"Secrets of a gay marine porn star" - Rich Merritt

  • Meine Rezension bezieht sich auf die amerikanische Originalfassung. Es gibt keine deutsche Übersetzung.


    Rich Merritt wächst im „Bible belt“ in den USA als Sohn evangelikaler Christen („born-again christians“, wie Georg Dabbleju) auf und besucht zunächst die fundamentalistische Bob Jones Academy und später die dazugehörige Bob Jones University. Schwul zu sein, ist mit seinem Glauben nicht vereinbar und wird von seiner Familie und seiner Universität als Sünde betrachtet, und so kämpft er lange gegen seine Gefühle an. Dadurch, dass er von der Universität fliegt, kann er sich etwas losstrampeln. Er geht dann zur Marine, gerade zu der Zeit als Bill Clintons "Don't ask, don't tell"-Militärgesetz in Kraft tritt. Durch einen Artikel der New York Times, in dem die Auswirkungen dieses Gesetz auf schwule Soldaten beschrieben werden, wird er praktisch zum Vorbild, leider nicht ganz so anonym, wie er es gehofft hatte, schafft es aber gerade noch, ehrenhaft aus der Armee entlassen zu werden. Im Nacken immer die Angst, dass herauskommt, dass er einige Pornofilme gedreht hat, was mit mehreren Jahren Gefängnis bestraft worden wäre. Das Magazin „The Advocate“ outet ihn dann auch gegen seinen Willen, indem es ein Cover mit dem Titel „The Marine who did gay porn“ heraus bringt, was ihn dann später auch als Jura-Student und Anwalt immer mal wieder verfolgt.


    Rich Merritt hatte einen heterosexuellen Freund in der Armee, Gary, der ihn aber immer so akzeptiert hatte, wie er ist und auch bei seinen diversen Eskapaden nicht (oder nur kaum) zusammengezuckt ist. Rich Merritt hatte ihm aber immer verheimlicht, dass er auch noch ein paar schwule Pornos gedreht hatte, weil er dachte, das würde das Fass zum endgültig Überlaufen bringen. Irgendwann hat er es ihm doch gesagt und Gary hat relativ entspannt reagiert und meinte dann, er sollte vielleicht seine Autobiographie schreiben, woraufhin Rich Merrit sagt, klar, er würde sie dann „I was a born-again gay marine porn star mental patient“ nennen. Und Gary meinte dann nachdem sie eine Weile darüber gescherzt hatten, er solle aber bitte nicht noch was dazufügen. :lache Der etwas ungewöhnliche Titel ist also wohl ein humorvoller Umgang damit und auch eine Anspielung auf etwas, das ein Therapeut ihm gesagt hatte: "Our secrets keep us sick".


    Ich hatte mir die Autobiographie gekauft, weil mir der Roman des Autors "Code of Conduct" so gut gefallen hatte. Wenn man die Autobiographie liest, merkt man wie viele Dinge aus seinem eigenen Leben der Autor in seinem Roman verarbeitet hat. Ich fand die Autobiographie sehr ehrlich, er beschönt an sich selbst nichts, hat aber die Gabe, in seinen Mitmenschen immer wieder positive Dinge zu sehen. Insgesamt hat mir der Roman besser gefallen als die Autobiographie. Vielleicht weil man, wenn man über sich selbst schreibt, automatisch ein wenig zurücktreten muss, und dadurch hab ich bei der Autobiographie nicht so viel mitgefühlt, obwohl es ja eigentlich das richtige Leben war. Aber der Roman hatte mehr „Drama“, so blöd das klingt. Ich hab irgendwie immer die Phrase "jewelling the elephant" von Armistead Maupin im Kopf. Und ich fand, dass man im Roman wesentlich mehr über die Situation Homosexueller in der US-Army erfahren hat. Dieser Teil kam für meinen Geschmack in der Autobiographie fast ein wenig kurz. Dafür fand ich den Einblick in den Bob Jones-Clan umso interessanter.


    Also, ich fand es lesenswert, aber wenn ich mich auf ein Buch von diesem Autor beschränken müsste, dann würde ich den Roman empfehlen.


    Homepage des Autors
    .

