Gebrauchsanweisung für die Bretagne - Jochen Schmidt

  • Jochen Schmidt:
    Gebrauchsanweisung für die Bretagne -


    Kurzbeschreibung
    Die Bretagne: rauh, felsig und winddurchtost. Hier haben die Kelten gelebt und die Gallier – weil es kein Römer je ausgehalten hätte. Behauptet Jochen Schmidt. Und er muß es wissen, denn er hat sich lange umgesehen, dort, wo die Artischocken herkommen, der Cidre und natürlich die Artus-Sage. Aber trotz aller Drachen und Feen, die in dem keltischen Land zwischen Wind und Wald zu Hause sind, ist auch in der Bretagne die Zeit nicht stehengeblieben. Was sich geändert hat, welche Sprache dort heute wirklich gesprochen wird und warum alle Bretonen dickköpfig und katholisch sind – das verrät Jochen Schmidt auf kurzweilige Weise.


    Über den Autor
    Jochen Schmidt, 1970 in Berlin geboren, hatte während seiner Studienzeit in Brest eingehend Gelegenheit, den Bretonen in seiner Heimat zu beobachten. Seitdem ist er immer wieder dorthin zurückgekehrt und widmet der Bretagne auch in seinen Romanen große Aufmerksamkeit.


    Meine Meinung


    Der Autor, der einige Zeit in Brest (dem in der Bretagne, nicht Brest Litowsk ) studiert hat, bereist die Bretagne für mehrere Wochen noch einmal, diesmal mit Mietwagen und sehr touristisch. Kreuz und quer geht’s übers Land und sämtliche touristische Attraktionen werden abgeklappert, Mont St Michel, Hinkelsteine und auch die berühmten Fete Noz besucht (und wie auch ich scheint der Autor der Meinung zu sein, dass kaum langweiligere Veranstaltungen vorstellbar sind). In dieser "Gebrauchsanweisung" vermischt er folglich touristische Eindrücke mit dem Feeling, in dieser manchmal recht abweisenden Landschaft zu leben.


    Immer wieder wird in seinem Bericht, und das ist ungewöhnlich für eine „Gebrauchsanweisung“, das Verhältnis zwischen Bretonen und Deutschen thematisiert, schließlich wurden die Bretonen, da sie kein französisch sprachen, im zweiten Weltkrieg an vorderster Front verheizt, die Küstenlinie durch deutsche Verteidigungsanlagen verschandelt und viele bretonischen Hafenstädte während des Krieges nahezu komplett zerstört. Und man spürt eine gewisse Erleichterung, dass im Gegensatz zu anderen Regionen Frankreichs, kaum antideutsche Ressentiments zu spüren sind. Eher nerven die deutschen Touristen, die mit ihren Wohnmobilen von teilweise Sattelschlepperdimensionen die winzigen Gassen der Städtchen blockieren.


    Sehr kurzweilig sind auch die Kapitel des Buches, in denen Schmidt mit so manchen Klischees (schon wieder dieses Wort) aufräumt, die vielen Menschen, besonders den Deutschen, zur Bretagne einfallen: Menhire und Dolmen, die keineswegs keltischen, sondern steinzeitlichen Ursprungs sind und deren Bezeichnungen keine über Jahrhunderte tradierten keltischen Namen, sondern Erfindungen der Keltomanen des 19. Jhd sind. Oder diese unaussprechliche Sprache: auch sie nicht allgegenwärtiges Kulturgut, wie es die zweisprachigen Straßenschilder vermuten lassen, sondern eine aussterbende Sprache, die nur noch von wenigen Alten und einigen Enthusiasten gepflegt wird. Wie es zu dieser in der Tat traurigen Entwicklung kommen konnte, erklärt Schmidt auch.


    Kleines Manko: an manchen Stellen hätte ich mir einige tiefergehende Darstellungen gewünscht. Zum Beispiel die Herkunft dieser albernen Hüte, die bretonische Omis zur Tracht tragen, die Coiffe. Die erwähnt er zwar, bleibt aber die Erklärung für diesen baguetteförmigen Kopfschmuck aus Klöppelspitze schuldig.
    Oder was es mit der bretonischen Unabhängigkeitsbewegung auf sich hat, die ihre Parolen zwar gerne auf Autobahnbrücken pinselt, die aber, weil sie eben meistens bretonisch sind, nur eine verschwindend kleine Minderheit verstehen kann.
    Und warum sind die Bretonen so ungleich katholischer als ihre französischen Landsleute?


    Aber das sind Kleinigkeiten; das Buch ist amüsant geschrieben, besitzt aber auch nachdenkliche, manchmal regelrecht philosophische Passagen.
    Und eins hat er auch geschafft: das Bedürfnis zu wecken, dass ich dringend demnächst mal wieder in die Bretagne fahren muss...

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)