Portugiesische Eröffnung - Jenny Siler

  • Portugiesische Eröffnung, Jenny Siler, Orig.titel „An Accidental American“ , Übersetz. Susanne Goga-Klinkenberg, Fischer Verlag, Juli 2008, ISBN 978-3-596-17715-8


    Zum Autor: lt. Klappentext
    Jenny Siler, geboren 1971 in New Jersey, aufgewachsen in Montana, brach ihr Studium an der Columbia University in New York ab, jobbte ein Jahr lang in Europa und drei Jahre in Key West, bevor sie nach Seattle zog. Nach weiteren Jahren als Kellnerin begann sie zu schreiben und veröffentlichte 1998 ihren ersten Roman. Dem Debüt folgten drei weitere Romane, die in viele Sprachen übersetzt wurden. Die Autorin lebt mit ihrem Ehemann und ihrer Tochter in Lexington, Virginia.


    Meine Meinung:
    Nachdem Nicole Blake ihre Strafe in einem Marseiller Gefängnis abgesessen hat, will sie ihre kriminelle Vergangenheit, das Fälschen von Pässen und Dokumenten hinter sich lassen und beginnt als freie Mitarbeiterin einer Sicherheitsfirma zu arbeiten. In ihrem kleinen Bauernhaus in den französischen Pyrenäen hat sie ein Zuhause gefunden mit ihrem Hund und einer Hühnerschar und genießt das Landleben und die Gartenarbeit. Als der Agent John Valsamis vor ihrer Tür steht, bricht die Vergangenheit wieder auf sie herein und zwar mehr als sie zunächst denkt. Valsamis jagt ihren ehemaligen Geliebten, Rahim Ali, der in einen Terroranschlag verwickelt sein soll. Nicole lässt sich für die Suche nach Rahim einspannen und sucht an altvertrauten Orten und bei alten Bekannten nach ihm. Die Suche nach der Wahrheit führt Nicole auf die Fährte ihrer eigenen Familiengeheimnisse, die bis in ihre Heimat, das Beirut der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts reichen, in die Zeit des ersten Golfkriegs und der Konflikte im Libanon.


    Zwei Aspekte machen Jenny Silers Thriller „Portugiesische Eröffnung“ zu einem ungewöhnlichen Thriller. Zum einen nimmt sie den Bombenanschlag von 1983 in Beirut als Basis für eine großangelegte Täuschung zur Vorbereitung des Irakkriegs, was ihr die Möglichkeit gibt, amerikanische Politik im Nahen Osten zu beleuchten. Ihr Thriller ist ein Roman über die Einmischung der USA in die Nahostpolitik, die durch diesen Anschlag maßgeblich geprägt worden ist. Des Weiteren verwickelt sie die Protagonistin durch ein Familiengeheimnis in die große politische Intrige, was ihr die Möglichkeit gibt, nicht nur die politische Entwicklung im Nahen Osten sondern auch das dortige Leben in der Retrospektive zu zeigen. Gleichzeitig wird der Roman so zu einer spannenden Suche nach einer verlorenen Identität. Sowohl die politische Dimension als auch das Familiengeheimnis von Nicole Blake enthüllt sich sukzessive, was bei mir bewirkte, dass mich der Roman zwar nicht von Beginn an fesselte, die Faszination aber von Seite zu Seite wuchs. Leider geht die langsame Entwicklung etwas zu Lasten der Handlung. Obwohl ich den Roman spannend fand, würde ich ihn nicht unbedingt als Thriller einstufen, eher als Agentenroman.


    „Portugiesische Eröffnung“ ist ein intelligenter, politisch interessanter, spannender und atmosphärischer Agententhriller, der neben einer großangelegten Intrige ein spannendes Familiengeheimnis enthält. Schade, dass der Verlag nicht bei dem wesentlich passenderen Originaltitel „An Accidental American“ geblieben ist.


    7 von 10 Punkten

  • Vielen Dank, für Deine Rezension, Pelican!
    ich werde das auf jeden Fall lesen müssen :-]
    Ich lese doch so gerne Agententhrille, zumindest, wenn sie gut gemacht sind.


    entflammte Grüße von Elbereth :wave

    “In my opinion, we don't devote nearly enough scientific research to finding a cure for jerks.”

    ― Bill Watterson

  • Hallo,


    ich übersetze Jenny Silers Bücher sehr gerne, weil sie stilistisch auf einem hohen Niveau schreibt und Geschichten erzählt, die sehr atmosphärisch sind. Ich freue mich schon auf das dritte Buch, das ich demnächst übersetzen werde.


    Viele Grüße,


    Susanne

  • Weiß jemand, warum das Buch im US-Original unter Pseudonym erschienen ist, die Übersetzung aber unter dem richtigen Namen der Autorin?
    :gruebel


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

    Dieser Beitrag wurde bereits 3 Mal editiert, zuletzt von magali ()

  • Ich kam darauf, weil ich mir das Original ansehen wollte und ein Weilchen herumtickern mußte, bis ich kapiert habe, daß Alex Carr und Jenny Siler ein - und dieselbe sind.
    Der Inhalt des Buchs klingt nämlich recht interessant.
    Aber die Wege der Verlage sind bekanntlich unerfoschlich. :grin


    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Ich hatte für mich im ersten Schritt nur die Erklärung, daß Jenny Siler das Buch in Amerika unter Pseudonym veröffentlicht hat, weil sie klare Kritik an der amerikanischen Politik übt und ein Szenario entwirft, das amerikanische Geheimdienste mehr als in Frage stellt.

  • Hallo,


    Jenny Siler hatte in den USA wohl keinen rechten Erfolg, und da wollte der Verlag wohl lieber die nächsten Bücher unter anderem Namen veröffentlichen. Vielleicht hat man absichtlich ein männliches Pseudonym gewählt, weil man glaubte, das Agentengenre sei eher männlich besetzt. Vorurteile halten sich ja beharrlich.
    Da "Ticket in Tanger" in Deutschland aber gut angekommen ist, erscheinen die Übersetzungen weiterhin unter Jenny Siler. Ich finde sie wirklich gut und freue mich auf das nächste, das ich demnächst übersetzen werde.


    Viele Grüße,
    Susanne

  • Ich kann mich Pelican nur anschließen. "Portugiesische Eröffnung" ist ein Agenten-Thriller der leisen und ungewöhnlichen Art. Auch mich hat er nicht gleich zu Beginn gefesselt. Zuviele Perspektiven erzeugten bei mir ein wenig Verwirrung. Zudem ist die Nahostpolitik und Agentenalltag nicht gerade mein Lieblingsgebiet. Trotzdem ist das nicht sehr umfangreiche Buch ein interessante Lektüre mit ungewöhnlichen Charakteren.


    Wer einen handfesten Thriller mit Tätersuche erwartet, wird hier enttäuscht. Wer aber eine internationale Täuschung, Geheimnisse und Intrigen aufgedeckt sehen will, ist hier richtig.