  • Du hast es fertig gelesen! :hop


    Klingt genauso gut, wie Du erzählt hast.
    Leider ist meine Leseliste, na, Du weißt schon.
    Demnächst in diesem Leben. :lache


    Sehr attraktive Rezi, jedenfalls. Danke.
    Die, ich Dir schulde, folgt morgen.
    Sag ich mal. :grin



    :knuddel1


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von Delphin
    Also, ich fand es lesenswert, aber wenn ich mich auf ein Buch von diesem Autor beschränken müsste, dann würde ich den Roman empfehlen.


    Wie beruhigend, Delphin und ich sind doch noch lange nicht immer einer Meinung, denn mir geht es genau umgekehrt. Ich habe dieses Phänomen nicht festgestellt, daß die Autobiographie weniger intensiv ist, als der Roman. Ganz im Gegenteil. Aber, ich habe auch einen gesunden Zeitabstand zwischen beide Bücher getan. Danke, daß Du mir dazu geraten hast, beste Delphin!


    Ich nage ein bißchen am Titel, denn auch wenn ich den Insiderwitz verstehe, so mag es doch das falsche Publikum anlocken und das richtige abschrecken. Wie anderswo schon gesagt, das ist nicht Porno, sondern ein Seelenstrip der allerersten Klasse. OK, ganz jugendfrei sind Merritts Schilderungen seines Liebeslebens nicht, aber da liest man in jedem historischen Roman schärferes. Er erzählt die Dinge einfach, wie sie sind.


    Ich fand Merritt von der ersten Seite an sehr sympathisch. Seine bissige Selbstironie hilft da natürlich auch sehr. Aber auch seine schonungslose Ehrlichkeit, mit der er mit sich selbst ins Gericht geht. Man meint fast, zu sehen, wie er über sein jüngeres und dümmeres Ich den Kopf schüttelt.
    Sehr sympathisch fand ich seine ständige Suche nach "Zeichen" Gottes. Ich mache das zwar nicht annähernd so oft, wie er in schwierigen Situationen, aber wiederkannt habe ich das eigenartige Verhalten schon. Selbst wenn ich noch nie den Wohnort wegen eines Cafés gewechselt habe. :grin


    Sehr interessant fand ich vor allem sein Outing sich selbst gegebenüber, wie lange er es geschafft hat, es zu verleugnen, aber interessanterweise, ohne sich dabei zu zerfleischen. Und dann die Schilderung, wie er nach und nach Eingang in die Gemeinschaft gefunden und seinen Freundeskreis um sich gebildet hat.


    Ja, wir erfahren in "Code of conduct" mehr über das Leben unter "Don't ask, don't tell", aber das überrascht mich nicht. Dort ist es ja der Hauptinhalt, verteilt auf einige Leute, hier aber ist es nur ein Teil von Merritts relativ jungem, aber ereignisreichen Leben.
    Und was für ein Riesenschwein der Mann hatte, das Corps noch gerade rechtzeitig zu verlassen!


    Interessant ist natürlich auch, nach Parallen zum Roman zu suchen.

    Und Merritts Leben scheint gesegnet mit vielen solcher Menschen. Von daher ist auch das Ende mit seiner Botschaft ein sehr schönes.


    Ich finde, es sollte kein Entweder/oder sein. Beides, Roman und Autobiographie sind sehr gute Bücher. Und ich schätze, wer eines gelesen und genossen hat, sollte dies mit großer Wahrscheinlichkeit auch beim zweiten erleben. Eben mit etwas zeitlichem Abstand.


    Ich für mich werde den Namen Merritt sicher nicht vergessen und bin gespannt, was er als nächstes schreibt.

  • Hmm, beide Bücher klingen interessant. Im Moment tendiere ich dazu, mit Code of Conduct anzufangen. Kann man die Bücher auch ohne "militärische Kenntnisse" verstehen, oder tut man sich da mit den amerikanischen Fachbegriffen schwer. Kurz gefragt: ist das Vokabular etwas miltärlastig? Ich mag einfach beim Lesen nicht zu oft Begriffe nachschlagen.

