Anita Shreve: Olympia

  • Originaltitel: Fortune´s Rocks


    Kurzbeschreibung (amazon)


    Anita Shreve gehört seit ihrem Bestseller »Die Frau des Piloten« zu den amerikanischen Top-Autoren. In ihrem neuen Roman »Olympia«, den sie selbst als ihren wichtigsten bezeichnet, erzählt sie auf der Basis historischer Ereignisse eine skandalöse Liebesgeschichte aus der Zeit um 1900. Die fünfzehnjährige Olympia verliebt sich in den einundvierzigjährigen Arzt und Familienvater John Haskell. Eine leidenschaftliche Affäre beginnt, die sich dramatisch zuspitzt, als die Beziehung ans Licht kommt und Olympia entdeckt, daß sie schwanger ist. Die junge Frau steht mutig zu ihrer Liebe jenseits aller Konventionen.


    Meine Meinung


    Wäre ich nicht durch Empfehlungen anderer Leser zu diesem Buch "überredet" worden, hätte ich es sicher nicht gelesen, da Liebesgeschichten mich normalerweise nicht interessieren. In diesem Fall wäre das wirklich ein Verlust gewesen.
    Das Buch ist in 4 Teile gegliedert. Der erste, mit dem doppelsinnigen Titel "Fortune´s Rocks" (die Felsen des Schicksals) schildert das Leben der wohlhabenden Gesellschaft in ihren Sommerhäusern am Strand. In diesem Umfeld lernt die 15-jährige Olympia den verheirateten Arzt John Haskell kennen und verliebt sich in ihn. Die beiden beginnen eine leidenschaftliche Affäre, die bei der Feier von Olympias 16.Geburtstag auffliegt.
    Dieser Skandal führt zur "Verbannung" (Titel des zweiten Teils) in das Bostoner Stadthaus von Olympias Vater, wo sie im Frühjahr 1900 ihren Sohn zur Welt bringt, der ihr - gegen ihren erklärten Willen - von ihrem Vater weggenommen und auf seine Veranlassung hin in ein Waisenhaus gebracht wird. Olympia selbst, die weder zu ihrem Sohn noch zu ihrem Geliebten Kontakt hat, wird weit fort in eine Schule für junge Damen geschickt.
    Nach 3 Jahren verlässt sie eigenmächtig die Schule und beschließt, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. In diesem dritten Teil "Wiedersehen mit Fortune´s Rocks" bezieht sie das verlassene Sommerhaus der Familie und richtet es im Schweiße ihres Angesichts wohnlich her. Eher zufällig erfährt sie, dass ihr Sohn in ein Waisenhaus ganz in der Nähe gegeben wurde und nun bei einer Pflegefamilie lebt. Da sie den Verlust ihres Kindes nie verwunden hat, geht sie im vierten Teil des Romans "Die Klage" vor Gericht, um die Herausgabe des Kindes zu verlangen.
    Die Autorin arbeitet die Charaktere der Figuren sehr gut heraus, ohne selbst deren Verhalten zu bewerten, dies bleibt dem Leser überlassen. Besonders die Hauptfigur Olympia entwickelt sich im Laufe der Jahre von einem eher leichtsinnigen jungen Mädchen zu einer reifen Persönlichkeit, die auch das Wohl Anderer im Auge hat. Bei Haskell ist eine Beurteilung schwieriger: er hat sich viel zuschulden kommen lassen und nicht nur Olympias Ruf, sondern auch das Leben seiner Frau und ihrer 4 Kinder zerstört, andererseits ist er sozial sehr engagiert und bemüht, das Los der Fabrikarbeiter zu verbessern. Diese objektive Darstellungsweise, die im Gegensatz zur Schwarz-Weiß-Malerei vieler anderer Romane steht, hat mir sehr gut gefallen.
    Der Roman ist weit mehr als eine Liebesgeschichte, sondern gleichzeitig ein sozialkritisches Buch, das einen guten Einblick in die Lebensweise sowohl der sogenannten feinen Gesellschaft als auch der armen frankokanadischen Arbeiter gibt. Der Gerichtsprozess, über den ich hier nichts verraten möchte, ist anhand alter Gerichtsakten authentisch dargestellt, auch die ganze Vorgeschichte der skandalösen Affäre soll auf einem wahren Fall beruhen.
    Sehr gut gefällt mir auch die Sprache der Autorin, die flüssig und gleichzeitig eindringlich ist und die Liebesszenen gut vorstellbar, aber ohne jede "Obszönität" zu schildern vermag.
    Mein einziger Kritikpunkt an diesem wirklich lesenswerten Buch ist der, dass das Ende mir ein bisschen zu viel Happy End auf einmal enthält.

