienne, den nun ja halb Paris als Mörder seines Vaters verdächtigt hat, so einfach des Verdachtes losgesprochen wurde, weil drei Leute behauptet haben, er hätte es nicht getan.


    Zudem hat mir irgendwie gefehlt, dass Ghislain sich bis zum Schluss nicht an den Mord an seinem Bruder und wenigstens an Fetzen seiner Kindheit erinnert hat.


    Ghislains Gefühle für Alix haben sich mir irgendwie nicht erschlossen. Ich hatte beim Lesen nicht den Eindruck, dass er während der Zeit auf der Burg seiner Mutter ständig an sie gedacht hat.


    Im Ganzen fand ich das Buch aber einfach grandios. Die vielen Geschichten, die vielen Personen und Schicksale, die sich zu einem Ganzen zusammengesetzt haben, das war einfach klasse und so mitreißend, dass ich einfach immer weiterlesen musste :-)

  • An Fetzen seiner Kindheit erinnert er sich doch, den Mord an Raymond hat er jahrelang als Albtraum verdrängt, da ist nichts mehr.


    Was den Bettler angeht, so bin ich mir sicher, dass es gar kein Grab gab, dass man dem Baumeister hätte zeigen können und dass es deshalb schon sein Jugendfreund war.


    Ghislains Gefühle für Alix sind auch nicht so echt, wie dieser das denkt. Alix fällt ihm in einer Extremsituation wieder ein und er klammert sich an die Erinnerung damals wohl glücklich gewesen zu sein.


    Zu Etienne - soweit bin ich noch nicht, mir fehlen noch etwa 80 Seiten.

  • Meine Lieblingskirche aus der Romanik Vezelay


    Das Etienne alle in Ruhe lassen ist für mich einleuchtend- Giles bekommt die Werkstatt, also seinen Meistertitel, Thomas ist lange tod und war unbeliebt, Etienne hat eigentlich immer allen leid getan- wem nutzt es also, wenn man ihn verfolgt? War er halt unschuldig, gut und bequem so. Wäre er Giles Ehrgeiz im Wege gewesen....aber so Clement geht, Etienne geht, die Pariser kümmern sich um ihre Kirche und gut ist.

    Nemo tenetur :gruebel


    Ware Vreundschavt ißt, wen mahn di Schreipfelerdes andereen übersiet :grin


    :lesend  :lesend

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  • Oh ja, Vezelay, ist die nicht schön! Wenn ich nicht schon über eine Kirche geschrieben hätte, dann .... oder über Chartres ...


    Zitat

    Original von beowulf
    Ghislains Gefühle für Alix sind auch nicht so echt, wie dieser das denkt.


    Das glaube ich auch. Ich glaube sogar, dass ihn seine Art des Lebens für "Gefühle" dieser Art eher unfähig gemacht hat, und das er in Alix eine Art Spiegelbild von sich gesehen hat. Das ist aber nur meine Interpretation.


    LG


    Kirsten

  • Also spekulieren muss man doch etwas zum Schluß. Edwige und Clément wird Alix´s Kind anvertraut, während der einzige Hinweis darauf, das dieses Kind von Ghislain sein könnte, darin besteht, dass es drei Jahre alt ist- so alt wie das Kind von Alissende. Also gezeugt wurde es zu einer Zeit, in der Ghislain beide - die Dame und die nicht Dame- regelmäßig mit seiner Nähe beglückte, wobei sicher konnte sich nur Alissende sein, wer der Vater ist- Alix mit HWG dürfte es auch nicht weiter interessiert haben.


    Der Knabe, der Jehanne beobachtet, wie sie als Glasmalerin arbeitet müsste unbeteiligter Ditter- Nachbarskind- sein.


    Der sechste Kreuzzug war ja ein rechtes Fiasko- ob Ghislain mit seiner Kampfschwäche das überlebt? Er selbst gedenkt ja eher als Chronist mitzusegeln- das ist natürlich als Propagandajob eher überlebensgeeignet.


    Etienne und Jehanne werden sich finden- kein Zweifel, das passt wie zwei mit Blei verlötete Scherben.


    Danke für die Begleitung der Leserunde und für vergnügliche Lesestunden..

  • Zitat

    Original von beowulf
    ob Ghislain mit seiner Kampfschwäche das überlebt? Er selbst gedenkt ja eher als Chronist mitzusegeln- das ist natürlich als Propagandajob eher überlebensgeeignet.


    Ich glaube nicht, dass er kämpfen wird. All die Dinge zu lernen, die ein Ritter können muss, das geht ja kaum von heute auf morgen (und er tut sich ja immer noch schwer damit). Ich sehe ihn eher als Pilger, wenn er auch die Gelegenheit genutzt hat, sich in den Schutz des Königs zu begeben.


    Weitere Frage: Wird er Chrétien mitnehmen können, oder ihn zurücklassen? Irgendwo habe ich gelesen, dass Kinder auf Kreuzzügen nicht erlaubt waren. Andererseits wer soll es überprüfen? Ein bisschen Geld hat ja schon die erstaunlichsten Sachen möglich gemacht.
    Na, ich wünsche ihm jedenfalls alles Gute auf dem wirklich nicht ideal verlaufenen Kreuzzug.


    Zitat

    Original von beowulf
    Danke für die Begleitung der Leserunde und für vergnügliche Lesestunden.


    Bitte schön. Es hat Spaß gemacht und macht immer noch Spaß.


    Liebe Grüße


    Kirsten

  • Zitat

    Original von Solas
    Ich glaube nicht, dass er kämpfen wird. All die Dinge zu lernen, die ein Ritter können muss, das geht ja kaum von heute auf morgen (und er tut sich ja immer noch schwer damit). Ich sehe ihn eher als Pilger, wenn er auch die Gelegenheit genutzt hat, sich in den Schutz des Königs zu begeben.