  • Hm, da tue ich mir ein bißchen schwer, weil ich wohl schon zu viel aus dem Bereich gelesen habe. Delphin???


    Ich glaube aber, daran sollte es nicht scheitern, denn der Schwerpunkt liegt ja nicht auf dem Militärleben, sondern dem Leben an sich.


    Apropos, da fällt mir ein, wollte die nicht militärgeschädigte Delphin noch auf einen kleinen Irrtum in ihrer Rezi hinweisen. Merritt geht nicht zur Marine, sondern zum Marine Corps, das ist nicht ganz dasselbe.


    Sonst hätte es seinen Freund ja nicht so aufgeregt, daß er als Offizier des Marine Corps in einer Matrosenuniform, äh, auftritt. OK, der Porno ist schlimm genug, aber als Matrose!!! Skandal! :rofl


    Genauso nett fand ich es am Anfang, als sich einer seiner Miltärfreunde über den fehlenden Handschuh am Zeitungscover mindestens so aufregt, wie über den Artikel an sich.

  • Man kann das gut lesen, wenn man ein Mädchen ist wie ich und keine Ahnung von militärischen Rängen u.ä. hat. Der Schwerpunkt liegt auf dem Zwischenmenschlichen. Es gibt in "Code of Conduct" auch keine Kriegsszenen.


    Zitat

    Merritt geht nicht zur Marine, sondern zum Marine Corps, das ist nicht ganz dasselbe.


    Da sieht man's. :lache

  • Liebe Grisel, es freut mich sehr, dass Dir "Secrets ..." mindestens genauso gut gefallen hat wie "Code of Conduct", oder sogar noch besser, ich bin ja "schuld", dass Du die Bücher gelesen hast. :grin


    Da ich in dem Artikel über Rich Merritt schon gelesen hatte, dass der Roman "Code of Conduct" stark autobiographisch geprägt ist, erschien es mir auch besser, einen genügend großen zeitlichen Abstand zwischen beiden Büchern zu halten, um jedes für sich wirken zu lassen.


    Nach Deiner Rezension hier habe ich jetzt auch richtig Lust, Rich Merritts Autobiografie bald zu lesen.

  • Zitat

    Original von Uta
    Liebe Grisel, es freut mich sehr, dass Dir "Secrets ..." mindestens genauso gut gefallen hat wie "Code of Conduct", oder sogar noch besser, ich bin ja "schuld", dass Du die Bücher gelesen hast. :grin


    Und ich bin Dir grenzenlos dankbar für die Empfehlung. :knuddel1


    Und, ja, der Abstand ist hier wirklich wichtig. Aber lustig, daß wir dann alle drei die umgekehrte Reihenfolge gehen. Denn mit dem Roman hat er zwar schon früher begonnen, aber die Autobiographie zuerst veröffentlicht.


    Übrigens, beim abschließenden Merritt-Stöbern im Netz konnte ich zwar nicht herausfinden, worüber das nächste Buch ist, aber er hat irgendwo gesagt, daß er vielleicht mal die Geschichte von Don, Leo, Karl & Co fortsetzt. Da wäre ich gern dabei!

  • Zitat

    Und ich bin Dir grenzenlos dankbar für die Empfehlung. :knuddel1


    So wie ich mich erinnere, musste ich erst die :peitsch aus dem Schrank holen, weil Du das Cover so furchtbar fandest. :rofl


    Zitat

    Übrigens, beim abschließenden Merritt-Stöbern im Netz konnte ich zwar nicht herausfinden, worüber das nächste Buch ist, aber er hat irgendwo gesagt, daß er vielleicht mal die Geschichte von Don, Leo, Karl & Co fortsetzt. Da wäre ich gern dabei!


    :hop Ich auch. Das wäre toll!

  • Zitat

    Original von Uta
    So wie ich mich erinnere, musste ich erst die :peitsch aus dem Schrank holen, weil Du das Cover so furchtbar fandest. :rofl


    Furchtbar finde ich es immer noch, wenn auch nicht so schlimm wie das mit dem Sternchen. :rolleyes
    Weiß nicht, was sich die Verlage dabei denken. Nicht viel wahrscheinlich, denn das sieht mehr nach Eierbeißer als nach dem aus, was es ist. Schon gar mit dem Titel!