  • :-]OLYMPIA, mein allerliebstes Lieblingsbuch, wunderschöne Sprache. Die Geschichte ist spannend und geht auch gut aus, aber das schönste sind die Landschaftsbeschreibungen am Meer, wundervoll. UNBEDINGT LESEN!!!!

  • Zitat

    Die Geschichte ist spannend und geht auch gut aus


    Sie geht für die Protagonisten ziemlich gut aus, aber leider nicht für alle Betroffenen. Ich hätte gern noch etwas mehr über das Schicksal der geschiedenen Frau und ihrer Kinder gelesen.
    Man muss ja davon ausgehen, dass um die letzte Jahrhundertwende eine geschiedene Frau auch dann nicht gesellschaftsfähig war, wenn sie gar keine Schuld am Scheitern der Ehe trug.

  • Ich fand es auch sehr gut, der Schreibstil ist klasse. Es ist aber wirklich mehr für Leser, die nicht unbedingt auf Liebesgeschichten wild sind, denn die Romantik kommt hier doch sehr zu kurz.

  • Ein sehr, sehr schöner Roman der so ziemlich alles bietet, was zu einem lesenswerten Buch gehört:


    Das Thema an sich bietet ja viel Raum für Spekulation über die "Abgründigkeit" einer Affaire zwischen einem fünfzehnjährigen Mädchen und einem beinahe dreimal so alten Mann, aber der Leser bekommt keine Gelegenheit hier zugunsten des einen oder anderen zu bewerten.


    Anita Shreve schreibt mit einer unglaublichen Leidenschaft und Intensität.
    Beschreibungen von Landschaft bis hin zu Gedanken in die tiefste Seelenwelt der Protagonistin sind so eindringlich dargestellt, dass man in einen regelrechten Lesesog gerät. Sie schreibt hier in der Gegenwartsform.


    Auch Spannung kommt nicht zu kurz. Gerade die Gerichtsverhandlung zum Ende des Buches lässt den Leser oft den Atem anhalten und man bangt bis zum Schluss.


    Von mir 10 Punkte :-)

  • Ich habs grade beendet und muss sagen: Es ist klasse!


    Ich habs ja blind gekauft, weils als Mängelexemplar sehr viel günstiger war und hab zuerst einmal nicht viel erhofft. Aber die Sprache ist so wundervoll, Frau Shreve schafft es wirklich, mit Worten zu malen. Die Landschaftsbeschreibungen sind so lebendig, dass man nicht nur das Gefühl hat, an dem Ort zu sein, sondern wirklich mitten in einem Gemälde des Ortes.
    Ganz toll fand ich auch, dass sie den Leser oft, wenn er gerade mitten im Geschehen ist, rausreißt (auf eine durchaus positive Art) und ihn mit Sätzen wie: "Später wird sie sich noch genau daran erinnern, wie sein Gesicht aussah." in die Zukunft versetzt. Man ist also sowohl Betrachter der gesamten Geschichte, als auch Mitleidender.


    Das Ende hat mich gefreut. Mehr möchte ich darüber nun auch nicht verlieren, aber ich persönlich mag Bücher zum Weiterdenken. Enden wie "Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage." langweilen mich im Allgemeinen, da sie mich an meine Bettlektüre als Kind erinnern (Märchen). Trotzdem ist das Ende einfach nur klasse.


    Als die Gerichtsverhandlung begann, dachte ich einen Moment "Oh nein - nun wirds langweilig! Alles wird nochmal wiederholt." und hab kurz einen Blick darauf geworfen, wie lang das Buch noch ist. Aber dann hab ich weitergelesen und plötzlich war ich durch. Es ist einfach so fesselnd, dass ich nicht anders konnte, als weiterzulesen.


    Ein tolles Buch! Auch von mir 10 Punkte. :-)

  • Ein so schönes Buch! Am Anfang war ich etwas genervt von den ständig angedeuteten Voraussagen wie: "...wenn sie sich später an diesen Moment errinnert,.." oder "in einigen Jahren wird sie diese Entscheidung...". Diese Aussagen steigern zwar die Spannung, aber verraten auch einiges und kamen wirklich recht häufig vor. Später hat die Autorin das auch noch oft gemacht, aber man gewöhnt sich dran :)


    Ich fand den Anfang gut, aber ab dem zweiten Drittel einfach nur noch toll. Oft fragt man sich, warum die Personen nicht so oder so handeln oder man denkt sich: wenn sie doch nur früher dieses oder jenes getan hätten...