Der 60jährige, aber relativ jugendliche Soudain führt eine Beziehung mit der 30 Jahre jüngeren Equilibre. Gemeinsam schotten sie sich nicht gerade von der Außenwelt ab, führen aber ein zurückgezogenes Leben zu zweit (wenn man von dem Hund Primavera einmal absieht) in einem Landhäuschen am Ufer der Marne.
Das Idyll wird gestört von dem ca. 40jährigen Saint-Polar einem bohèmehaften Rechtsanwalt, den Soudain eines Tages mit nach Hause bringt. Equilibre und er verlieben sich, haben eine Affäre, schließlich zieht Saint-Polar zu den beiden ins Häuschen. Diese ménage à trois geht aber nicht lange gut, bald entscheidet sich Equilibre - gegen beide.
Das Buch von Undine Gruenter liest sich nicht oder nur selten wie ein Roman. Es ist vielmehr eine Art Essay über die Liebe, die verschiedenen Vorstellungen von ihr, und ihre Erfolgsaussichten. Alles ist geschrieben als ein Monolog Soudains, der als nicht gefühlloser, aber sehr ruhiger und analytischer Chronist die Vorgänge um Equilibre beobachtet. Gegen Ende des Buches gibt es schließlich auch noch eine Art Typologie, welche Hauptfigur welcher Auffassung der Liebe zuzuordnen sei.
Was soll ich sagen? Warum schreiben Schrifsteller/innen, wenn sie einen Essay über die Liebe schreiben wollen, nicht einfach einen Essay, sondern kommen mir mit einem solchen Proteus, der im Grunde keine Geschichte erzählt. Über die einzelnen Vorgänge im Landhaus erfahren wir so gut wie nichts, auch kaum etwas über die Vorgeschichte der einzelnen Figuren. Alles wird im Zeitraffer geschildert, stets von außen, und selbst wenn einer der seltenen Dialoge den Text auflockert, wirkt er hölzern und gestelzt, immer im Dienste des höheren philosophischen Ziels.
Dabei ist es gar nicht so leicht zu formulieren, was man aus dem vorliegenden Text eigentlich über die Liebe lernen soll. Dass sie sich ändert? Dass sie Isolation schlecht aushält? Dass eine gewisse Fixierung aber kaum zu vermeiden ist? Dass Treue als Prinzip nicht taugt, als Lebensweise aber schon?
Ich kann es nicht beantworten, der Essay hätte mir wahrscheinlich nicht sehr gefallen, der Roman tut es auch nicht, er hudelt zu sehr über alle Handlung hinweg und begeht ganz lehrbuchhaft den Fehler des telling not showing. Soudain erzählt die ganze Zeit, zeigt aber nichts, sondern zergliedert auch noch das geringste Fünkchen Ereignis, was sich im Laufe des Textes hochrappelt.
Zugute halten kann ich dem Buch lediglich, dass er keine Altmännervariation über das Thema des Altersunterschieds in der Liebe ist. Andererseits wäre es vielleicht auch mal ganz interessant gewesen, Altmännerphantasien nicht nur von alten Männern wie Schlink, Walser oder Frisch zu lesen, sondern von einer Frau. Sei's drum.
Kein Buch für mich, ein sehr deutsches Buch, möchte ich sagen, wenn Undine Gruenter selbst auch die letzten Jahre ihres Lebens in Frankreich verbracht hat. Die Autorin ist übrigens vor einigen Jahren ziemlich jung verstorben und war die Lebensgefährtin des konservativen Kulturtheoretikers Karl-Heinz Bohrer.
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