  • So, ich hab hiermit jetzt angefangen. Also, mit dem Buch, meine ich. Seit CoC ist ein Monat vergangen, ich hoffe, das ist okay.


    Schon beim ersten Kapitel brauche ich den Augenroll-Smiley :lache Dieses Geschiss mit den Handschuhen :rolleyes Erinnert mich stark daran, als während Katrina sich Leute aufregten, dass New Orleanser ihre Häuse im Sturm verliessen, OHNE gem. flag code die Fahnen (z.B. in ihren Gärten etc. ) eingeholt zu haben.


    Und ansonsten denke ich, manchmal muss man gelassener im Leben bleiben. Porn? Sure! So what?


    Na, ich les' mal weiter...

  • Ich hab mir etwas schwer getan mit dieser Autobiografie. Teilweise war mir langweilig, was wohl daran lag, dass ich doch schon eine Menge über Rich Merritt wusste. Ich hab zwischendurch immer mal andere Bücher gelesen. Und dann muss ich, im Gegensatz zu Grisel, feststellen, dass Rich Merritt mir absolut nicht sympathisch rüber kommt. Ich les da auch nichts von Selbstironie, sondern einen selbstverliebten arroganten Fatzke, der die Aufzucht unter dem religiösen Regime Bob Jones zu oft als Entschuldigung heranzieht. Praktisch mit jedem Kapitel hab ich gedacht, boah, der hat ja Null gesunden Menschenverstand. Bei jeder Lebensentscheidung habe ich mit den Augen rollen müssen :zwinker


    Ich fand auch den Schreibstil sehr eintönig und holprig. Z.B. tauchen hin und wieder kurze, abgehackte Sätze ohne Zusammenhang auf, die mich immer aus dem Lesen geworfen haben.


    Rich Merritt ist sicherlich ein Paradebeispiel für eine Drama Queen, mir war das dann doch zu viel. Vielleicht wäre es für mich einfacher gewesen, wenn ich denn Selbstironie oder Humor in seine Geschichte hätte lesen können.


    Ich hab mal in seinem Blog und seinen Tweets gestöbert… sein neuer Roman ist als Rohfassung fertig… er macht dort einen etwas ausbalanzierteren Eindruck, hat wohl noch Kontakt zu seinem Bruder, der Vater starb ein halbes Jahr nach Gary Fullerton.


    Ich hab auch überlegt, wer denn Zielgruppe sein könnte, für seine Autobiografie. Und leider hat sich ja der Verlag rein für die Schwulen-Schiene entschieden. Was ich schade finde, aber mit dem Cover wird er wohl nicht sehr viel Leser erreichen, die nicht dieser Zielgruppe angehören. Ich stell mir gerade vor, wie Rich Merritt dieses Buch seiner Lehrerin schickt, wie er es ja auch mit dem Artikel in dem New York Times Magazine gemacht hat :yikes


    Nichtsdestowenigertrotz mag ich Rich Merritt irgendwie. Jaja, ich weiß, das ist jetzt ein Widerspruch in sich und hoch drei :grin

  • Zitat

    Original von uert
    Ich hab auch überlegt, wer denn Zielgruppe sein könnte, für seine Autobiografie.


    Offenbar weibliche, heterosexuelle kaufmännische Angestellte Mitte 30, die einen merkwürdigen Hang zu Militär und homosexuellen Männern haben und in Wien wohnen.
    Oder mochte noch jemand die Autobiographie hier außer mir? Ich war hingerissen von dem Buch.


    Daß Du ihn nicht sympathisch findest, aber magst, ja daran hat man schon zu kauen. :lache

  • Zitat

    Original von Grisel



    Daß Du ihn nicht sympathisch findest, aber magst, ja daran hat man schon zu kauen. :lache


    Ich weiß, ich weiß *unglücklich guck* Ich brauch Therapie. Und ich seh mich selbst auch als Zielgruppe, mir gefällt ja auch das Cover, aber ob so der "Stinknormalo" bei Barnes & Noble zu dem Buch greift? :gruebel


    .