„Stephan wer?“ - das war die einstimmige Reaktion während der vergangenen Wochen, in denen ich überall lautstark meine überschäumende Vorfreude auf dieses Konzert kundtat.
Stephan Eicher – oder wie die Franzosen sagen: „Eyyschääärrrrr“ – ist in der Schweiz und Frankreich eine bekannte Größe, ein Urgestein der dortigen Musikszenen, das ganze Hallen füllt. Und obwohl er mit Stars wie Patricia Kaas oder Herbert Grönemeyer zusammengearbeitet hat, kennt ihn in Deutschland nur eine winzige Fangemeinde.
Außer, man lässt denjenigen gegenüber, die in den 80ern NDW gehört haben, die Bemerkung fallen: „Der mit dem Eisbär, weißt du?“
Dann macht’s meistens klick.
Außer bei mir, sehr, sehr lange Zeit. Die Band Grauzone und dieser Hit von ihnen waren damals irgendwie an mir vorübergegangen, und noch Ende der 90er entlockte mir die Begeisterung meines damaligen Schwarmes für Stephan Eicher, der mir ihn und seine Musik in den höchsten Tönen anpries, sich gar bewundernd darüber äußerte, dass sein Lieblingsautor Philippe Djian („Betty Blue“) die Texte zu den Songs teilweise schrieb, auch nur ein müdes Lächeln.
Who cares? - I didn’t.
Bis ich im Oktober 2005 spätabends beim Durchzappen im Schweizer Fernsehen auf einem Benefiz-Live-Konzert landete, „Youssou N’Dour and Friends – United Against Malaria“, und darin mitten in einem grandiosen französischsprachigen Duett der indonesischen Sängerin Anggun mit – Stephan Eicher.
Neugierig geworden, besorgte ich mir die erste CD, und war sofort angefixt von der Mischung aus Rock, Pop, Chanson, auf Deutsch, Schwyzerdütsch, Französisch, Englisch, und steckte meine beste Freundin gleich mit an.
Deshalb gab es kein Zögern oder Überlegen, als der Newsletter des diesjährigen Zeltfestivals Stephan Eicher ankündigte – das einzige Konzert auf deutschem Boden der aktuellen Eldorado-Tour. (nunja – so gut wie auf deutschem Boden, ca. 25 Meter von der schweizerischen Grenze entfernt… :lache). Noch am Erstverkaufstag wurden Tickets geholt, und gestern abend war es dann so weit, pilgerten die beste Freundin und ich voll gespannter Erwartung an das Seeufer, in den letzten Winkel von Konstanz, hin zu dem gelb-blau gestreiften Zirkuszelt.
Mit ein klein wenig Verspätung kündigte Dieter Bös vom Veranstalter Koko Entertainment den Auftritt im (nach Blick über die Schulter geschätzten) nahezu ausverkauften Zelt an, und vom ersten Augenblick an, den Stephan Eicher die Bühne betrat, elektrisierte er das Publikum. Und mit den ersten Takten hatte uns seine Musik in ihren Bann geschlagen - Stillsitzen unmöglich (abgesehen von ein paar eingefrorenen Eiszapfen in der Reihe vor uns :grin)!
Ein Konzert wie ein Rausch; unmöglich für mich, die Reihenfolge der Songs im Kopf zu behalten und hier wiederzugeben, vor allem auch, weil ausnahmslos alle Stücke anders - und ungleich großartiger - arrangiert waren als auf den Studio-Alben. Neben Songs der aktuellen CD "Eldorado" wie „Confettis“, „Eldorado“ oder „Weiss Ned was es Isch“ (Text: der Schweizer Autor Martin Suter) fanden sich auch Titel aus früheren Alben: „Manteau de Gloire“, „Two People in a Room“, „Mille Vies“, „Der Weg zu zweit“ oder „I tell this night“. Zu meiner großen Freude war auch mein Lieblingsstück darunter: „Déjeuner en Paix“, das als gewaltige Rockversion das Zelt erbeben und die Stimmung überkochen ließ – und sogar meine geliebten Hispano-Rocker von den Héroes del Silencio (Zeltfestival 1996) wie blutleere Milchbubis wirken ließ (lo siento, chicos! :chen).
Stephan Eicher macht alles: zarte, verträumte Chansons, melancholische Tresen-Songs mit rauchiger Stimme wie „Charly“ (ebenfalls Lyrics von M. Suter), guten, ehrlichen, starken Rock mit harten Gitarren-Riffs, Blues und jazzige Nummern, aus seinem „Hemmige“ (zu deutsch „Hemmungen“ :grin) gar – nach eigenen Angaben exklusiv für diesen Abend im Zirkuszelt in dieser Version arrangiert – eine ausgefallene Pop-Nummer mit harten Beats im Stil der 80er. Und Stephan Eicher KANN vor allem alles – er ist ein Vollprofi und Vollblutmusiker, ein Könner voller Leidenschaft, das merkt man bei jedem Takt, gleich ob als Solist oder gemeinsam mit seinen beiden Tausendsassa-Begleitmusikern, und er greift auch mal selbst mitten in einem Stück zu den Drumsticks. Die Beleuchtungseffekte waren sparsam, wirkten aber dennoch, genauso wie das gesamte Programm auf der Bühne.
Doch im Vordergrund stand immer die Musik – und die Persönlichkeit Stephan Eichers, die gemeinsam das Zirkuszelt bis in den letzten Winkel, bis unter das hohe Dach füllten. Ein paar Momente lang war ich sogar überzeugt, nicht unter einer blauen Plane zu sitzen, sondern draußen unter dem nächtlichen Sommerhimmel - und habe mit Blicken die Sterne gesucht...
Viel zu schnell war das Konzert vorbei, so prall gefüllt es mit Musik auch war, ebenso wie die Zugaben - als letzte das zärtliche „Zrügg zu mir“ (wieder Text von Suter), allein auf der Gitarre, mit dem Stephan Eicher uns - verschwitzt, überwältigt, herzensselig - in die schwüle, gewittrige Sommernacht entließ.
Merci, Monsieur Eicher, pour cette soirée - c’etait magnifique!
A bientot!