Unionsverlag, 234 Seiten
Aus dem Russischen von Charlotte Kossuth; und Halina Wiegershausen (Titelgeschichte)
Kurzbeschreibung von Amazon
Eine Sammlung von frühen, bisher im deutschsprachigenen Raum noch nicht erschienenen Erzählungen des bedeutenden sowjetischen Schriftstellers Tschingis Aitmatov. Sie entstanden in den Jahren 1953 bis 1965 und zeigen den Weg des Autors, der zuerst noch unter dem Einfluß der Literatur des sozialistischen Aufbaus stand, dann aber bald seinen eigenen Stil fand und zum Erneuerer der Literatur seines Landes wurde.
Autorenportrait
Tschingis Aitmatow, 1928 geboren, gehört zu den meistgelesenen Autoren der Welt. In seinen mit hohen Preisen ausgezeichneten Romanen und Erzählungen zeigt der kirgisische Autor, der sein Land seit vielen Jahren als Botschafter in Brüssel vertritt, die problematische Beziehung zwischen den alten Traditionen kirgisischer Nomaden und der modernen Geschichte. Seine schönsten Erzählungen spielen in der einsamen Weite Kirgisiens. Mit "Dshamilja" erlangte er Weltruhm. Zuletzt erschien von ihm "Kindheit in Kirgisien".
Meine Rezension:
Da Tschingis Aitmatow heute am 10.06.08 leider verstorben ist, las ich ihm zu Ehren Kurzgeschichten aus dieser Sammlung von frühen Erzählungen.
Die Sammlung beinhaltet die Kurzgeschichten:
Die Klage des Zugvogels, Der Soldatenjunge, Am Fluß Baidamtal, Das Wiedersehen mit dem Sohn, Der rote Apfel, Das Kamelauge, Rivalen, Weißer Regen, Der Sypaitschi
Die Geschichten sind zwischen 1953 und 1965 geschrieben worden.
Die meisten der Geschichten besitzen atmosphärische Landschaftsbeschreibungen, die eine Stärke des Autors gewesen sind. Ich kann nicht alle Geschichten ausführlich vorstellen, eine kleine Auswahl möchte ich aber erwähnen.
Ich habe natürlich beim ersten Lesen den Vergleich zu Dschamilja gestellt und in den wenigsten Geschichten gefunden.
Aber in „Am Fluß Baidamtal“ von 1956 habe ich doch eine Nähe zu Aitmatows Meisterwerk gefunden.
In der Nähe einer Hydrologiestation wird halbtot ein Mann Namens Nurbek gefunden.
Von der jungen, etwas einsamen Assija wird er gepflegt. Klar, dass sie sich verlieben.
Unklar ist zunächst, was Nurbek in dieser unwirtlichen Gegend macht. Ist er vielleicht ein Verbrecher, der geflohen ist?
Aitmatow arbeitet mit der Technik des Rückblicks um Nurbeks Vorgeschichte zu erzählen. Geschickt gemacht. Sprachlich ist die Geschichte auch von sowjetischen oder russischen Ausdrücken geprägt: Genosse, Schwesterchen, etc.
Eine weitere Hauptfigur ist der Fluss Baidamtal, der sich wild durch Felsschluchten und Bergen windet. Wild brodelnd, wie die Gefühle der Protagonisten in dieser Geschichte.
Es gibt in der Geschichte sowohl einen Spannungsansatz als auch eine anrührende Liebesgeschichte. Tiefe Emotionalität ist das, was der Leser gerade bei Aitmatow sucht und genießt.
Auch die Titelgeschichte Die Klage des Zugvogels hat große Sprachkraft und endet sogar mit einem Gedicht.
In der geschickt aufgebauten Kurzgeschichte Der Soldatenjunge glaubt ein kleiner Junge, der sich einen Film im Kino ansieht, in einem Soldaten seinen ihm unbekannten Vater zu erkennen, nicht wissend, dass sein Vater schon lange gefallen ist.
Das Wiedersehen mit dem Sohn ist eine berührende Geschichte, in der der alte Tschordon die Gegend aufsucht, in der sein Sohn lebte, der leider schon lange im Krieg gefallen ist. So bleibt das Wiedersehen mehr Imagination und ein zurück erinnern.
Diese Geschichte lässt den Leser nicht kalt.
Das Buch schließt eine Tabelle mit Worterläuterungen ab, die hilfreich ist.
Obwohl es sich überwiegend um ein Frühwerk des literarischen Riesen Tschingis Aitmatow handelt, ist in fast allen Geschichten seine große sprachliche Kraft überdeutlich spürbar. Ein Lesen oder Wiederlesen ist wirklich lohnenswert!