Hallo, alle zusammen,
war gestern bis spät in die Nacht unterwegs, daher erst heute eine Antwort von mir. Los geht's.
Vielleicht zuerst einmal die Frage nach der nahen Zukunft, in der der Roman tatsächlich spielen soll. Die Details, die ihr genannt habt, sind kleine Spielereien: Die Fittenbude in Kreuzberg (gerade Realtität geworden) oder die US-Präsidentin, das sind deutliche Hinweise, aber auch das Fax und der Preis der Zeitung passen ins (Zukunfts-)Bild. (Ich glaube, dass bei der Polizei die alte Technik solange eingesetzt wird, wie sie funktioniert, weil gespart werden wird, wo es nur geht, und auch die Zeitung mit den großen Buchstaben wird sich nur dann weiterhin in großen Zahlen verkaufen können, wenn der Preis auch für die Masse der Menschen zahlbar ist.) Auch werden Beamte künfig nicht mehr privatversichert sein - auch das eine kleine Spielerei.
Wichtiger ist mir aber bei meinem Zukunftsbild, durchzuspielen, wie sich unsere Gesellschaft entwickeln könnte. Daher habe ich zum Beispiel die Situation eingebaut, dass Selig in einen Verkehrsstau kommt wegen eines Bandenkrieges in Berlin (das KDW, das Kaufhaus des Westens, sei zuletzt geplündert worden, heißt es im Text). Auch die Reaktion der bürgerlichen Passanten, die in Kreuzberg randalieren (nach dem Bombenattentat), ist für mich ein Blick in die Zukunft, ebenso die Hass-Demo, die Lisa hört, als sie aus dem Ministerium kommt: Ich denke (und hoffe), dass unsere Gesellschaft noch so stabil ist, dass soetwas nicht passiert. Aber wenn sich unsere Gesellschaft weiter so auseinanderbewegt hin zu zwei Klassen, den sehr Reichen und den sehr Armen, dann könnte es Wirklichkeit werden.
Und da sind wir auch bei der Antwort zu eurer Frage, taki und ninnie: Ich hoffe, dass diese gesellschaftliche Entwicklung noch gestoppt wird. Dass der Hass, der in den Menschen steckt, klein gehalten wird. Dass sich die Menschen nicht voneinander abwenden und in dem anderen nur den Fremden sehen. Dass sich keine Gruppen bilden, die gegeneinander oder gegen Dritte kämpfen müssen, um noch Selbstwertgefühl und Identität zu haben.
Der Mechanismus ist einfach: Wenn ich das Gefühl habe, nichts zu sein, keinen Wert zu haben, ganz unten zu stehen, dann brauche ich jemanden/etwas, auf den ich meinen Hass werfen kann. Anders ausgedrückt: Indem ich mich von einem anderen abgrenze, definiere ich mich und werde zu etwas, das einen Wert hat (ein guter Deutscher, ein Rechter, ein Linker, einer aus der Marzahn-Gang, einer aus der Neukölln-Gang usw. usw.).
Herzliche Grüße - Markus