Originaltitel: Les Fourmis
Inhalt
Jonathan Wells ist gerade arbeitslos geworden, als er unverhofft von seinem Onkel Edmond, den er nur ein einziges Mal als Kind gesehen hat, eine Wohnung erbt. Er zieht mit Sack und Pack -- bzw. mit Frau und Sohn -- um in die Rue des Sybarites, in der sich bald nach seiner Ankunft merkwürdige Dinge zutragen. Zunächst fällt ihm ein Brief seines Onkels in die Hände, in dem in Großbuchstaben steht: NIEMALS IN DEN KELLER HINABSTEIGEN. Jonathan bringt also ein großes Schloss an der Kellertür an und schärft seiner Frau und seinem Sohn ein, das Verbot zu respektieren. Nachdem er jedoch selbst auf der Suche nach seinem Hund wiederholt hinabsteigt und schließlich nicht mehr auftaucht, alarmiert seine Familie die Polizei.
Unterdessen macht der Leser Bekanntschaft mit einer völlig anderen Welt: mit Bel-o-kan, dem Reich der Ameisen. Werber berichtet uns von den Abenteuern des 327. Männchens, das sich auf seinen Hochzeitsflug vorbereitet und von seinen Begleiterinnen, von denen einige wenige dazu ausersehen sind, als Königinnen einen neuen Staat zu gründen. In Bel-o-kan scheint eine Verschwörung im Gange zu sein, und unsere Helden sollen einigen mysteriösen Todesfällen auf die Spur kommen, die nichts mit dem Einfall feindlicher (Ameisen-)Armeen zu tun haben.
Das Buch beginnt mit der Geschichte von ein paar Menschen, deren Geschick jedoch immer weiter in den Hintergrund tritt. Im Verlauf der Handlung übernehmen die Ameisen die Herrschaft über die Geschichte, und wir tauchen immer tiefer ein in das Reich der Insekten. Der Autor erschließt uns mit seiner Kenntnis eine faszinierende Welt, von der die meisten kaum Kenntnis haben dürften.
Wer weiß schon, wie zwei Ameisen miteinander kommunizieren und einander Botschaften vermitteln oder wie die Gesellschaft in einem Ameisenstaat tatsächlich organisiert ist? Durch seine Besessenheit, alles über diese Insekten zu lernen, lässt Jonathan Wells den Leser teilhaben an diesem faszinierenden Wissen. Die "wissenschaftlichen" Kommentare stammen samt und sonders aus dem Lebenswerk seines Onkels Edmond Wells, der "Enzyklopädie des relativen und absoluten Wissens", nach der auch ein dubioser Freund des Dahingeschiedenen sucht. Es wird vermutet, dass Edmond sie in dem verbotenen Keller versteckt hat...
Am Ende des Buches hat man den Eindruck, die Hauptakteure seien nicht die Menschen, sondern die Ameisen gewesen. Und tatsächlich kommt diesen eine immer größere Bedeutung zu, je weiter die Geschichte voranschreitet. Letztendlich haben sie auch ausgeprägtere Persönlichkeiten als die menschlichen Protagonisten, und man nimmt größeren Anteil an ihrem Schicksal, als man es sich vor Beginn der Lektüre hätte träumen lassen. Wer bei seinem nächsten Ausflug ins Grüne einen Ameisenhaufen sieht, wird diesen wahrscheinlich mit völlig anderen Augen betrachten.
Der Autor
Bernard Werber (Jahrgang 1961) hat zehn Jahre als Wissenschaftsjournalist für verschiedene französische Zeitschriften gearbeitet, bevor er sich der Schriftstellerei verschrieb.
Meine Meinung
Der obige Text beschreibt schon sehr gut den Inahlt des Buches. Der geheimnisvolle Keller wird leider im Laufe der Geschichte etwas vernachlässigt. Dabei fand ich das am Anfang sehr spannend. Mehr und mehr erfährt man aber von den Ameisen. Und das ist durchaus interessant.
Ein wenig rätselt man auch mit, was denn da seltsames vor sich gehen mag in der Metropole der Ameisen. Trotzdem würde ich es nicht als sehr spannend bezeichnen, denn dafür gibt es zuviel Ameisenalltag mit Nahrungssuche, Kämpfen und Antennenkontakt.
Leider vermenschlicht der Autor sie dann doch sehr stark. Zwar haben sie nur Nummern, kommunizieren anders, aber letztendlich treiben auch sie sehr menschliche Gefühle voran: Neugier, Ehrgeiz, Wißbegier, Angst. Das läßt sie trotz aller Andersartigkeit sehr vertraut wirken, hatte für mich Leser aber auch den positiven Effekt, das ich mich ihnen nahefühlte.
Ob die Ameisen nun zu menschlich beschrieben sind oder andersartig genug, darüber bin ich mir nicht so recht klar. Ich liege irgendwo dazwischen. Die Lösung des ganzen, als der Kreis zwischen dem Keller und den Ameisen sich schließt, wird recht kurz und knapp gehalten, zeigt aber doch auf wenigen Seiten, was es bedeutet, wenn zwei fremde Welten sich begegnen und Kontakt suchen. Unprätensiöser kann man es nicht beschreiben.
Das Buch hat mir insgesamt gut gefallen, und mit Sicherheit werde ich die winzigen aber beeindruckenden Lebewesen mit anderen Augen betrachten. Meine Tochter ist mal Opfer eines Säureangriffs von ihnen geworden, nachdem sie unvorsichtig über ein Nest stolperte. Nach dem Lesen des Buches stelle ich mir vor, wie die kleinen Kriegerinnen den feindlichen Störenfried betrachteten und wie sie in Angriffsstellung gingen und sich fragten, was das wohl neuartiges war :grin. Das hat schon was.
Fazit: ein interessanes kleines Buch, trotz einiger Längen und Schwächen, das einen die Welt mal aus einer anderen Sicht betrachten läßt. Oder um es mit einem Zitat aus dem Buch zu sagen: "Wir schaffen es noch nicht mal, uns unter uns Menschen zu verständigen... Wie könnte ich mir nur einbilden, die Ameisen zu verstehen!"