    Weitere Frage: Wird er Chrétien mitnehmen können, oder ihn zurücklassen? Irgendwo habe ich gelesen, dass Kinder auf Kreuzzügen nicht erlaubt waren. Andererseits wer soll es überprüfen? Ein bisschen Geld hat ja schon die erstaunlichsten Sachen möglich gemacht.
    Na, ich wünsche ihm jedenfalls alles Gute auf dem wirklich nicht ideal verlaufenen Kreuzzug.


    Wär das kein Aufhänger für einen Nachfolger? :grin


    Eine Erzählung um Chretien im Heiligen Land fände ich sehr spannend.

  • Hab ich da was falsch verstanden? Ich dachte Clément und seine Edwige beobachten spielende Kinder am Strand von Aigues Mortes und eines sei nach der Beschreibung Chrétien?

  • In dem grandios geschriebenen Kapitel 3, dass man sich visuell so gut vorstellen kann, war der beinahe Zusammenstoss mit dem Wildschwein eine knappe Sache für Etienne, aber immer noch eine gemütlichere Begegnung als mit der Meute (insbesondere Giles) in der Stadt, die ihn als mutmaßlichen Vatermörder empfangen.
    Ghislain hat inzwischen einen Weg gefunden, aber muss er jetzt wirklich nach Jerusalem?


    Das Wiedersehen Ghislains mit Alix verläuft enttäuschend für ihn. Alix ist in ihrer Not leider frömmlerisch geworden und Ghislains erreicht sie nicht mehr. Ihre Gemeinsamkeiten sind nicht mehr vorhanden.
    Ich habe nur noch 30 Seiten zu lesen, aber ich vermute, eine Wendung wird es mindestens noch geben.

  • Eigentlich lässt der Schluss vieles offen, aber es schließt sich auch ein Kreis. Sehr schön.
    Danke für die Begleitung, Kirsten und für die anregenden, aufregenden und leider viel zu kurzen Lesestunden.

    :lesendR.F. Kuang: Babel


    If you don't make mistakes, you're not trying hard enough. (Jasper Fforde)

  • Damit ich nicht selbst "spoilere", setzte ich das mal hier rein. Den Baumeister (und seine Schwierigkeiten) habe ich in groben Zügen einer Legende nachempfunden, die man sich zur Sainte-Chapelle erzählt. Darin heißt es, dass Pierre de Montreuil den wahren Baumeister niedergeschlagen und die Pläne gestohlen habe. Meine Geschichte soll ein kleiner Beitrag zum Anfang der Legende sein. Im Internet habe ich leider nur die französische Variante gefunden: La légende de la Sainte-Chapelle



    Liebe Grüße


    Kirsten

  • Dieser letzte Leseabschnitt hat mir trotz Donatien-Abstinenz und eines nur sparsamen Auftretens von Allisende gut gefallen. Mir sagt der Trick zu, mit dem Ghislain sich seiner Familie entzieht, indem er sich zum Kreuzzug meldet. Eindringlich fand ich die Erläuterungen Alix' dazu, dass "Jesus die Armen liebt", besonders auch deswegen, weil der Roman zuvor etwa 700 Seiten lang ein Bild der damaligen Zeit vermittelt hat und ich einen Hauch davon erahne, wie weit eine solche Erkenntnis vom damaligen Zeitgeist entfernt war. Schließlich war "arm sein" damals lebensgefährlich.
    Auch folgende Parallele finde ich interessant: Ghislain sagt sich von seiner Familie los, Alix trennt sich (in gewisser Weise) von Ghislain. Die Reaktionen sind jedoch ganz unterschiedlich: Während Ghislains Familie ihn mit Hass verfolgt, bleibt er Alix verbunden und kauft sie frei. Sehr schön vorgeführt, dass bei gleichem "Setting" immer die Wahl bei einem selbst liegt, ob man nun die Rolle des Schurken oder die des Helden spielen möchte.
    Auch die Fußwaschung mit dem Bettler auf Seite 700 hat mir gut gefallen.


    Ich schließe mich dem Dank an die Autorin für die aufmerksame Begleitung der Leserunde an.

  • Danke, ihr beiden. :-)
    Vielen Dank auch für die Anregungen unterschiedlichster Art. Ich hoffe, ich werde Allissende in den nächsten Tagen wieder aus dem Kopf herausbekommen. Die findet ja, dass sie immer mehr Aufmerksamkeit verdient, als sie bekommt. :lache


    Bernard
    Ich freue mich sehr darüber, dass du Alix und das "arm sein" noch einmal erwähnt hast. Hier fließen Ideen der Franziskaner (und letztendlich wohl auch Dominikaner ein, nur haben die heute einen schlechteren Ruf). Soll heißen den Armen (und Aussätzigen) kommt erstmals wieder Aufmerksamkeit zu. Alix wird nicht nur einfach frömmlerisch (man mag das durchaus so sehen), sie erhält gleichzeitig über ihren neu gelebten Glauben eine Anerkennung, die ihr vorher verwert blieb. Arme leben ja nicht nur lebensgefährlich, sie werden oft auch als störend angesehen.
    Die Fußwaschung mit dem Bettler gehört im weitesten Sinne dazu. Außerdem ist sie Teil des aktiv gelebten Glaubens der damaligen Zeit. Der König hat das zu hohen Feiertagen auch gemacht.


    Zitat

    Original von Bernard
    Sehr schön vorgeführt, dass bei gleichem "Setting" immer die Wahl bei einem selbst liegt, ob man nun die Rolle des Schurken oder die des Helden spielen möchte.


    :-)


    Liebe Grüße


    Kirsten