Goldmann, Taschenbuch, Juni 2008 erschienen, 510 Seiten
Kurzbeschreibung laut Rückseite
Thüringen 1617: Kurz vor dem Dreißigjährigen Krieg vergiftet Missgunst die Herzen der Menschen, und Unschuldige werden der Hexerei bezichtigt. In dieser dunklen Zeit sind fünf junge Menschen vor ihrem Schicksal auf der Flucht: Katharina will der Ehe mit ihrem brutalen Schwager entgehen. Der reiche Erbe Johann flieht mit der Magd Franziska, die als Hexe angeklagt ist. Der Franziskanermönch Burghart will ein neues Leben beginnen. Und Clemens, beinahe Opfer eines Mordkomplotts, sucht Zuflucht im Wald. Doch die Häscher sind ihnen dicht auf den Fersen ...
Über die Autorin:
Deana Zinßmeister hat sich mit dem Schreiben einen Traum erfüllt und ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht. Während der Recherchen zu "Das Hexenmal" hat sie nicht nur viele Gespräche geführt, sondern ist auch den Fluchtweg ihrer Protagonisten selbst abgewandert. "Das Hexenmal" ist Deana Zinßmeisters dritter Roman. Die Autorin lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern im Saarland.
Website der Autorin: www.deanazinssmeister.de
Meine Rezension:
Erwartungshaltung:
Die beiden zusammenhängenden Romane Fliegen wie ein Vogel und Der Duft der Erinnerungen, die überwiegend in Australien spielten, waren wahre pageturner, sehr unterhaltsam und intelligent konzipiert. Wird „Das Hexenmal“ mit einem üblicherweise düsteren Sujet und der Simmung kurz vor dem 30jährigen Krieg, der für die Bevölkerung Armut, Not und Hunger bedeuteten wird, ungleich schwerere Kost bieten? Doch schon nach wenigen Kapiteln merkt man, dass auch Das Hexenmal sich sehr flüssig und spannend lesen lässt, auch wenn die Protagonisten des Romans es nicht immer leicht haben.
Erfreulich, dass die Autorin es nicht darauf anlegt, ihren Erfolg mit der gleichen Masche nur zu wiederholen und stattdessen ihr Oeuvre erweitert und wahrscheinlich so noch eine zusätzliche Leserschaft im Bereich historischer Roman erreicht.
Stil:
Obwohl sich der Roman so einfach lesen lässt, bietet die Sprache wirklich einiges, auch gerade in den Dialogen, so dass ein historisches Gefühl sofort aufkommt ohne den Roman mit unlesbaren Floskeln aus dem Mittelalter unnötig zu beschweren. Hier ist wirklich der ideale Mittelweg gefunden worden.
Historischer Anteil:
Eichsfeld, im heutigen Thüringen kurz vor dem 30jährigen Krieg wurde als interessanten Schauplatz gewählt. Mit gleich mehreren Hauptfiguren, die jeweils eigene Handlungsstränge besitzen, baut die Autorin eine Geschichte mit großer Komplexität und Vielschichtigkeit auf. Anfangs muss man sich etwas einlesen in diesen historisch genau gearbeiteten Roman. Der Anspruch an Detailgenauigkeit in der historischen Recherche, die die Autorin auch durch eine lange, angehängte Bibliographie und in dem Vorwort und Nachwort betont, ergibt eine hohe Glaubwürdigkeit. Dem Roman vorgestellt ist zudem eine Karte von Eichsfeld im heutigen Thüringen von 1617.
Protagonisten:
Es gibt eine ungewöhnlich hohe Anzahl nahezu gleichwertiger Protagonisten:
Da ist Katharina, die nach dem Tod ihrer Schwester deren Ehemann Otto heiraten soll.
Katharinas Ideal ist aber nicht die Heirat, sondern sie sieht ihre Pflicht darin, den Armen zu helfen. Zudem ist Otto wahrlich kein sympathischer Heiratskandidat.
Johann, Sohn eines reichen Großbauern, der in die arme Magd Franziska verliebt ist, fehlt aufgrund der Standesunterschiede die Einwilligung zur Heirat von seinem tyrannischen Vater.
Doch die beiden geben sich nicht so schnell auf.
Dann gibt es noch meine Lieblingsfigur Clemens, der nach dem Tod des Vaters noch nicht sein Erbrecht auf den Familienhof erreichen konnte. Der bösartige Mann seiner Schwester Anna treibt seine raffinierten Spiele mit ihm.
Auch Anna liebt ihren Mann nicht und ist unglücklich in der Ehe, aus der sie ausbrechen möchte.
Zuletzt wird noch die Geschichte des jungen Franziskanermönches Burghard erzählt, der nachdem er mit ansehen musste, wie eine Frau als Hexe verbrannt wurde, zweifelt. Er wandert zusammen mit dem fanatischen Servatin. Potential für Konflikte, die ausgetragen werden.
Hinzu kommen viele gut charakterisierte Nebenfiguren, die die Menschlichkeit in fast allen ihrer Schattierungen zeigt.
Die Aufteilung der Personen in Gut und Böse deckt sich mit Naiv und Anständig sowie clever und verschlagen.
Das stört mich in diesem Fall aber nicht, da es wirklich durchgehend glaubhaft beschrieben ist.
Mein Kritikpunkt wäre eher, dass der Roman aufgrund des komplizierten Aufbaus in der Mitte etwas langsam in Fahrt kommt und hier auch einmal Geduld vom Leser einfordert.
Die Geschichten all dieser Figuren laufen parallel an und werden abwechselnd erzählt. Gerade dadurch entsteht die beeindruckende Komplexität des Romans.
Fazit:
Deana Zinßmeister hat mit Das Hexenmal einen neuen Weg eingeschlagen ohne auf ihre bewährten Stärken zu verzichten. Es entstehen durch die Wirkung der Lektüre und dem Schicksal fast aller Haupt- und Nebenfiguren starke Emotionen. Das Buch erinnerte mich daher beim Lesen oft an Romane von Ines Thorn. Ich hoffe darauf, dass Deana Zinßmeister auf Dauer zur Neuerung des Genres entscheidend beitragen wird und so belebende Impulse entstehen.
Ein absolut faszinierender Roman, der die anspruchsvollen Leser historischer Romane und die, die auf Suche nach unterhaltsamer Spannungsliteratur sind, einen wird.